The Goldfinch – Der Distelfink

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Mrs. Barbour (Nicole Kidman) zieht Theo (Oakes Fegley) wie ihren eigenen Sohn auf. Der erwachsenen Theo (Ansel Elgort) vergisst ihr das nie. (Warner Bros.)



Gebunden an einen Käfig – und an ein Buch


Wer zählt die Bestseller, die Hollywood in die Mangel nahm – von der Bibel und den Epen «Vom Winde verweht» oder «Doktor Schiwago» bis zum «Paten» oder «Schindlers Liste». Die Amerikanerin Donna Tartt landete 2013 mit ihrem dritten Roman «The Goldfinch – Der Distelfink» einen Bestseller. Der Wälzer, in der deutschen Ausgabe über 1000 Seiten stark und mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet, wurde von John Crowley üppig bebildert. Ein ausufernder Roman, der nun auf 150 Kinominuten getrimmt wurde.

Ausgangspunkt ist ein Bombenattentat im Metropolitan Museum of Art in New York. Durch Zufall bleibt der 13jährige Theodore Decker (Oakes Fegley) bei diesem Museumsbesuch unverletzt, seine Mutter stirbt ebenso wie der Kunsthändler Welton Blackwell, der dem Jungen eine Gemälde in Obhut gibt: «Der Distelfink». Es handelt sich dabei um ein Werk des holländischen Altmeisters Carel Fabritius aus dem Jahr 1654. Es hängt heute tatsächlich in Den Haag (Mauritshuis).
Der «Distelfink» wird zum Dreh-und Angelpunkt, zur Erblast und zum Antrieb des Roman-und Filmhelden Theodor Decker. Und der fühlt sich mitschuldig am Tod seiner Mutter: Hätte er nur… Halbwaise Theo wird von einer wohlhabende Familie aufgenommen und von der Patronin, Mrs. Barbour (Nicole Kidman), liebevoll mütterlich grossgezogen, bis sich Theos Vater, ein heruntergekommener Glücksspieler, aus Las Vegas meldet und das Kind zu sich holt.

Neben dem Gemälde, das im Verborgenen schlummert, bilden Antiquar Hobie (Jeffrey Wright) und sein Laden in Greenwich Village eine Konstante im Leben des erwachsenen Decker (Ansel Elgort). Der ist nach dem Tode seines Vaters nach New York zurückgekehrt und zum Antiquitätsexperten aufgestiegen. Wichtige Rollen in Theos Leben spielen neben der Pflegemutter (Kidman – distinguiert zurückhaltend präsent) die Jugendliebe Pippa (Aimee Laurence als junges Mädchen, später Asleigh Cummings), Tochter des erwähnten Bildbesitzers Blackwell, und der Gefährte Boris (Finn Wolfhard/Aneurein Barnard). Beide machen Karriere auf unterschiedliche Weise und kommen wieder zusammen – auf der Jagd nach dem «Distelfink», der abhandengekommen ist. Beim Actionfinale zieht der zwielichtige Boris die Fäden.

Die Verfilmung – zwischen Familien-und Erziehungsdrama, Coming-of-Age- und Liebesfilm, Kunsthandel und Thriller – mäandert auf den Spuren des Bestseller-Wälzers. Das ist einerseits grosses Kino, andererseits aber auch eine Probe aufs Exempel. Es gibt Sprünge und Ungereimtheiten, Ungelöstes, Irritationen und Detailliebe, brüchige und romantische Beziehungen – und vor allem den «Distelfink», der gezielt als Deus ex machina eingesetzt wird. Besagtes holländisches Stillleben zeigt einen Vogel, der gebunden ist – so wie der Film, der ans Buch gefesselt scheint und illustriert statt ein eigenes Bildwerk zu kreieren.


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USA 2019    
150 Minuten

Regie: John Crowley
Buch: Peter Straughan
Kamera: Roger Deakins

Darsteller: Oakes Fegley/Ansel Elgort, Nicole Kidman, Jeffrey Wright, Aimée Laurence/Ashleigh Cummings, Sarah Paulson, Finn Wolfhard/Aneurin Barnard

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