Der Basler Thomas Blubacher (55) hat die Schweiz nach Drehplätzen durchforstet. (Bild: rbr)


Spurenlese –
Wo Bond ballerte und Matto regierte

«Drehort Schweiz. Filming Locations von Aarau bis Zwieselberg» – Wussten Sie, dass Zürich als London herhalten musste und Schweiz draufstand, aber gar nicht drin war? Der Basler Theaterwissenschaftler und Autor Thomas Blubacher hat ergiebig recherchiert und in seinem lexikalischen Wälzer rund 500 Drehorte in der Schweiz aufgespürt und beschrieben – von Aarau («Der Bestatter») bis zum Bernischen Zwieselberg («Kohlhiesels Töchter»).

Es gibt Reiseziele, die erst durch Filme richtig attraktiv und touristisch interessant wurden. Man denke an Neuseeland, der Heimat der Hobbits. Diese fantastische Kulisse für Mittelerde. Dem «Herr der Ringe» sei Dank! Was wäre «Heidiland» ohne Johanna Spyri und ihre Heldin aus den Bergen? Schauplätze und Drehorte haben eine grosse Anziehungskraft gewonnen. Spezielle Reisen werden organisiert, Drehorte angepriesen und ausgewiesen – von Südengland und Schottland («James Bond 007 – Skyfall») bis zur Brücke am Kwai, die freilich für den Film in Ceylon rekonstruiert wurde. Man sieht, nicht immer ist der Drehort auch der wahre Schauplatz im Film.

Thomas Blubacher klärt in seinem umfangreichen Buch darüber auf, dass «Jack the Ripper» mit Klaus Kinski nicht in London, sondern 1976 im Zürcher Niederdorf gedreht wurde. «Sein erstes Opfer im Film ersticht Orloff im Kreuzgang des Fraumünsters am Münsterplatz 2», erzählt Autor Blubacher. «Orloff schleppt die Leiche zu einem Boot im Schanzengraben, der als Themse herhalten musste.» Gewusst wo und wann.

Der Schmöker ist eine wahre Fundgrube über 377 Seiten. Zwei Register bieten für diese Entdeckungsreise wertvolle Hilfe. Neben dem Filmregister gibt es auch ein Ortsregister. Was hat es sich mit der Literaturverfilmung «Matto regiert» auf sich? Die Nervenheilanstalt, in der Wachtmeister Studer (Heinrich Gretler) 1946/47 ermittelte, ist in Wahrheit die Psychiatrische Klinik Rheinfelden. Den Fernsehfilm «Studers erster Fall» mit Hans Heinz Moser drehte Sabine Boss («Der Goalie bin ig») 2001 in der Kantonalen Psychiatrischen Klinik in Rheinau, ZH.

Die eindrückliche Schlussszene von Markus Imhoofs «Das Boot ist voll» (1980) fand auf der Rietbrücke über den Rhein in Diepoldsau, SG, statt. Der schwarzweisse Kultfilm «E Nachtlang Fürland» von Clemens Klopfenstein und Remo Legnazzi spielt sich auf diversen Berner Schauplätzen ab, beispielsweise in der Beiz Beaulieu, im Falken, Aarbergerhof, Lorenzini, in der Zunft zu Webern oder im Café des Pyrénées.

Wer sucht, der findet – selbst in (meinem Wohnort) Kreuzlingen, wo das Fernsehdrama «Martha» mit Margit Carstensen und Karlheinz Böhm 1973 in der Seeburg gedreht wurde – von keinem geringeren als Rainer Werner Fassbinder. Zürich nimmt natürlich breiten Raum im Buch ein (fast 50 Seiten) – von Kurt Frühs «Oberstadtgasse» und «Bäckerei Zürrer» bis zu «The Swiss Conspiracy» 1975 mit Senta Berger oder «The Eiger Sanction» 1974 mit Clint Eastwood, wobei hier der Hauptactionplatz natürlich die Kleine Scheidegg bei Grindelwald war.

Eine reizvolle Reise durch die Schweiz auf andere Art. Ein Aspekt sei auch, so der Autor, die Heimat fremd zu sehen. Rund 5000 Filme oder Serien wurden in der Schweiz realisiert. Sicher fand nicht jeder Film und Drehort Berücksichtigung. Doch das Locations-Buch ist reich bestückt auch mit neueren Produktionen wie «Papa Moll» (2017) in Strengelbach, AG, und Laufenburg, AG, oder «Jagdzeit» (2020) von Sabine Boss in Baar, ZG. Andere Filme haben es nicht mehr in dieses Kompendium geschafft: zum Beispiel «Soul of a Beast» (2021) von Lorenz Merz, in Zürich gedreht. Redaktionsschluss eben. Aber das kann ja noch werden. Blubachers Buch voller Informationen, Anekdoten und schwarzweissen Bildern ist lesenswert – nicht nur für Filmliebhaber: «Action bitte!»



Thomas Blubacher: «Drehort Schweiz. Filming Locations von Aarau bis Zwieselberg», Zytglogge Verlag 2022, 39.90 Franken

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Veröffentlicht Dezember 2022