Daniel Rohr, der Theatermacher vom Zürichberg: Tausendsassa zwischen Rock und Rigiblick, Faust und Amadeus. (Foto: Theater Rigiblick)


Kraftwerk der Kultur

Beste Lage am Zürichberg, Anbindung an die Stadt mit der Seilbahn und ein denkmalgeschütztes Gebäude mit Hotelanschluss: Das Theater Rigiblick ist in mehrfacher Hinsicht ein Höhepunkt, erst recht seit der Schauspieler und Regisseur Daniel Rohr die Leitung vor 15 Jahren übernommen hat.

Am Anfang stand ein Verein, der Mitte der Achtzigerjahre ein Theater in einem historischen Gebäude von 1900 etablierte. Ursprünglich bot sich das Theater Rigiblick als Schauplatz für Gastspiele an. 2004 wurde der Komplex erneuert und professionalisiert. Und diese Änderung hat einen Namen: Daniel Rohr. Der waschechte Zürcher (Jahrgang 1960, Sternzeichen Löwe) machte das Kleintheater mit seinen gut 200 Plätzen zu einem Kulturereignis. Fast jede Vorstellung ist ausverkauft. Welches Theater kann schon eine Auslastung von 89 Prozent und mehr vorweisen? Erfolgsproduktionen wie «Azzurro» laufen seit zwölf Jahren, «Faust» seit elf, «To the Dark Side oft the Moon» (nach Pink Floyd) seit neun Jahren und «Miles Davis» seit acht. Wer ist der Mann, der diesen Kulturbetrieb anstösst, prägt, leite und Seele einhaucht?

Daniel Rohr, bist du ein Theatermensch?
Rohr: Durch und durch. Ich liebe den Film sehr, aber ich habe hier im Rigiblick die Möglichkeit, selber etwas zu gestalten. Ich kann das Team bilden, die Stoffe auswählen, eigene Theaterform entwickeln, indem ich Musik und Texte kombiniere. Und das funktioniert sehr gut.

Ist das Theater dein Zuhause?
Du siehst hier im Büro die Aussenwand und dort das Panorama über der Stadt. Ich bin unglaublich gern in diesem Raum, wahnsinnig gern im Theater und mit den Leuten zusammen. Ich bin praktisch sieben Tage in der Woche hier, aber das ist für mich unangestrengt, weil ich es gerne mache. Es ist mein Heimet.

Viele Leute kennen dich vom Film her, von «Ernstfall in Havanna», «Sternenberg» über «Vitus» und «Grounding» bis «Giulias Verschwinden» und «Usfahrt Oerlike». Du wechselst häufig die Seiten, mal auf der Bühne, mal dahinter, mal Fernsehen, mal im Kino. Wann stimmt es für dich?
Schön ist es natürlich, wenn das Muster so farbig ist, wenn du Produzent, Regisseur oder Schauspieler sein kannst. Es ist ein grosser Unterschied, ob du vor der Kamera stehst oder vor echtem Publikum. Wunderbar ist, dass ich mich mit all diesen Herausforderungen auseinandersetzen darf.

Wie bewältigst du das?
Es braucht dazu ganz grosse, präzise Vorbereitung. Ich bin sehr fokussiert auf das, was ich mache. Ich habe gelernt, sehr strukturiert zu sein, zu arbeiten.

Die Liste der Filmrollen ist lang. Welche sind dir in besonders gute Erinnerungen geblieben?
Mich besetzt man gern als fiese Type. Spannend wird's dann, wenn solch ein Typ noch eine andere Seite hat. In «Giulias Verschwinden» beispielsweise meint man, was ist das für ein blöder Typ, merkt aber dann, dass der Verstand, Herz und Charme hat.

Wie war's bei der Fernsehreihe «Die Schweizer»?
Das war ein Bubentraum, wenn man den Hans Waldmann spielen darf – mit grossem Maul, einem Schwert auf dem Ross sitzen.

Du bist aber auch gern Dirigent, Leiter…
Es ist schön, Regie zu führen, Menschen zu führen, eine Gruppe, ein Team zu bilden.

Ein Beispiel…
Wir haben jetzt «Amadeus» herausgebracht – mit Livemusik. Daniel Fueter hat die Musik arrangiert, mit Hilfe von Mikrofonen und einem Computerprogramm können wir die Livemusik so wiedergeben, als wär der Rigiblick zum Beispiel die Carnegie Hall. Diese Auseinandersetzung und Herausforderung mit Musik und Akustik sind ungeheuer spannend.

Was hat dich bewogen, die Symbiose von Literatur, Musik und Theater zu anzustreben?
Das hat mich schon als junger Mensch interessiert. Ich lebe nach der Maxime von Frank Zappa, den man als Beethoven der Rockmusik bezeichnen kann. Der hat mal gesagt: Es gibt keine U- und E-Musik, es gibt nur gute und schlechte Musik. Und so ist es für mich auch in der Literatur. Georges Simenon gilt als Bahnhofliteratur, dabei ist er ein Autor von höchstem Rang. Das gilt auch für die moderne U-Musik. Als junger Mensch habe ich einerseits klassische Musik wie Bruckner oder Beethoven, andererseits Beatles und die Stones gehört – das war für mich alles spannend.  Gleichzeitig habe ich viel gelesen, von dem ich heute noch profitiere.

Du hast das Theater Rigiblick in 15 Jahren in ungeahnte Höhen geführt. Wie hast du das geschafft?
Das Geheimnis vom Rigiblick ist, dass wir Geschichten erzählen, die Menschen berühren.

Also von «Faust» bis «Azzurro», vom Drama bis zum italienischen Schlager...
Und überall kann man so Messages transportieren. Geschichten sind das eine, zum andern pflegen wir einen hohen Standard von Gastfreundschaft. Wir schauen darauf, dass unsere Theaterabende nicht zu lang sind, sie gehen zwischen ein oder zwei Stunden. Ein Theaterbesuch ist auch ein sozialer Akt. Viele Leute bleiben danach da, tauschen sich aus, können Schauspielern treffen, können mit Andreas Matti, der Salieri spielt, oder Delio Malär (Mozart) reden.

Und was kommt nach «Amadeus»?
Ich arbeite an einem «Tribute to Woodstock». Das ist für Mai vorgesehen und ausverkauft, aufgrund der hohen Nachfrage werden wir «Woodstock» im Theater 11 (Zürich) nachspielen, vom 26. bis 28. September.

Und welche Geschichte erzählst du über Woodstock, das vor 50 Jahren stattfand?
Über Woodstock weiss man wenig, eigentlich nur das, was im Film vorkommt. Man weiss nicht, dass Woodstock knapp an einer riesigen Katastrophe vorbeischrammte, dass katastrophale Zustände herrschten. Und die Musik ist Kult geworden mit Jimi Hendrix, Joe Cocker, Janis Joplin, The Who, Crosby, Stills, Nash & Young, Jefferson Airplane, Santana, CCR, Jean Baez und mehr. Ich habe ein Stück geschrieben mit zwei Figuren, die eine ist John Morris, der Stagemanager, der die Musiker auf die Bühne geschoben hat, weil sie so bekifft waren, gespielt von Alexander Pelichet. Ich agiere als der legendäre Lichtdesigner Chip Monch. Die beide haben bei Woodstock die Ansage gemacht, sie sind legendär. Aufgrund der Ansagen, die die beiden ans Publikum gehalten haben, erzählen wir die ganze Geschichte, alles was passiert ist – von der sanitären Notlage, den Drogen, den Wetterunbilden.

Du bist seit sechs Jahren mit Hanna Scheuring zusammen. Sie leitet das Bernhard Theater. Wie verträgt sich das?
Wir konkurrenzieren uns nicht. Im Gegenteil, es gibt eine Zusammenarbeit, zum Beispiel ein Abonnement zwischen Millers, Hechtplatz, Bernhard Theater und uns.

Und privat?
Der Job eines Theaterleiters ist so anspruchsvoll. Es ist ein Geschenk, dass ich mit jemandem zusammen bin, mit dem ich mich intensiv austauschen kann – über Stoff, Materialien und Inhalte.

Und wo findet ihr die Zeit dazu?
Wenn ich heimkomme, muss schon noch Zeit für ein Glas Wein sein.

Ihr lebt an zwei Orten..?
Ja, in der Stadt und in einem Bauernhaus in Bubikon, im Zürcher Oberland.

Was schätzt du an Hanna, professionell gesehen?
Man braucht jemanden, der dich liebevoll kritisiert. Viele haben nicht den Mut, dem Theaterleiter zu sagen, was sie denken über das Stück oder den Auftritt. Da habe ich das grosse Glück, dass sie mir wohlmeinend die Wahrheit sagen, natürlich Hanna, aber auch meine Stellvertreterin Brigitta Stahel und das Team.

Du pflegst das Theater und dein Team…
Wir haben eine äusserst flache Hierarchie. Du bist im Theater nur so stark wie das schwächste Glied.



Daniel Rohr


Schauspieler, Regisseur, Theaterleiter, Autor,
geboren am 22. August 1960 in Zürich.

Ausbildung an der Hochschule Mozarteum in Salzburg.
Schauspieler in Bonn, Schauspielhaus Zürich (1986), Theater an der Ruhr, Mühlheim, Deutsches Theater Göttingen, Theater am Neumarkt (1999-2004). Von 2001 bis 2013 Leitung Göttinger Innenhof-Theater-Festival. Seit 2004 Leiter Theater Rigiblick

Filme (Auswahl):
Ernstfall in Havanna (2002), Achtung, fertig, Charlie! (2003), Sternenberg (2004)
Vitus (2006), Grounding – Die letzten Tage der Swissair (2006), Giulias Verschwinden (2009), Sennentuntschi (2010), Usfahrt Oerlike (2015)

TV
Tatort (2x), Rosenheim Cops, Die Schweizer, Der Bestatter

Theater Rigiblick
Gegründet Mitte der Achtzigerjahre vom Verein Theater Rigiblick.
Seit 2004 professionelle Leitung unter Daniel Rohr.
Personalentwicklung von 1.2 Stellen vor 15 Jahren zu 30 Leuten heute.
Umsatz: 3.5 bis 4 Millionen Franken
Subventionen: 450 000 Franken Kanton und Stadt Zürich
2018 Auslastung: 89 Prozent plus
Mitglieder Theater Rigiblick: 1350


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Veröffentlicht März 2019