Regula Grauwiller: «In Zeiten nach der Pandemie? Ich habe gemerkt, dass die Leute ein Bedürfnis haben, sich wieder in eine andere Welt zu begeben. (Bild: Alberto Venzago)


Regula Grauwiller, Schauspielerin aus Liestal

Wortspektakel:
«Wir wollten selber etwas in die Hand nehmen»

Sie ist seit 30 Jahren als Schauspielerin aktiv und gefragt. Die Baselbieterin Regula Grauwiller wirkte in vielen TV-Serien («Der Bergdoktor») und Reihen («Tatort», «Zürich-Krimi», «Das Traumschiff ») mit. Erst kürzlich spielte sie in der ZDF-Romanze «Ein Sommer auf Elba» mit, bei der ihr Mann Jophi Ries Regie führte. Ihr Projekt «Wortspektakel», das sie zusammen mit Stefan Gubser entwickelt hat, liegt aufgrund der Corona-Einschränkungen zurzeit auf Eis.

In Zeiten von Corona sind Direktbegegnungen seltener geworden. Aber dank Skype kann man bis zu einem gewissen Grad Live-Atmosphäre herstellen. Regula Grauwiller, die ich seit Jahrzehnten kenne vom Fernsehfilm «Dann eben mit Gewalt» (Regie: Rainer Kaufmann, 1993) über dem vielfach unterschätzten SF-Thriller «Cargo» von Ivan Engler und Ralph Etter (2009) bis «Wilsberg» (2017), «Morden im Norden» (2019) und jetzt «Ein Sommer auf Elba» (2021), war offen, ehrlich und spontan, wie man sie kennt.

Frisch von den Dreharbeiten zur vierten Staffel «Wilder» zurück und aufgetaut?
Regula Grauwiller: Ja, es war schon ziemlich kalt. Mein Teil ist beendet, ich habe da nur eine kleine Rolle als Regierungsrätin, die aber immerhin in drei Folgen vorkommt.

Also weder Täterin noch Opfer?
Das verrate ich natürlich nicht!

Und die Dreharbeiten fanden und finden im Glarnerland statt?
Meistens wird im Glarnerland gedreht, aber meine Drehtage waren am Stausee Zervreila bei Vals.

Wie war deine Erfahrung?
Das Team war toll und ein Supercast – mit Sabine Timoteo, László Kish, Jonathan Loosli, natürlich mit Marcus Signer und Sarah Spale, die finde ich grossartig, die liebe ich.

Du bist seit 30 Jahren als Schauspielerin aktiv, hast fast kontinuierlich in Serien, Fernseh- und Kinofilmen mitgewirkt. Wie schafft man das, über drei Jahrzehnte gefragt und begehrt zu sein?
Ich habe viel Glück gehabt, bin zwischendurch auch mal ausgestiegen. Als ich meine Kinder bekommen habe, habe ich Pause gemacht. Man hatte mich zwar davor gewarnt, doch ich war bockig und habe mir gesagt: Das ist mir egal, ich will diese Zeit mit den Kindern geniessen. Das Zurückkommen war dann nicht so einfach und nahtlos. Es hat schon etwas gedauert, bis die Leute gesehen haben: Aha, die Regula gibt's auch noch.

Deine Kinder, zwei Mädchen, ein Sohn, sind jetzt 16, 18 und 20 Jahre alt. Sind sie flügge geworden.
Sie sind noch zuhause und haben ja oft sturmfreie Bude.

Dein Mann Jophi Ries war dir eine starke Stütze …?
Er war eigentlich gerade dabei, seine Regiekarriere voranzutreiben, als sich unsere Tochter ankündigte, und deshalb hat er das erstmal zurückgestellt und als Schauspieler Geld verdient. Somit konnte ich mich nur um die Kinder kümmern, was ein Privileg war und ich sehr genossen habe. Als ich dann auch wieder arbeiten konnte, weil die Kinder grösser waren, habe ich ihn ebenfalls unterstützt bei seinem Traum, Regie zu führen.

«Sommer auf Elba» heisst der Film, der vom ZDF unter der Rubrik «Herzkino» ausgestrahlt wurde und in der Mediathek noch zu sehen ist. Vier Wochen Dreharbeiten auf Elba mit dem eigenen Mann, Jophi Ries, als Regisseur. Gab es Reibereien, hat es Spass gemacht?
Nein, Reibereien gab es nicht. Man steht natürlich unter Zeitdruck, und ich war bemüht, dass er nicht noch mehr Stress durch mich hat. Ich konnte mich total fallen lassen, weil ich ihm vertraute. Ich weiss, dass er einen guten Blick hat und sieht, ob ich authentisch spiele oder nicht. Wir sind Verbündete.

Du würdest also wieder mit deinem Mann drehen …
Auf jeden Fall. Ich hatte danach einen kleinen Auftritt in seinem nächsten Film «Die Luft zum Atmen», eine Hamburger Produktion über die Lebensgeschichte der Schauspielerin Miriam Maertens, die das Buch «Verschieben wir es auf Morgen» geschrieben hat. Jophi kennt sie schon lange, ich spiele eine Nebenrolle als Schwester Maria, Miriam selbst verkörpert die Ärztin, die sie behandelte und rettete. Miriam Maertens, die von 2005 bis 2019 auch am Schauspielhaus Zürich wirkte, litt an der Lungenkrankheit Mukoviszidose und erholte sich nach einer Lungentransplantation 2012. (Der Fernsehfilm wird vom ZDF ausgestrahlt).

Du bist in der Familienromanze auf Elba als Mutter zu sehen, die in den Ferien mit der Familie ausbricht. Ist es dir auch mal so ergangen?
Eigentlich nicht. Wenn ich drehe, bin ich eh von der Familie weg, so eben auf Elba oder im Wallis für «Wilder». Da habe ich praktisch eine natürliche Auszeit. Das Schöne an diesem Fernsehfilm ist ja die Frage der Mutter, die sich immer um die Familie gekümmert hat: Was will ich? Sie sagt sich dann: Ich habe Lust, die Insel zu erkunden, auch wenn ihr, meine Familie, keine Lust habt. Ich mach das jetzt.

Du hast in allen möglichen Filmgenres mitgewirkt – in Krimis, Dramen, Komödien und Liebesfilmen. Hast du eine Vorliebe, ein Wunschrolle?
In Märchen beispielsweise als Hexe habe ich noch nicht mitgespielt oder in einem historischen Drama, sieht man mal von der Rolle als Dorothea, der Frau von Niklaus von Flüe, 2013 ab

Vor zwei Jahren hast du zusammen mit Stefan Gubser das Unternehmen «Wortspektakel» gegründet. Was war der Auslöser, die Motivation?
Wir wollten selbst etwas in die Hand nehmen und haben gemerkt, wie gut das funktioniert und wie die Leute daran Freude haben. Wir haben so viele Ideen und Projekte, nur muss das im Moment warten, weil die Theater zugingen. In Hamburg zum Beispiel drei Tage vor unserer Premiere von «Die Deutschlehrerin» in den Kammerspielen. Da fühlt man sich wirklich, als würde der Stecker gezogen.

Nun ist ein neuer Termin geplant und zwar am 14. Oktober 2021.
Geht's danach auf Tournee mit Stefan Gubser?
Ja, wir kommen mit der Deutschlehrerin im Februar 2022 auch in die Schweiz.

Nun habt ihr auch eine szenische Lesung zum Thema 50 Jahre Frauenstimmrecht vorbereitet: «Weiber sind auch Menschen». Wann soll diese Eigenproduktion stattfinden?
Am 13. Juni im Zürcher Bernhard-Theater ist Premiere, danach in der ganzen Schweiz. Das ist eine unterhaltsame Geschichtsstunde, zusammengestellt von Domenico Blass (Autor bei «Giacobbo/Müller»). Ich hoffe dann mit Publikum. Ohne Publikum fehlt der Resonanzboden. Das Tolle am Theater ist ja, dass man das Publikum spürt.

Wie hast du die Pandemie bisher bewältigt?
Ich hatte Glück, dass man noch drehen konnte. Sonst ist es schon frustrierend. Alles was wir in der Warteschlaufe hatten, konnte nicht stattfinden.

Was wünschst du dir persönlich in naher Zukunft?
Ich wünsche mir vor allem, diese Pandemie zu überwinden. Dann geht es von alleine wieder los. Dann werden die Leute wieder ins Theater gehen, sich Kultur anschauen. Ich habe gemerkt, dass die Leute ein Bedürfnis haben, sich mal wieder in eine andere Welt zu begeben.

Wo sieht oder hört man dich demnächst, von den «Wortspektakel»-Projekten einmal abgesehen?
Ich lese seit Jahren für die Blindenbibliothek Hörbücher ein (www.sbs.ch/bibliothek/Sehbehinderung). Ein kleiner Fernsehauftritt steht noch an, und zwar im neuen Helen-Dorn-Krimi am 6. März: «Wer Gewalt sät» mit Anna Loos (ZDF).

Kurz und bündig – drei Fragen: Was hat dich in den Corona-Zeiten aufgestellt?
Ich habe gesehen, dass die Leute auch füreinander da sein können. Das Zusammengehörigkeitsgefühl wurde verstärkt.

Was bedeutet für dich Heimat?
Heimat ist für mich dort, wo auch die Leute sind, die mir am wichtigsten sind. Das kann überall sein.

Welche drei Eigenschaften schätzt du an dir am meisten?
Ich schätze meine Empathie, dass ich mich in andere Leute einfühlen kann, dazu meine Geduld und meine Gelassenheit. Meine grösste Stärke, meint mein Mann, sei, dass ich andere Leute so lassen kann wie sie sind, dass ich tolerant bin.


Biographie in Stichworten
Geboren 10. Dezember 1970 in Liestal
1990–1993 Hochschule der Künste, Berlin
2000–2003 München, seither Wohnsitz in Liestal
Verheiratet mit Jophi Ries seit 2000, drei Kinder, geboren 2000, 2002, 2004

Filme u.a.
1992 «Dann eben mit Gewalt» (Regie: Rainer Kaufmann
1993 «Einfach nur Liebe» (Regie: Peter Timm)
1995, 1996 und 2012 «Tatort»
1998 «Kurz und schmerzlos» (Regie: Fatih Akin)
2001 «Der Himmel kann warten» (Regie: Sandra Nettelbeck
2009 «Cargo» (Regie: Engler/Etter)
2013 «Die Schweizer» (TV-Reihe)
2015 «Der Bergdoktor» (TV-Serie)
2016 «Der Zürich-Krimi»
2017 «Wilsberg»
2018 «Das Traumschiff – Malediven»
2019 «Morden im Norden»
2021 «Ein Sommer auf Elba»


Wortspektakel mit Stefan Gubser (Schweizer «Tatort»)
«Weiber sind auch Menschen»,
Szenische Lesung zu 50 Jahre Frauenstimmrecht in der Schweiz,
Premiere am 13. Juni 2021 im Zürcher Bernhard-Theater.

«Die Deutschlehrerin»,
Premiere am 14. Oktober 2021 in den Hamburger Kammerspielen.
www.wortspektakel.ch


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Veröffentlicht März 2021