Geister-Gala in Berlin: Alleinunterhalter Edin Hasanović machte das Beste aus dieser Festillusion (links oben, oben). Kurzauftritte bei der Lola-Verleihung absolvierten  u.a. Iris Berben oder Ulrich Matthes und Monika Grüttens (links) (Bild: Liedel / Deutscher Filmpreis 2020)


DEUTSCHER FILMPREIS «LOLA» 2020

Lola tanzt und Quartz erstarrt

Mit dem Wort Preis/Preise ist das so eine Sache. Wirtschaftlich betrachtet, definiert Wikepedia den Begriff wie folgt: «Der Preis ist die sich aus Angebot und Nachfrage auf einem Markt ergebende und in Geldeinheiten gezahlte Gegenleistung für eine bestimmte Mengeneinheit von erworbenen Produkten oder Dienstleistungen.» Doch uns interessiert die andere Seite, die ideelle, die auszeichnende. Nämlich: ein Vorhaben, ein Werk, eine Person preisen, heisst belobigen, anerkennen, rühmen oder huldigen. Es geht um die Filmkunst.

Es gibt Preise bei Wettbewerben, bei Rennen, Höchstleistungen oder Errungenschaften etwa den Pulitzer-Preis, die Nobelpreise, die Oscar-Awards. Fast jede Filmnation hat ihre Awards, die Césars in Frankreich, den David di Donatello in Italien oder die BAFTA-Awards in Grossbritannien. Die Verleihung solcher Filmpreise kann zu einem kulturgesellschaftlichen Highlight werden. In der Schweiz tut man sich seit Jahren schwer damit. Völlig unsinnig, weil zu früh, wurden die Gewinner des «Quartz» 2020 (Filmpreise) an den Solothurner Filmtagen bekannt gegeben. Verliehen werden sollen die Trophäen aber erst am Filmfestival Locarno im August. Was zu bezweifeln ist, weil man zurzeit noch nicht weiss, ob dieses Filmereignis überhaupt stattfinden kann.

Aus der Not (Corona-Pandemie) machte die deutsche Filmakademie eine Tugend und verlieh die «Lolas» vor leeren Rängen. Dass diese 70. Verleihung, einer Geister-Gala nicht unähnlich, nicht ganz blutleer, steif und steril am 24. April verlief, war einerseits Moderator Edin Hasanović, der bereits 2018 durch den Galaabend geleitet hatte, andererseits den Live-Zuschaltungen zu verdanken. Den Auftakt machte Alleinunterhalter Hasonović mutterseelenallein mit einer Showperformance, die manchem Kabarett gut angestanden hätte. Unterstützt wurde er unter anderem von Kulturstaatsministerin Monika Grüttens und Schauspieler Ulrich Matthes («Künste sind Lebensmittel»), Präsident der Deutschen Filmakademie.
In 18 Kategorien (erstmals auch für visuelle Effekte und Animation) wurden «Lolas» verliehen, dabei ein Preisgeld von insgesamt 2,955 Millionen Euro ausgeschüttet. Zehnmal nominiert und achtmal ausgezeichnet: Das radikale Drama «Systemsprenger» um eine Aussenseiterin war der erfolgreichste Film, er gewann in den wichtigsten Kategorien Spielfilm, Regie und Drehbuch. Dazu kamen Auszeichnungen für Helena Zengel und Albrecht Schuch (beide für Hauptrolle), für den besten Schnitt und für die beste Tongestaltung. Schuch gewann zudem eine Lola für seine Darstellung (Nebentolle) des fiesen Reinhold in «Berlin Alexanderplatz».
Nora Fingscheidt (Buch und Regie), die zurzeit in Vancouver an einem neuen Film mit Sandra Bullock arbeitet, war sowohl vom Publikumserfolg ihres Films (über 600 000 Zuschauer in Deutschland) als über den Lola-Regen überrascht. In einem «Stern»-Interview erklärt sie sich den Erfolg wie folgt: «Ich glaube, im Kern hat es etwas mit dem Grundbedürfnis nach bedingungsloser Liebe zu tun und damit, was passiert, wenn einem die verweigert wird, wie viel Schaden das anrichten kann. Da können viele andocken.» Die meisten Zuschauer in Deutschland verbucht «Das perfekte Geheimnis». Die Ehren-«Lola» wurde dem Filmer Edgar Reitze («Heimat») virtuell überreicht. «Er hat gezeigt», so Matthes in seiner Laudatio, «dass das aufgeladene Wort 'Heimat' zu komplex ist, um es den Nationalisten von rechten Rand zu überlassen.»

Die Silberne Lola ging an «Berlin Alexanderplatz», die Bronzene an «Es gilt das gesprochene Wort». Beide Filme warten noch auf einen Schweizer Start. Weitere Auszeichnungen: Bester Dokumentarfilm «Born in Evin», bester Kinderfilm «Als Hitler das rosa Kaninchen stahl», bester Schnitt Stephan Bechinger und Julia Kovalenko («Systemsprenger»), bestes Szenenbild Silke Buhr («Berlin Alexanderplatz»), beste visuelle Effekte und Animation Jan Stoltz und Claudius Urban («Die Känguru-Chroniken»).
Zur Erinnerung: Der Schweizer Quartz für den besten Film ging an «Le milieu de l'horizon» (siehe Streaming-Tip), der in der Deutschschweiz strandete, bevor er richtig landen konnte.


DEUTSCHER FILMPREIS «LOLA» 2020

«Systemsprenger» (zehnmal nominiert)
Goldene Lola für Bester Film (Regie: Nora Fingscheidt), Lola für Beste Regie (Nora Fingscheidt), Bestes Drehbuch (Nora Fingscheidt), Beste weibliche Hauptrolle (Helena Zengel), Beste männliche Hauptrolle (Albrecht Schuch), Beste weibliche Nebenrolle (Gabriela Maria Schmeide), Bester Schnitt (Stephan Bechinger, Julia Kovalenko), Beste Tongestaltung (Corinna Zink, Jonathan Schorr, Dominik Leube, Oscar Stiebitz, Gregor Bonse).

«Berlin Alexanderplatz»
Silberne Lola für Bester Film (Regie: Burhan Qurbani), Lola für Beste männliche Nebenrolle (Albrecht Schuch), Beste Kamera (Yoshi Heimrath), Bestes Szenenbild (Silke Buhr), Beste Filmmusik (Dascha Dauenhauer)

«Born in Evin»
Lola für Besten Dokumentarfilm, Produktion: Alex und Ira Tondowski

«Als Hitler das rosa Kaninchen stahl»
Lola für Besten Kinderfilm, Produktion Jochen Laube, Fabian Maubach, Clementina Hegewisch

«Lindenberg! Mach dein Ding»
Lola für Bestes Kostümbild (Sabine Böbbis), Bestes Maskenbild (Astrid Weber, Hannah Fischleder)

«Die Känguru-Chroniken»
Lola für Beste visuelle Effekte und Animation (Jan Stoltze, Claudius Urban)

«Das perfekte Geheimnis»
Lola für besucherstärksten Film (Lena Schömann, Bora Dagtekin)

Lola-Ehrenpreis
Edgar Reitz


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Veröffentlicht April 2020