Ferdinand Hodlers «Der Tag» ( (1904/06) mit Mobiliar (1913) aus dem Besitz von Berthe und Ferdinand Hodler. (Foto: rbr)


Wiener Frühling für Hodler

Wien war für Ferdinand Hodler wahrlich eine Reise wert. Die Einladung zur 19. Wiener Secession 1904 brachte dem Schweizer den künstlerischen Durchbruch. Seine Begegnung mit Gustav Klimt und der Wiener Werkstätte ist Thema der aktuellen Ausstellung im Zürcher Kunsthaus (bis 29. August 2021).

«Die Wiener haben mir aus dem Dreck geholfen», konstatiert der Schweizer Maler. «Aber mehr noch als alle Ehrungen und Anerkennung freut mich der klingende Erfolg. Jetzt bin ich materiell unabhängig.» Aufgrund der Ausstellung 1904 wurden von den 31 Hodler-Werken 13 verkauft. Sie brachte ihm den internationalen Durchbruch – trotz Wiener Kritiker-Häme. Die Resonanz war überwiegend positiv bis begeisternd. Der Kunsthistoriker Jura Brüschweiler stellte fest: «Hodlers Weltruf beginnt in Wien.» Hodler und seine Frau Berthe blieben einige Wochen in Wien. Er wurde hofiert, bewundert, verwöhnt. Das tat ihm gut und sollte für seine Künstlerkarriere sehr förderlich sein. Dieses Kulturereignis schlug sich in seiner Schweizer Heimat nieder.

In der Kunsthaus-Ausstellung «Hodler, Klimt und die Wiener Werkstätte» geht es freilich nicht um die Wirkungsgeschichte oder die Bedeutung Hodlers (1853–1918) in der Schweizer Kunstgeschichte, sondern um Werk und Wirkung der Wiener Werkstätten. Hodler und Gustav Klimt sind quasi die Lockvögel der Zürcher Ausstellung. So sind denn auch einige prägnante Werke der beiden zu sehen: Klimts «Porträt von Hermine Gallia» (1904), der Kunstförderin, beispielsweise oder die berühmte «Judith I», ein Farblichtdruck von 1901, sowie die Hodler-Bilder «Die Wahrheit» (1903), «Blick ins Unendliche III» (1904) oder «Die Jungfrau von Isenfluh» (1902). Sie waren allesamt an der XIX. Ausstellung der Wiener Secession 1904 zu sehen.
Die Zürcher Ausstellung versammelt Entwürfe, Dokumente und Produkte der Werkstätte: Möbel beispielsweise, aber auch Stoffmuster, Schmuck, Modedesign bis hin zu einem Paar Abendschuhe für Edith Schiele, der Frau des bekannten Malers. Ergänzt werden solche «Schaustücke» durch Zeichnungen, Entwürfe Dagobert Peches für Spitzendeckchen, Stoffmuster oder Tapeten, dazu kommen Fotographien der Hodler-Wohnung, von Räumlichkeiten der Wiener Secession oder dem Verkaufsraum der Wiener Werkstätte in Zürich 1917. Dieses Gebäude an der Bahnhofstrasse 1 wurde 1971 ein Opfer des Abrisses. Die Zürcher Filiale der Wiener Werkstätten wurde dazumal (1917–1919) vom Architekten und Designer Dagobert Peche geleitet. Sie diente der Herstellung und dem Vertrieb von kunstgewerblichen Gegenständen und Modeartikeln, schrieb Elisabeth Schmuttermeier in ihrem Beitrag über die Zürcher Niederlassung «Ein Fenster nach draussen», ein Beitrag im voluminösen, reich ausgestatteten Ausstellungskatalog.

Mag sein, dass die Ausstellung im Kunsthaus etwas akademisch und nüchtern daherkommt, aber ihr Hauptanliegen, Hodler und die Bedeutung der Wiener Werkstätte ausführlich und anschaulich zu dokumentieren, erfüllt sie allemal. Die Bedeutung der Werkstätte, quasi ein Vorläufer des Weimarer Bauhauses, ist nicht zu unterschätzen. Die Künstler, Förderer und Anhänger, allen voran der Begründer Gustav Klimt, postulierten ein neues Künstlertum. Die Trennung in der Musik in E und U sollte auch in der Kunst überwunden werden, heisst: die hohe Kunst (Malerei, Skulptur) und angewandte Kunst (Kunstgewebe) sollten nicht getrennt, sondern vereint werden. Gesamtkunstwerke werden angestrebt: Gebäude (Architektur), Innenräume und Ausstattungen sollten Hand in Hand gehen, quasi aus einem künstlerischen Guss sein. Das dokumentiert die Ausstellung anhand der Wohnwelt der Familie Hermine und Moriz Gallia, aber auch am Beispiel der Genfer Wohnung von Berthe und Ferdinand Hodler.
Der Blick in die künstlerische Welt zwischen Jugendstil und Art Déco ist aufschlussreich und spannend. Für Hodler sind die Wiener Begegnungen und Erfahrungen wegweisend. Er ist vom Wiener Kunstgewerbe begeistert und erkennt, «dass durch das so veredelte Gewerbe das Schönheitsgefühl in die weitesten Kreise getragen, das künstlerische Empfinden geweckt und gestärkt wird.»


«Hodler, Klimt und die Wiener Werkstätte», Kunsthaus Zürich, Gastkurator Tobias G. Natter, bis 29. August 2021. Katalog, grossformatig, 223 Seiten. 48 Franken.

Eine sehens- und lesenswerte Ergänzung zum aktuellen Katalog ist das spezielle Buch «Ferdinand Hodler: Die Nacht – Der Tag – Die Wahrheit» von Oskar Bätschmann, Kunst-Professor aus Luzern, Till Schaap Edition, Bern 2019. 28 Franken. Es bietet die detaillierte Betrachtung und Analyse eines Schlüsselwerks des Malers Ferdinand Hodler – mit vielen Skizzen und Abbildungen.


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Veröffentlicht Juni 2021