Catwalk für Stars und Prominente in Zürich: Der Grüne Teppich am Zurich Film Festival im Blitzgewitter der Fotoprofis und Amateure. (Foto: ZFF)


Zurich Film Festival (27. September bis 7. Oktober 2018)

Fest der Filme – Hits des Herbstes

Das Motto «Ein Fest fürs Kino. Ein Fest für alle» hat sich bewährt. Die Leiter des Zurich Film Festival (ZFF), Nadja Schildknecht (Interview weiter unten) und Karl Spoerri, gehen gestärkt ins 14. Jahr. Über 160 Produktionen werden während elf Tagen über die Leinwände flimmern (27. September bis 7. Oktober). Stars zieren und veredeln das Festival – von Judi Dench (Golden Icon) über Donald Sutherland (Lifetime Achievement Award), John C. Reilly, Johnny Depp oder Michael Bully Herbig bis zu Sönke Wortmann, Florian Henckel von Donnersmarck, Julian Schnabel und Wim Wenders.

Mit jeder Ausgabe ist das Renommee des Filmfestivals am Zürichsee gestiegen – international sowieso und national auch. Bern und das BAK (Bundesamt für Kultur) werden zukünftig das erfolgreiche Filmfestival fördern (müssen). Die Festivaldirektoren Nadja Schildknecht und Karl Spoerri gehen davon aus, dass der Bund ab 2019 Fördergelder auch nach Zürich fliessen lässt. Die Management-Direktorin Schildknecht sprach an einer Presseorientierung von 250 000 Franken. «Wir haben die Firma und deren Struktur so umgebaut, dass wir die Anforderungen des Bundesamtes für Kultur jetzt erfüllen.» Es ging um bestimmte Vernetzungen und «Seilschaften», die dem BAK ein Dorn im Auge waren.

Das Budget beträgt wie schon 2017 rund 7,3 Millionen Franken. Den Hauptteil tragen die Sponsoren, Stiftungen und Einnahmen. Die Stadt Zürich steuert 350 000 Franken, der Kanton Zürich 270 000 Franken bei. Seit 2005 ist die Zuschauerzahl (8000) kontinuierlich gestiegen auf über 98 000 im vergangenen Jahr. Nadja Schildknecht hofft auf eine weitere Steigerung bei der 14. Ausgabe bis zu 100 000 Kinobesucher. Die Filme wären da, meinte sie, es käme aber auch aufs Wetter an.
Das Angebot ist breit ausgelegt und bietet für alle etwas – von Cineasten bis zu Kindern (neun Filme speziell für Kids, dazu Workshops und eine Kinderjury). Das Interesse beim Nachwuchs scheint gross, haben sich doch 108 Klassen aus 81 Schulen in Zürich und Umgebung für Vorstellungen angemeldet.

12 Weltpremieren, 42 Erstlingswerke und 16 Schweizer Filme werden laut Festivalleitung aufgeführt. Die Wettbewerbe umfassen Internationale Spielfilme (14), Internationale Dokumentarfilme (12), Fokus (12) mit Werken aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Eine Kinderjury beurteilt neun Filme. Für den Internationalen Filmmusikwettbewerb (Thema «Thriller») haben sich 304 Teilnehmer aus 44 Ländern gemeldet. Die besten fünf Kompositionen werden am 5. Oktober vom Tonhalle-Orchester in der Maag-Halle aufgeführt.

Auffallend viele Spielfilme befassen sich mit der Jugend (Coming out), Frauen und Familienkonflikten. «Filme zur aktuellen Weltpolitik zwischen Russland und Amerika sind genauso auffallend häufig vertreten wie Werke über starke Frauen, die Emanzipation und den Umgang mit sexuellen Übergriffen nicht aus einer Opferhaltung heraus thematisieren», erklärt der künstlerische Leiter Karl Spoerri und ist zurecht stolz darauf, dass das ZFF als Plattform für kommende, vermeintliche Herbsthits dienen kann, Filme also, die für Gesprächsstoff und Interesse sorgen.

Grosses Publikumsinteresse wecken natürlich die Galapremieren, hervorzuheben sind etwa Titel wie «Roma», «The Sisters Brothers», «The Favourite» (mehrere Preise in Venedig), «High Life», «A Star Is Born», «Kursk», «The Old Man and the Gun», «Richrad Says Goodbye» (mit Johnny Depp), «Trautmann», «Der Vorname» oder «Werk ohne Autor». Die Gäste – zwischen 500 und 600 – sind illuster: Stars wie Judi Dench, Donald Sutherland oder Johnny Depp, Filmschaffende und Regisseure zuhauf. Ein Schwerpunkt gilt dem neuen italienischen Film («Neue Sicht: Italien»), der Rubrik «Hastag #Data» (Filme über Daten, Datensammeln und die Folgen) und Fernsehserien («Series»). Erstmals wird hier auch ein Goldenes Auge verliehen, dotiert mit 10 000 Franken. Acht Serien nehmen teil wie «Picnic at Hanging Rock». Warum die gefragte deutsche TV-Serie «Babylon Berlin», die nun am 22./23. September im Kino RiffRaff, Zürich, gezeigt wird, vom ZFF nicht berücksichtigt wurde, bleibt ein Manko. Karl Spoerri begründete dies etwas vage und nicht überzeugend mit Zeitproblemen und der grossen Auswahl.

Nach Venedig wird das Zeit- und Liebesdrama «Werk ohne Autor» von Florian Henckel von Donnersmarck in Zürich zu sehen sein. Das über dreistündige Zeitbild umfasst die deutsche-deutsche Geschichte von 1937 bis in die Sechzigerjahre. Im Mittelpunkt steht der junger Maler Karl (Tom Schilling), der seine traumatischen Kindheits- und Jugenderlebnisse aus der Nazi- und DDR-Zeit künstlerisch zu bewältigen sucht. Animiert und inspiriert wurde von Donnersmarck vom Schicksal des Malers Gerhard Richter. Regisseur wie auch die Darsteller Tom Schilling, Sebastian Koch, Saskia Rosendahl werden in Zürich präsent sein.

Natürlich sind die Award-Träger auch mit Filmen präsentiert. Ein Wiedersehen mit Wenders-Filmen («Paris, Texas», «Der Himmel über Berlin», «Pina» oder «Buena Vista Social Club») ist so ebenso möglich wie mit Filmen, in denen Donald Sutherland («The Dirty Dozen», «Don't Look Now» oder «Il Casanova di Federico Fellini») aktiv war. Judi Dench ist mit dem Thriller «Red Joan» präsent.

Filme also wie Sterne am Firmament. Man kann sich sattsehen. Masters-Veranstaltungen mit Donald Sutherland (30. September), Florian Henckel von Donnersmarck (30. September), Julian Schnabel (1. Oktober) und Wim Wenders (6.Oktober) runden das Programm ab, von Talks, Meetings und Partys ganz zu schweigen. Das Kino lebt und wie – zumindest am Zurich Film Festival 2018.


Programm Zurich Film Festival
zff.com

Tickets
zff.com, starticket.ch

ZFF-Verkaufsstellen
beispielsweise Festivalzentrum Sechseläutenplatz, Zürich
Ticketkasse Sihlcity, RiffRaff


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14. Zurich Film Festival – Gespräch mit der Direktorin Nadja Schildknecht

«Business mit Pleasure verbinden»

Braun gebrannt, locker und erwartungsfroh präsentierte Nadja Schildknecht gemeinsam mit Co-Direktor Karl Spoerri das Programm des 14. Zurich Film Festival im Dolder. Wir sprachen mit der Frau, die fürs Management allgemein, für Finanzen, Sponsoring und mehr am ZFF zuständig ist.


 
Sie sehen kurz vor dem Festivalbeginn so frisch und sonnenverwöhnt aus, als kämen Sie just aus den Ferien…
Nadja Schildknecht (lacht): Nein, das muss eher von der wenigen Gartenarbeit sein. Ich liebe die grüne Oase, wie ich unseren Garten nenne. Es tut gut als Abwechslung zum Büro, aber viel Zeit dazu habe ich dafür nicht.
 
Wenn Sie im Garten tätig sind – mit oder ohne Handschuhe?
Ich habe es mal ohne Handschuhe versucht, und es hat dann entsprechend ausgesehen – mit Blasen überall.


Das 13. Festival liegt hinter Ihnen. Sind Sie abergläubisch und glauben an Zahlen wie die 13?
Das 13. war ein Glücksjahr, und das hoffe ich auch vom 14. Jahr.

Das Zurich Film Festival hat im Laufe der Jahre permanent an Renommee dazugewonnen. Doch Bern, sprich der Bund, hat das Festival eine Zeit lang ignoriert. Jetzt soll es anders werden. Sind Sie guter Hoffnung?
Grundsätzlich bin ich immer voller Hoffnung, aber ich bin auch jemand, der umsetzt, nicht nur hofft. Konkret sind beide Parteien daran, eine neue Leistungsvereinbarung auszuarbeiten, welche im Dezember 2018 unterschrieben werden soll. Dies kommt nun so, weil wir strukturelle Veränderungen veranlasst haben, welche für den Bund wichtig waren. Dies klingt einfach, war es aber nicht. Gut ist, dass beide Parteien nun nach dieser langen Strecke das Ziel sehen.

Wie sieht die Zusammenarbeit, der Austausch zwischen den Festivals in der Schweiz aus?
Es gibt die Konferenz der Filmfestivals der Schweiz. Ein Austausch findet also statt, und wie die anderen Filmfestivals ist das Zurich Film Festival nicht mehr wegzudenken.

Sind Sie das Schlachtross, das vorweg in die Schlacht um Subventionen geritten ist?
Grundsätzlich sieht man, wenn man die Subventionsverteilung durchleuchtet, dass politische Komponenten stark mitspielen. Ich lasse nie etwas unversucht, und die Zusammenarbeit erachte ich als wichtig, wie es das Wort schon sagt. Heisst konkret: Man kämpft mit Anstand.

Welche Gründe stecken hinter der vorgängigen Verweigerung aus Ihre Sicht: Erfolg, Neid oder…?
Die Struktur wurde angepasst, wie es das BAK wünschte, und die Zusammenarbeit wird weitergeführt. Somit möchte ich mich dazu nicht äussern, das müssen Sie die zuständigen Personen beim Bund fragen.
 
Die Zuschauerzahlen sind kontinuierlich gestiegen von 90 500 im Jahr 2016 auf 98 300 im letzten Jahr. Geht's weiter so?
Wir zeigen 160 Filme aus über 40 Ländern. Auch werden viele Filmemacher ihren Film persönlich präsentieren, dies macht ein Filmfestival aus. Wir hoffen, dass wir auch dieses Jahr wieder viele Besucher damit begeistern können.
 
Auch die Zahl der Stars und Gäste ist gestiegen. Was lockt – ausser Preisen – die Stars, nach Zürich zu kommen: die Gastfreundschaft, das Festival an sich, das Ambiente?
Ich glaube alles zusammen. Wir haben das Vertrauen kontinuierlich bei der Branche aufgebaut. Zürich ist zudem eine schöne Stadt, und uns liegt viel an guter Gastfreundschaft. Wir achten stark darauf, dass die Gäste Pleasure mit Business verbinden können.
 
500 bis 600 Gäste werden erwartet. Sie können ja nicht allen dienen, auf was konzentrieren Sie sich denn?
Über 120 Events in 11 Tagen sind enorm, so kann man nicht überall sein, und trotzdem ist es wichtig, an möglichst vielen Orten zu sein. Trotzdem ist man natürlich nirgends richtig. Wir haben über 70 Gästemanager, die Gäste begrüssen und betreuen.

Der künstlerische Leiter und die Management-Direktorin – haben Sie Einfluss aufs Programm?
Dadurch dass wir beide das Festival initiiert und aufgebaut haben, verschwimmen gewisse Funktionen ineinander. Natürlich bringe ich mich ein, habe viele Ideen, die dann auch umgesetzt werden, das Gleiche gilt für Karl Spoerri.
 
Auch nach 13 Jahren funktioniert Ihre Partnerschaft harmonisch…?
Wenn zwei starken Personen…
 
Sind Sie beide Alphatiere?
Ja, wenn also zwei starke Personen zusammenarbeiten, kann es mal Diskussionen geben, aber ich sehe das positiv. Nach 14 Jahren kennen und schätzen wir gegenseitig unsere Fähigkeiten, denn schliesslich haben wir das gleiche Ziel. Das Festival soll kontinuierlich weiterentwickelt werden - für die Branche und die Besucher.
 
Was ist Ihnen als Frau wichtig im Festivalbetrieb?
Als Frau ist mir wichtig, dass Regisseurinnen genauso beachtet werden wie die männlichen Kollegen. Ich hoffe, dass sich die Branche weiter so entwickelt, dass Frauen mehr Chancen bekommen, und das zeigen wir beim Festival in Zürich sehr deutlich.

www.youtube.com/ZFFchannel



Veröffentlicht September 2018