Luftig lebenslustige Party: «Die Rache der Fledermaus» führt zur Demaskierung – mitten drin die betrogene Rosalinde (Christoph Marti, Teil der Geschwister Pfister, Bilder Mitte und rechts) und Kammerzofe/Dienstmädchen Adele (Gabriela Ryffel). (Bilder: Tania Krebs)

Feste Feste feiern bis zum Morgengrauen

Wie wein- und sektfreudig kann ein Singspiel auf der Bühne sein? Die beliebteste Operette, die an Sylvester über die Bühne geht beziehungsweise schwankt, heisst «Fledermaus», stammt von Johann Strauss (1874), begeistert und beschwingt bis heute. Das Zürcher Bernhard Theater hat die trinkfreudige Party aufgenommen und lädt zur fröhlichen Teilnahme bis zum 15. Januar 2022. Prost Neujahr!

Als «kleine Oper» wurde sie im 18. Jahrhundert konzipiert, als Einakter mit komödiantischer Handlung. Die Operette wurde in Paris entwickelt – als «opéra bouffe» oder «folie musicale». Die grosse Zeit der Operette begann Mitte des 19. Jahrhunderts – mit Jacques Offenbach. Nach Pariser Vorbild entwickelten sich in Wien «Possen mit Gesang», beispielsweise mit Franz von Suppés «Das Pensionat». Zum König der Operette erhob sich Johann Strauss mit «Die Fledermaus» (1974). «Eine Nacht in Venedig» (1883) oder «Der Zigeunerbaron» (1885),

Die Operette breitete sich von der Donau bis Berlin aus. Ihre Glanzzeit dauerte bis zum Zweiten Weltkrieg – mit Operetten wie «Frau Luna» (Paul Lincke, 1899), «Der Bettelstudent» (Carl Millöcker, 1882), «Der Zigeunerbaron» (Strauss, 1885), «Das Land des Lächelns» (Franz Lehár, 1919), «Der Vetter aus Dingsda» (Eduard Künneke, 1920), «Die lustige Witwe» (Franz Lehár, 1905), «Im Weissen Rössl» (Ralph Benatzki, 1930) oder «Die Blume von Hawaii» (Paul Abraham, 1931).
Operette überhöht, ist einfach gestrickt und singt ein Lied der Lebensfreude. Obwohl Höhepunkt der Handlung ein Maskenball ist, hat «Die Fledermaus» nichts mit Giuseppe Verdis Oper «Un Ballo in Masschera – Ein Maskenball» (1859) zu tun, einer Tragödie um ein Komplott. Bei Strauss geht es um den leichten Lebenswandel des Grossbürgers Gabriel von Eisenstein, um seine betrogene Gattin Rosalinde und ums Dienstmädchen Adele, das gern Künstlerin wäre. Während eines Maskenballs werden Falschheit, Vergnügungs- und Rachsucht einer leichtlebigen Gesellschaft entlarvt.

Kai Tietje (musikalische Leitung) und Stefan Huber (Regie) haben den Operetten-Klassiker komprimiert und in eine ironisch-amüsante Revue verwandelt – ohne grossen Firlefanz und opulentem Rahmen. Das Ensemble ist klein, aber auf den Punkt genau programmiert – musikalisch und stimmlich. Das gilt für alle neun Mitwirkenden, vom Frosch-Darsteller einmal abgesehen. Die Geschwister Pfister – Christoph Mart als Rosalinde und Tobias Bonn als Eisenstein – brillieren gewohnt als Zugpferde. Gabriela Ryffel als erfolgsheischende Adele wie auch Ricardo Frenzel Baudisch als Liebhaber-Schnösel Alfred setzten spritzige Akzente. Max Gertsch fällt als Gefängniswärter Frosch etwas ab. Diese Rolle, bei Schauspielern von Karl Valentin (1941), über Hans Moser (1962) bis Jürgen von Manger (1964) und Heinz Erhard (1964) bis Helmuth Lohner (1979/80) beliebt und begehrt, wurde in der Urfassung dieser Schweizer Revue, «Die Rache der Fledermaus» (2018 in Casinotheater, Winterthur) von Stefan Kurt fulminant interpretiert, inklusive des Polo Hofer-Song «Kiosk». Das war ein köstliches Zwischenspiel des Berners. Gertsch als Trunkenbold Frosch agiert klamaukig und hölzern. Gleichwohl, die aktuelle, erneuerte «Fledermaus» amüsiert allemal: eine ironisch-schräge, trinkfreudige Gesellschaftsgroteske. Feste soll man eben Feste feiern, wie sie fallen.



«Die Fledermaus»

Eine liebenswerte Abrechnung mit Johann Strauss
Bernhard Theater Zürich

150 Minuten, inkl. Pause
www.bernhard-theater.ch/spielplan/die-fledermaus/
Eine Koproduktion mit dem Casinotheater Winterthur und dem Opernhaus Zürich.

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Veröffentlicht Dezember 2021