Ein Reisender auf den Spuren eines Reisenden: Bruno Moll im Zürcher Hauptbahnhof. (Bild: rbr)


Im Kino: «The Song of Mary Blane»

Bruno Moll auf den Spuren des Malers Frank Buchser

Zur Filmkritik

Vielen ist der Schweizer Kunstmaler Frank Buchser unbekannt, ein Reisender, der Spanien (Andalusien), Marokko (Fez), die USA und andere Länder im 19. Jahrhundert bereist und Bilder hinterlassen hat. Als Scheich getarnt, besuchte er die für Ungläubige verbotene Stadt Fez und war für den Bundesrat ab 1866 in offizieller und geheimer Mission in den USA unterwegs. Der Oltener Bruno Moll ist seinen Spuren gefolgt und hat den Dokumentarfilm «The Song of Mary Blane» realisiert (siehe Filmkritik). Wir trafen den Filmer im Zürcher Hauptbahnhof, auch er auf Reisen…

Wie bist du auf Frank Buchser gestossen, und was hat dich motiviert, über diesen Reisenden und Maler einen Film zu machen?
Bruno Moll: Ich ging als junger Mann mal ins Kunstmuseum Solothurn, damals gab es noch einen Buchser-Saal. Ich war irgendwie von seinen Bildern hingerissen. Das hat sich gedeckt mit meinem Fernweh. Diese Reiselust war bei mir höchst ausgeprägt und der bin ich auch einige Jahre nachgegangen.

Haben dich diese Bilder zum Filmen inspiriert?
Man fragt sich ja immer: Warum bin ich, was ich bin, was mache ich? Woher kommen die Inspirationsquellen? Einige Bilder von Buchser, aber auch vom Landschaftsmaler Robert Zünd haben mich fasziniert. Es sind Bilder, die ich filmisch nennen möchte. Das hat mit der Erzählung, mit dem Licht und meiner Neugier zu tun. Und seither war immer der Wunsch da, etwas über Buchser zu machen, quasi mein filmisches Leben lang.

Was gab den letzten Anstoss, diesen Film zu realisieren?
Ein übliches Künstlerporträt hat mich nie interessiert. Aber dann gab es diese Ereignisse in Charlottesville 2017 und es ging um das Denkmal von General Lee. Ich wusste, dass Buchser ein Porträt dieses Generals gemalt hatte, das heute in der Schweizer Botschaft in Washington hängt. Dann habe ich mir Buchsers Tagebücher vorgenommen und bin auf die Geschichte gestossen, dass der Nationalrat Buchser den Auftrag erteilt hatte, ein Wandbild für den Saal im Bundehaus zu realisieren. Man wollte ein Bild mit den amerikanischen Helden. Das war der Punkt, wo ich dachte. Das ist aktuell, daran kann ich anknüpfen, an das Charlottesville damals und heute. Bezüglich Rassismus hat sich ja nicht wahnsinnig viel geändert. Ich finde Geschichte immer interessant, wenn sie mit der Aktualität etwas zu tun hat.

Die eigentliche Reise in deinem Film beginnt in Andalusien, führt dann nach Fez in Marokko. Warum diesen Bogen und nicht sofort Amerika?
Es gehört zur Entwicklung Buchsers. Die Tagebücher sind auch ausführlicher als die von den USA, Besonders bei der Marokko-Reise kommen seine Gedanken, seine Persönlichkeit zum Ausdruck.

Buchser kommt hier als Abenteurer, als kühner Reisender zur Geltung. Er erinnerte mich ein wenig an Karl May, den Reiseschriftsteller.
Ja, ich habe das irgendwo auch im Dossier geschrieben.

Wann bist du darauf gestossen, dass Buchser in geheimer Mission unterwegs war?
Die Filmfinanzierung stand. Dann kriegte ich von einer Kunsthistorikerin den Hinweis, dass da noch etwas mit Waffenhandel gewesen sei. Ich hatte nirgends etwas davon gelesen, habe einen Artikel 2011 in der «Weltwoche» von einem Konsul entdeckt, der diese Geschichte von Buchser und Waffenhandel zusammengefasst hatte. Ich habe weiter gesucht und bin in der ETH Zürich fündig geworden und habe dort die Briefe von Buchser an den Bundesrat gefunden, bezüglich der Schweizer Anfrage eines Feldzuges. Ein ungeheure Geschichte: Man stelle sich vor, Pipilotti Rist würde heute vom Bundesrat beauftragt, sie solle in Berlin verhandeln, ob die Schweiz Vorarlberg übernehmen könnte.

Die Schweiz hatte Mitte des 19. Jahrhunderts Grossmachtträume…
Die Monarchien waren zu dieser Zeit sehr schwach. Die Schweiz hatte Lunte gerochen und stellte Überlegungen an, einen Feldzug durch Savoyen bis ans Mittelmeer durchzuführen, Buchser sollte eruieren, was die Amerikaner dazu meinten. Gleichzeitig sollte er gute Waffen für die Schweiz prokurieren. Er hatte tatsächlich ein Gewehr nach Bern geschickt, ich bin ab er dieser Sache nicht nachgegangen. Das hätte den Rahmen des Films gesprengt.

Buchser hatte verschiedene Facetten – wie gesagt als Reisender, Geheimdiplomat, auch als «Negermaler». Wie würdest du deinen Protagonisten charakterisieren?
Er war sicher ein Abenteurer, ehrgeizig, mutig. Eine ambivalente, auch zwiespältige Figur. Er war teilweise umstritten, auch ein Grossmaul, gleichzeitig konservativ, aber auch anarchistisch.

Ich las, er sei ein Befürworter der Gleichberechtigung und ein Weiberheld, überheblich gegenüber Frauen…
Er war nicht überheblich. Er war galant! Man muss das auch aus der Zeit heraus verstehen. Frauen sind Künstlern oft nachgelaufen.

Der Filmtitel «The Song of Mary Blane» bezieht sich auf ein Gemälde, das heute im Kunstmuseum Solothurn hängt. Warum ausgerechnet dieses Bild?
Einmal stammt es aus Charlottesville, dann ist ein auch ein Zeitbild. Es basiert auf dem Song, der existiert und zu seiner Zeit ein Gassenhauer war. Die Melodie kommt im Hintergrund vor – mit Banjomusik. Auf Youtube kannst du es heute noch hören. Der Song erzählt die Geschichte der Sklavin Mary Blane.

Buchser sympathisierte offensichtlich mit der schwarzen Bevölkerung und den Indianern…
Das ist so. Aber auch da ist er ambivalent, er leidet auch darunter, denn er sucht das Natürliche und Ursprüngliche und findet es nicht bei den Indianern.

Ein Maler aus dem 19. Jahrhundert, Reisen im 19. Jahrhundert, Menschen, Landschaften Gegebenheiten damals – welche Überlegungen hast du angestellt, um die Geschichte in Bildern mit Bildern umzusetzen?
Für mich war klar, ich musste einen toller Sprecher für diesen Film haben und meine, Yves Raeber macht das hervorragend. Er hat mal in meinem Film «Hammer» mitgespielt, seither kenne ich ihn. In der Stimme sollte mitschwingen, was die Figur ausmacht. Diese Erzählstimme muss 85 Minuten halten. Dann war mir auch sehr wichtig, die Geschichte ins Heute zu übertragen, also von heute ausbetrachtet, Ich versuche eine Assoziationskette aufzubauen zwischen dem Damals und dem Heute

Das Element Reise spielte eine wichtige Rolle…
Wir mussten diese Reisen machen. Ich habe mich vor Ort inspirieren lassen, denn ich hatte kein Geld, das vorher zu regnostizieren. Ich wollte das auch so, mich auf Stimmung und Zufall verlassen.

Wie bereits angesprochen, es war dir wichtig, die Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schlagen und anzutönen, dass sich eigentlich wenig geändert hat in Sachen Rassismus und Vorurteilen.
Das ist so. Nicht nur was die schwarze Bevölkerung betrifft, sondern auch zu den Menschen im arabischen Raum. Das Verhältnis ist überhaupt nicht besser,

Dein Film kommt im September in die Kinos. Wäre das Filmfestival Locarno nicht ein guter Startplatz gewesen?
Ich hätte den Film im Rahmen der Semaine de la critique präsentiert, aber die wollten nicht. Und für das Panorama Suisse kam ich nicht infrage, der Film muss schon gelaufen sein oder so.

Nach dem Film ist vor dem Film - wie sehen deine Filmpläne aus?
Ich habe zwei Drehbücher für zwei Spielfilme in petto. Für den einen habe ich die Filmrechte von Diogenes nicht gekriegt. Es geht um den letzten Roman von Dürrenmatt. Die wollten einen grossen Film in Deutschland mit grossen Stars machen. Das wollte ich nicht. Das andere Projekt hängt noch bei Hugo Film, aber ob das je realisiert wird…


FRANK BUCHSER IN MUSEEN
Kunstmuseum Solothurn
Einzelsaal Frank Buchser (1828-1890) ab 14. September.
Gespräch über Buchser mit Bruno Moll, Beat Leimer (Museum Frank Buchser, Bettlach) und Christoph Vögele (Konservator Kunstmuseum)

Frank Buchser Museum, Bettlach
Bilder (u.a. «Markt von Tanger»), Zeichnungen, Fotos, Schriften

Kunsthaus Basel, Kupferstichkabinett
Skizzenbücher, Fotos von Frank Buchser gesammelt.


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Veröffentlicht September 2019