Friede, Freude, Filme: Sie fingen den grossen Fisch, die Gewinner von «Blue My Mind» (mittlere Reihe). (Bild: Eduard Meltzer)



SCHWEIZER FILMPREIS 2018

Von Frau zu Fisch – und andere «Märchen»

Seit zwanzig Jahren wird der Schweizer Filmpreis verliehen – eine Initiative übrigens von Ivo Kummer, dazumal Leiter der Solothurner Filmtage, heute Chef der Sektion Film im Bundesamt für Kultur. Was ist daraus geworden? Ein Ereignis der Branche für die Branche, Gala, Selbstbespiegelung, Akt der Auszeichnungen mit einem Preis, der so kantig und künstlich ist, wie er aussieht: der Quartz. Zurecht monierte frau an der jüngsten Preisgala in der Industriehalle 622 in Zürich, Oerlikon, dass es keine Preisnamen mit femininem Touch gäbe – warum nicht statt Oscar oder Quartz vielleicht Linda oder Luna wie die Gewinnerin Luna Wedler?

Sowohl Bundesrätin Simonetta Sommaruga als auch die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch wiesen nachdrücklich auf den Nachholbedarf in Sachen Gleichberechtigung hin, die auch in der Filmbranche (noch) im Argen liegt. Die feminine Präsenz 2018 war freilich eindrücklich, nicht nur in Gestalt von Mauch und Sommaruga. Ein durch und durch weiblicher Film schwang nicht überraschend obenaus: «Blue My Mind», eine Teenager-Märchen, gewann drei Quartze – für Beste Darstellerin (Luna Wedler), Bester Film und Bestes Drehbuch (Lisa Brühlmann). Sicher ein ausserordentlicher Film, der aus dem Rahmen fiel und arg überschätzt wurde. Vielsagend: Ein junges Mädchen auf der Pubertätsschwelle verwandelt sich in eine Meerjungfrau statt Frau. Ein Kunstprodukt, das jedoch im Kino (bislang) nicht reüssierte, magere 3300 Kinobesucher wurden bisher registriert, in der Westschweiz ist «Blue My Mind» noch gar nicht zu sehen.

Was bitte soll ein Filmpreis 2018 für Filme, die in Teilen der Schweiz noch gar nicht zu sehen waren? Was passiert mit den Filmen, die erst noch einen Kinostart vor sich haben? Werden sie dann einfach vergessen für den Filmpreis 2019? Der Schweizer Filmpreis 2018 ist verkorkst: Kunstfilme werden von den Akademiemitgliedern, die darüber bestimmen, hoch gehandelt; Publikumsfilme dagegen eher schnöde behandelt, so hatten «Papa Moll» (Hauptdarsteller Stefan Kurt) oder «Die letzte Pointe» (Hauptdarstellerin Monica Gubser) keine Chance. Andere wurden gar nicht nominiert wie die saftige Komödie «Flitzer» (Beat Schlatter). Und was ist mit dem Schweizer Mark Forster und seinem Drama «All I See Is You». Vielleicht weil es eine US-Produktion ist?
Der Quartz sei ein Kunstpreis und kein Preis der Zahlen, meint Christian Frei, Filmer und Präsident der Schweizer Filmakademie seit 2010, heisst: Erfolg im Kino spielt keine entscheidende Rolle. Kühl und kunstfertig wirkte dann auch die Verleihungsgala in der nüchternen Halle 622. Rund 850 Gäste, quasi die ganze Schweizer Filmbranche, gaben sich ein Stelldichein. Es war zwar viel von Emotionen die Rede, aber die kamen nur in wenigen Momenten auf. Einen Heiterkeitserfolg verbuchte Hollywoodstar Jeff Bridges («True Grit», «The Big Lebowski»), als er dem Schweizer Maskenbildner Thomas Nellen («Vakuum») einen Spezialpreis in Form eines Quartz bei der Maskenarbeit in den USA überreichte und den ganzen Akt mittels handgestricktem Video übermittelte. Heiterkeit erregte vor allem die Reaktion der beiden angesichts des kantigen Quartz-Dings, man wusste wohl nicht so recht, was diese Trophäe darstellen sollte. Vielleicht wäre eine Sabine- oder Susi-Skulptur doch fassbarer.

Wiederholt wurde ein Jungstar mit dem Quartz geehrt, der bereits als Shooting Star in Berlin gefeiert wurde: Luna Wedler («Der Flitzer», «Der Bestatter»). Sie wirkte wohl zur rechten Zeit im richtigen Film mit, der den Filmakademiemitgliedern so am Herzen lag. Die Auszeichnungen für Schauspieler Max Hubacher («Mario»), für den verdienten Kameramann Pio Corradi («Köhlernächte») oder den Dokumentarfilm «L'Opéra de Paris» von Jean-Stéphane Bron gehen in Ordnung, wenngleich auch «The Kongo Tribunal» einen Quartz verdient hätte, allein wegen der politischen Brisanz. Der Quartz wirft keine Wellen (ausser in den Medien), und ob der Gewinner «Blue My Mind» noch einen Zuschauerschub im Kino erlebt, ist recht unsicher.


QUARTZ 2018
Spezialpreis für Maskenbildner Thomas Nellen («Vakuum»), dotiert mit 5000 Franken
Ehrenpreis für das Gesamtwerk (Animation) Georges Schwizgebel
Bester Spielfilm «Blue My Mind» von Lisa Brühlmann, Produktion Tellfilm (Stefan Jäger)
Bester Dokumentarfilm «L'Opéra de Paris» von Jean-Stéphane Bron
Bester Kurzfilm «Facing Mecca» von Jan-Eric Mack
Bester Animationsfilm «Airport» von Michaela Müller
Beste Darstellerin Luna Wedler («Blue My Mind»)
Bester Darsteller Max Hubacher («Mario»)
Beste Darstellung (Nebenrolle) Jessy Moravec («Mario»)
Beste Kamera Pio Corradi («Köhlernächte»)
Bestes Drehbuch Lisa Brühlmann («Blue My Mind»)
Beste Filmmusik Diego, Lionel Vincent und Nora Baldenweg («Die kleine Hexe»)
Beste Montage Gion-Reto Killias («Almost There»)


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Veröffentlicht März 2018