Ödem Land Leben einflössen: Barbara und Erich Graf leben Permakultur auf La Palma – mit grossem Erfolg. (Bild oben links). Die Solar-Mamas in Rajasthan (links unten) haben neue Lebensinhalte und Werte gefunden. Ein Mann, der auf Bäume hört (unten rechts) Erwin Thoma hat den Bau von Holzhäusern lanciert – aus Mondholz. (DCM Film)


Erwin Wagenhofer und sein Film «But Beautiful»

«Es geht um den Film, der im Kopf abläuft»

Licht am Horizont: Der Österreicher Erwin Wagenhofer zeigt in seinem jüngsten Dokumentarfilm «But Beautiful», dass es auch anders geht: umweltfreundlicher, befriedigender, grüner und nachhaltiger. Er sucht im Zeichen der Klimadiskussionen Alternativen zum Leben, Arbeiten, Versorgen, Zufriedensein. Was kann man Zerstörung, Ausbeutung, Rendite- und Profitdenken entgegensetzen? Er stellteein Wort Michelangelos seinem Film voran: «Das Problem des Menschen ist nicht, sich hohe Ziele zu setzen und zu scheitern, sondern sich niedrige Ziele zu setzen und Erfolg zu haben.»

Kleine Ziele mit grosser Wirkung. Bunker Roy, 1945 in New Delhi geboren und mit einer erstklassigen Ausbildung ausgestattet, kam 1965 zurzeit einer grossen Hungersnot nach Rajasthan, wollte helfen und gründete 1972 das Social Work and Research Center, heute Barefoot College, ein Ausbildungszentrum, das Frauen ohne Schulbildung aufnimmt Sie stammen aus 78 Ländern, fanden im College Aufnahme und wurden zu «Solar-Mamas». Sie bauen Solaranlage für die ganze Welt und «exportieren» ihr Wissen in ihre Dörfer. «Wir glauben daran, dass jeder die Fähigkeiten und das Können hat, Ingenieur, Architekt, Designer oder Kommunikationsspezialist zu werden, auch ohne formale Schulbildung», ist Bunker Roy überzeugt.

Szenenwechsel. Erwin Thoma war in den Achtzigerjahren Förster im Karwendelgebirge (Nordtirol), er lebte, fühlte den Wald, war mit ihm verwachsen. Er schöpfte daraus Kraft und entwickelte die Idee eines autarken Holzhauses. Sein Grossvaters hat ihm eine «Erbe» vermacht und ihn von der Substanz und dem Vorteil von Mondholz überzeugt. Mondholz deswegen, weil die Bäume im Winter nur bei abnehmendem Mond gefällt werden.. So entwickelte Thoma Häuser, die ausschliesslich aus Holz bestehen und keine Heizung benötigen. Nicht nur zukunftsweisend, sondern auch historisch. Denn sie sind nicht neu, in Japan beispielsweise stehen Holzhäuser, die 1600 Jahre alt sind und in Russland Kirchen, die 1000 Jahre auf dem Buckel haben.

Das Schweizer Ehepaar Barbara und Erich Graf hat sich vor zwölf Jahren aufgemacht, ein Stück Ödland auf der Kanareninsel La Palma zu bewirtschaften. Ehemals wurden hier Avocados angebaut, dann verfiel das Anwesen, verwahrloste, der Boden war ausgelaugt. Grafs Ziel: dieses Land (7000 Quadratmeter) wiederzubeleben. Die beiden Auswanderer setzten ganz auf lebenszentrierte Kultur (Permakultur), liessen Natur und Tieren grösstmögliche Freiheiten. Das Land erholte sich, gesundete. Das heisst: Nähren, integrieren, das Schwache schützen, das Lebendige fördern und pflegen, eine natürlich Balance wahren und vor allem nicht ausbeuten, sondern ausgleichen. Es geht um Erhalt und Nachhaltigkeit, nicht um Wachstum des Profits willen. «Wir leben im Rhythmus mit der Erde», sagen die Grafs. Seit sechs Jahren sind sie komplett autark.

Erwin Wagenhofer strukturierte seine Bilder mit musikalischen Intermezzi des US-Pianisten Kenny Werner, der österreichischen Jazzformation Mario Rom's Interzone und mit lateinamerikanischen Liedern, interpretiert von der Kolumbianerin Lucia Pulido. Statements des Dalai Lama und seiner Schwester Jetsun Pema würzen diesen optimistischen Film über eine Welt im Argen. Spitzbübisch witzig lässt das Oberhaupt des tibetischen Buddhismus Lebensweisheiten einfliessen wie «Nichts existiert unabhängig». Er vertraut nicht aufs Beten, sondern auf Taten: «Ich vertraue nicht auf Buddha. Natürlich, das individuelle Praktizieren ist gut, aber für die ganze Gesellschaft. die ganze Welt. Da glaube ich nicht, dass Buddha helfen kann. Ich glaube es nicht. Es ist Zeitverschwendung…»

«But Beautiful» bietet Einblicke, setzt Signale und macht Hoffnung, wenn alle an einem Strick ziehen, bereit sind, sich zu ändern. Nach «We Feed the World», «Let's Make Money» und «Alphabet» setzen Wagenhofer und seine Partnerin Sabine Kriechbaum, Autorin und Produzentin, positive Zeichen, dokumentieren Verbundenheit und Solidarität auf verschiedene Weise – musikalisch, sozial, umweltbewusst und nachhaltig. Dabei spielen Frauen eine starke Rolle – von den Handwerkerinnen in Indien bis zu Jetsun Pema.

Gut fünf Jahre haben Erwin Wagenhofer und seine Lebenspartnerin Sabine Kriechbaum an diesem Film gearbeitet. Wir trafen Wagenhofer, der für Regie, Kamera und Montage (zusammen mit Jamin Benazzouz und Monika Schindler) verantwortlich ist, im Zürcher Kosmos zum Gespräch.

Ihr Film beschreibt verschiedene Lebenshaltungen, Einstellungen und Philosophien. Wie ist die Musik dazugekommen?
Erwin Wagenhofer: Die Musik war zuerst da. Ich wollte mal Musiker werden und habe mich gefragt, wo kommt die Musik her, wie spielt sie zusammen, was kann man von der Musik lernen? Die Musiker sind eingebunden, spielen miteinander und nicht gegeneinander wie in der Wirtschaft.

Und in ihrem Film geht es um Zusammenhalt und Bindung. Nicht der Einzelne zählt, sondern das Ganze wie bei der Familie Graf.
Sie meinen die Permakultur. Man glaubt, das wäre eine Methode, um in der Landwirtschaft mehr Erträge zu haben. Doch im Kern ist sie eine lebenszentrierte nicht menschzentrierte oder profitorientierte Kultur. Man könnte auch sagen: Diese Menschen produzieren nicht, sondern ernten. Wichtig ist, dass die Permakultur lebenszentriert ist, dass also alle Lebewesen eingebunden sind.

Es gibt viel Dunkles speziell in dieser Jahreszeit, in dieser Welt. Wollen Sie mit ihrem Film ein Zeichen, ein Gegengewicht setzen.
Wir sind konditioniert auf Ausbeutung, auf Konkurrenz, auf Gegeneinander und nicht auf Miteinander. Ich komme auf den Untertitel zurück, der hiess ursprünglich: ein Film über Verbundenheit, Sinnlichkeit und Weiblichkeit. Das war die Idee, aber marketingmässig wohl nicht besonders fruchtend. Ein Zeichen setzen? Ja. Wir wollen zeigen, dass auch andere Wege möglich sind. Da zitiere ich Benjamin Franklin: «Es gibt drei Sorten von Menschen: Solche die beweglich sind, die unbeweglich sind und die, die sich bewegen.» Und wir haben die gesucht, die sich längst bewegen.

Sie wollen also mit Ihrem Film etwas bewegen…
Das ist ja das Geheimnis des Kinos. Und das ist die Stärke: Das Kino kann emotionalisieren. Das ist das, was man als Filmmacher versucht. Ehrlich gesagt: Es geht nicht um den Film, den ich mache, sondern um den Film, der im Kopf abläuft. Der Film bewegt gar nichts, aber die Leute, die ihn anschauen, können etwas bewegen.


Ergänzend zum Film ist das Buch «But Beautiful. Nichts existiert unabhängig» erschienen, Verlag Antje Kunstmann, München 2019, 32 Franken. Es ist quasi ein Making Off der Filmarbeit, beschreibt Hintergründe, Entwicklungen der Protagonisten und vertieft die Filmbilder.





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Veröffentlicht November 2019