«Er suchte stets nach Montagen und Narrationsformen, die nicht pädagogisch belehren, sondern favorisiert fragmentarische Vorgehensweisen, die viele Facetten zum Ausdruck bringen», beschreibt Elena M. Fischli die Intentionen ihres Lebenspartners Karl Saurer, der mehrfach in Indien (Bild oben) drehte. (Bilder: Rolf Breiner, zvg)


Sein Film «Ahimsa – Die Stärke von Gewaltfreiheit» startete 2012 seine Kinokarriere. Anlässlich dieses Werk hat Franziska Notter-Keller, freischaffende Journalistin, im Frühling/Sommer 2013 ein Porträt über Karl Saurer für das Einsiedler Magazin, verfasst. Textatur hat es mit Erlaubnis der Autorin und der Zeitung aufgenommen. Es hat nichts an Aktualität verloren.

«Wenn man sich nicht einmischt, akzeptiert man den Zustand»

Geboren ist Karl Saurer, Drehbuchautor und Filmregisseur, 1943 in einem kleinen Dorf am neu gestauten Sihlsee. Sein Bubentraum war es, Ingenieur zu werden. Dann hätte er Wüsten bewässern können. Die Gleichwertigkeit aller Menschen, unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Religion sind Grundanliegen, die tief in ihm verwurzelt sind.
Kaum sitzt man mit Karl Saurer am Tisch, schon sprudelt er los. Man hört ihm gerne zu, dem weltbekannten Filmemacher, der viele Monate im Ausland verbringt, recherchiert und Dokumentarfilme dreht. Bekannte Titel wie «Der Traum vom grossen blauen Wasser», «Steinauer Nebraska», «Rajas Reise» und sein neustes Werk «Ahimsa – die Stärke von Gewaltfreiheit». In seinem Leben sei vieles Fügung gewesen, sagt er. Schon damals, als seine Eltern beschlossen, nach Einsiedeln umzuziehen, was ihm anfangs gar nicht behagte, fühlte er sich doch in den Ställen, Wiesen und Küchen der Bauern überall daheim. Er stiess dann aber glücklicherweise auf Louis Kälin, der in seiner Garage Super-8-Filme, sogar über die Wüsten Afrikas, vorführte, was ihn unglaublich faszinierte. Der Grundstein war gelegt. An der Volkshochschule besuchte er als Sekundarschüler einen Kurs über «die Geheimnisse des Films», musste allerdings in der Vorführkabine des Kinos sitzen, weil er noch nicht 16 war.

Die Filmwelt liess ihn nie mehr los. Filmkunde war auch das Fach, das ihn am Lehrerseminar in Rickenbach am meisten fesselte. Dass Karl Saurer das Lehrerpatent besitzt, erzählt er ganz beiläufig. Damit hätte er sich sein Studium in Zürich, München und Osnabrück finanziert. Er begann, Filme mit anderen, kritischen Augen anzuschauen. Eine Theaterrezension in einer Münchner Zeitung ärgerte ihn einmal so sehr, dass er spontan eine eigene Kritik verfasste. «Indem man über etwas schreibt, analysiert man ganz anders. Man differenziert, was einen ärgert und was einem gefällt.» Er wurde für den Tages-Anzeiger Theaterkritiker für deutsche Bühnen, später Filmkritiker beim Kölner Stadtanzeiger und weiteren deutschen Zeitungen. Schon in München begann er jedoch, zusammen mit Studienkollegen eigene Filme zu drehen. Karl Saurer staunt im Nachhinein selbst, wie er immer wieder im entscheidenden Moment die richtigen Menschen getroffen hat, die ihn auf etwas aufmerksam gemacht, einen wertvollen Hinweis oder die Idee für ein nächstes Projekt gegeben haben. «Es haben mich immer wieder erfahrene Leute unterstützt. Ohne sie hätte ich vieles nicht geschafft», stellt er dankbar fest. Er nennt eine ganze Reihe von Filmschaffenden. Eine wichtige Begleiterin ist ihm Elena Hinshaw Fischli geworden, die ihn seit 1986 als Co-Autorin unterstützt hat.

Beziehungen sind das Wichtigste für ihn. Bei der Vorbereitung zum Film «Rajas Reise» lernte er den indischen Zeitgenossen P.V. Rajagopal, einen sozial-politischen Gandhi-Nachfolger kennen, der ihn in vielerlei Hinsicht inspirierte. Natürlich müsse man sich immer auf sein Gegenüber einlassen. Auf den anderen Menschen, auf eine ungewohnte Lebenssituation. Als Autor und Filmemacher brauche man Intuition und das Gespür, das einen erkennen lässt, was in einer Geschichte steckt. Karl Saurer sucht, spürt, recherchiert, um dann etwas anderes zu vermitteln als nur das Offensichtliche.

Er war ein engagierter Pädagoge, unterrichtete mit viel Freude. Zuerst als Lehrer zwei Jahre an der Mittelstufe in Feusisberg, später nach dem Studienabschluss in Medienwissenschaft, dann als Dozent an Universitäten, Filmakademien und Filmschulen. Freude an dieser Tätigkeit sei doch die Voraussetzung überhaupt, um unterrichten zu können, betont er. Man muss die Schülerinnen und Studierenden unterstützen, ermutigen, fördern und fordern. Nicht nur letzteres. An die seiner Meinung nach eingeengte Geschichtsvermittlung seiner Jugend erinnert er sich ungern: «Wir lernten als Kinder alle Schlachten kennen, aber kennt eines den Gandhi? Martin Luther King? Andere Modelle von Konfliktlösung als Gewalt, Krieg und Streit?»

Karl Saurer erzählt, wie einem die Augen geöffnet werden können, wenn man einige Zeit in einer anderen Kultur lebt. So hat ihn beispielsweise die Lebensfreude und Spontanität der Menschen in Afrika oder im ländlichen Indien tief beeindruckt. Man hätte oft ein so verzerrtes Bild, wisse nur vom Elend: «Man kann von einfachen Menschen so viel lernen. Sie haben oft keine Schulbildung, aber können klar denken und spüren, was wesentlich ist im Leben.»

Die Welt nur so annehmen, wie sie ist, gilt für ihn nicht. Man soll sich fragen, warum sie so ist. Und sie auch hinterfragen. In Gesprächen anderen mutig auf den Zahn fühlen. Die Welt ist nicht gerecht. Und die Demokratie lebt nur, wenn sie praktiziert wird: «Wenn man sich nicht einmischt, akzeptiert man den Zustand.» Ein harter Brocken, den er da von sich gibt. Und wie soll man sich denn einmischen? «Die Möglichkeiten besser nutzen, die jede und jeder von uns hat!», betont er, «auch die, wie wir den Menschen um uns herum begegnen.»

Karl Saurer fordert zum Denken und Handeln auf. «Hinschauen, einmischen, auf sozialen und gerechten Umgang, auf faire Lebens- und Handelsbedingungen achten.» Ein Satz klingt lange nach: «Wir haben unsere Seele dem Materialismus verkauft. Und sind damit auf einem unglaublichen Holzweg angelangt.» Und zum Schluss sagt er etwas nachdenklich: «Es war eine gute Idee vom Leben, mich nach Afrika und Indien zu schicken. Ich bekam so die Chance, das Leben und seine Werte anders anzuschauen und zu gewichten.»

Franziska Notter-Keller, freischaffende Journalistin, 2013. 


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Veröffentlicht April 2020