Die Gewinnerinnen und Gewinner vereint. (Bild: SRG)



SCHWEIZER FILMPREIS 2019

Quartz im Abseits

Die alljährliche Quartz-Gala wurde diesmal in Genf arrangiert, nächstes Jahr ist dann wieder Zürich dran. Quartz – what? Mit dem deutschen Begriff Quarz wollten sich die Gründerväter des Schweizer Filmpreises wohl nicht begnügen und haben ihn listig anglisiert. Besser ist der «Quartz» dadurch nicht geworden, auch wenn er an den bekannten Mineralstein erinnern sollte. Vor elf Jahren wurde die Idee geboren, unter der Vaterschaft des Bundesamtes für Kultur (BAK). Im Jahr 2008 machten BAK, Swiss Films, die SRG sowie die drei wichtigsten Schweizer Filmfestivals von Locarno, Solothurn und Nyon die Filmpreisverleihung zum Event, mit entsprechender Fernsehbegleitung (Übertragung). Die Schauplätze wechselten, doch der Anlass konnte weder hier noch da Glanz und Glorie ausstrahlen und blieb eine Insider-Fete.

Das Gute vorweg: Ein innovativer Dokumentarfilm mit persönlicher Handschrift wurde in Genf dreifach mit dem Schweizer Filmpreis ausgezeichnet: «Chris the Swiss», eine bemerkenswerte Fallstudie. Je ein Quartz für Anja Kofmel (Buch und Regie), Stefan Kälin (Schnitt) und Marcel Vaid (Musik). Die Filmerin Kofmel war den Spuren ihres Cousins Chris gefolgt, der sich 1989 auf dem Kriegsschauplatz Kroatien zuerst als Journalist, dann als Legionär tummelte und umgebracht wurde. Die Filmerin, die Produzenten Samir und Sereina Gabathuler freut's. Zurecht. Der Film tanzt nicht nur stilistisch aus der Reihe – Realszenen und Interviews werden mit Animationen erläutert und illustriert – sondern greift ein Thema auf, das höchst aktuell ist angesichts der IS-Gottesstaatskrieger und -mitläufer(-innen), die wieder zurück wollen, in die Schweiz, nach Deutschland oder… Mitgelaufen, mitgefangen, mitgehangen?

Nun also der Quartz-Event 2019 in Genf – gut schweizerisch mehrsprachig, versteht sich. Vom Showfaktor und Unterhaltungswert wollen wir lieber nicht reden. Das Ergebnis freilich gab wie schon so oft zu reden. Grosser Gewinner war ein Film, den nur wenige im Kino gesehen hatten (4700 Besucher). Das Westschweizer Werk «Ceux qui travaillent» wurde mit drei Preisen überhäuft: Bester Spielfilm (Regie: Antoine Russbach), bestes Drehbuch (Russbach) und beste Nebendarstellerin (Pauline Schneider in «Ceux qui travaillent»). Der Film mit guter Absicht – es geht um gnadenlosen Arbeitsmarkt und deren Opfern – hat sich sicher verdient gemacht, aber… Bei den nominierten Spielfilmen hat sich der Welsche Film gegen vier Deutschschweizer Produktionen durchgesetzt. Wurde hier das Heimrecht strapaziert und die Romandie hofiert?

Nun ist der Schweizer Filmpreis kein Gradmesser des Publikumsgeschmacks und kommerzieller Verdienste, aber dass die Filme, welche die meisten Zuschauern anzogen haben, fast leer ausgingen, ist ein Armutszeugnis – der Akademie und ihrer abstimmenden 500 Mitglieder. Die Publikumserfolge «Zwingli» (rund 300 00 Zuschauer) und «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse» (über 270 000 Besucher) liess man fast links liegen. Joel Basman, Hauptdarsteller in «Wolkenbruch», fand immerhin «Quartz»-Gnade. «Zwingli» wurde verschmäht. Erfolge zahlen sich beim «Quartzen» nicht aus.
Da fragt man sich freilich, ob Kunst Kommerz ausschliesst oder umgekehrt? Quartz ein Quark?


QUARTZ 2019
Spielfilm: «Ceux qui travaillent» (Regie: Antoine Russbach)
Dokumentarfilm: «Chris the Swiss» (Regie: Anja Komel)
Drehbuch: Antoine Russbach («Ceux qui traivaillent»)
Kamera: Peter Indergand («Eldorado»)
Darstellerin: Judith Hofmann («Der Unschuldige»)
Darsteller: Joel Basman («Wolkenbruch»)
Nebendarsteller: Pauline Schneider («Ceux qui traivaillen»)
Montage: Stefan Kälin («Chris the Swiss»)
Filmmusik: Marcel Vaid («Chris the Swiss»)
Ehren-Quartz: Beki Probst
Animationsfilm: «Selfie» (Regie: Claudius Gentinetta)
Kurzfilm: «All Inclusive» (Regie: Corina Schwingruber)
Abschlussfilm: «Les heures-encre» (Regie: Wendy Pillonel)


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Veröffentlicht März 2019