Filmregisseur Stefan Haupt (links) und Jud-Darsteller Anatole Taubman: Geschichte wird lebendig im Reformationsdrama «Zwingli». (Ascot Elite)



Zwingli im Kino:
«Ein heller Geist kommt in eine dunkle Stadt»

Am 1. Januar 1519 trat Huldrych Zwingli, ursprünglicher Taufname Ulrich, das Amt des Leutpriesters am Zürcher Grossmünsterstift an. Stefan Haupts («Der Kreis», «Finsteres Glück») Kinofilm über den Protestanten, Revolutionär und Reformator ist nun in den Kinos zu sehen.
Ein Gespräch mit Regisseur Stefan Haupt und Schauspieler Anatole Taubman, der Zwinglis Weggefährten Leo Jud verkörpert.



Siehe auch Filmkritik


Stefan Haupt stellt in seinem Kinofilm Zwinglis zwölf Zürcher Jahre ins Zentrum. Ihm, seinem Team und der Filmproduktion C-Films war es gelungen, die Verantwortlichen von Kirche und Stadt Zürich zu überzeugen, das Grossmünster für Dreharbeiten einige Wochen zu sperren. Wir sprachen mit dem Zürcher Regisseur über sein historisches Drama, das 5,6 Millionen Franken gekostet hat.

Es ist vollbracht...
Stefan Haupt: …und ich bin noch nicht gekreuzigt.

Eine Persönlichkeit wie Zwingli, sein Tun und Wirken in einem Spielfilm zu beschreiben, ist schwierig. Dein Film umfasst die Jahre 1519 bis 1931, bis zu Zwinglis Tod. Wo sahst du die Schwerpunkte, was war dir wichtig?
Eine spannende Herausforderung war die Frage: Wie stark können wir uns in diese Zeit zurückversetzen? Können wir die Prägung von heute beiseitelassen und uns zurückdenken, wie muss man sich das vorstellen? Der Gedanke war: Ein heller Geist kommt in eine dunkle Stadt. Zwingli besass eine Helligkeit und Urbanität, Offenheit und Schlauheit. Er brachte eine Neugierde mit. Das trieb ihn an: Wenn die Bibel so wichtig ist, müssen die Leute doch auch wissen, was drin steht.

Zwingli wurde nach Zürich als Leutpriester berufen. Welche Funktion hatte dieses Amt?
Ein Leutpriester hatte pfarrliche Rechte und Aufgaben, er ist in der Hierarchie weniger hoch als ein Chorherr, der zuständig ist für verschiedene Altäre und sie verwaltet. Zwingli wurde später auch Chorherr, - aber das erzählen wir im Film nicht auch noch. Andrea Zogg spielt den Chorherren Hoffmann in unserem Film, er war Vorgänger Zwinglis, war zuerst für, dann gegen Zwingli, als dieser pointiert Position bezog und die Sprache der Leute in der Kirche benutzte. Der Chorherr empfand das Handeln Zwinglis als Denunzierung des Amtes.

Was hat dich an diesem Mann fasziniert, der diese Zeit mitgeprägt hat?
Der Satz «Veränderung ist möglich» hat mir sehr gefallen. Man kann eine Situation aus zwei Blickwinkeln anschauen: Da sind einerseits die Sachzwänge, die so gross sind, dass der einzelne fast demütig anerkennen muss, dass er nur wenig ausrichten kann. Andererseits gilt auch das Gegenteil: Bei allen Sachzwängen, Hierarchie usw. hat die einzelne Person viele Möglichkeiten, den Unterschied zu machen. In diesem Sinn finde ich Zwingli sehr spannend. Er ist nicht einfach vom Himmel in eine Zeit gefallen. In eine Zeit, in der es brodelte. Zünfte wollten, dass das Söldnerwesen abgeschafft wird, wollten nicht, dass die jungen Leute sich verdingen, als korrumpierte, kaputte «Vietnam-Veteranen» zurückkommen, nur noch saufen und herumhuren.

Das historische Drama spielt auf zwei Ebenen – einer gesellschaftlich-politischen und einer privaten. Wie war dein Konzept – ein historisch genaues Zeitbild zu zeichnen, den Prediger und Menschen Zwingli zu hinterfragen?
Das sind durchaus zwei relevante Ebenen. Mir gefällt dabei immer die Durchmischung, wenn etwas vielschichtig, auch ambivalent wird. Was sind die Triebfedern hier wie dort? Zwinglis persönliches, privates Leben ist höchst politisch. Er steht zu seiner Geliebten, zu seiner Frau auch gesellschaftlich und bewirkt dadurch einiges.

Es gibt im Film das Bild einer zerbrochenen Schale, das mehrfach vorkommt. Was verbirgt sich dahinter?
Anna bringt Zwingli erstmals diese Schale ans Krankenbett während der Pest. Als Zwingli, noch halb im Delirium, diese Schale sieht, spricht er die Worte: Ich bin dein Gefäss, brauch mich oder brich mich. Zwingli überlebt – und nimmt die Aufgabe an. Viel später im Film, bei einer heftigen Auseinandersetzung mit Anna, zerbricht das Gefäss. Was ist zerbrochen? Die Interpretation möchte ich den Zuschauern überlassen. Am Ende vergräbt Anna die Tonscherben bei Kappel. Das hat etwas von einer zerbrochenen Urne, die man der Erde zurückgibt, wie eine Hommage, eine Würdigung. Zwingli wurde nach seiner Tötung auf dem Schlachtfeld verbrannt. Er hat kein Grab.




Der Schweizer Anatole Taubman hat international Karriere gemacht, 1970 in Zürich geboren, Maturand in Einsiedeln und seit zwanzig Jahren Schauspieler. Seine Eltern stammen aus Königsberg (Vater) und Wien (Mutter). Er pendelt zwischen Berlin und der Schweiz. Er war in einer kleinen Rolle (Otto) 2003 auch in der internationalen Produktion «Luther» (Regie: Eric Till) zu sehen, mit Joseph Fiennes als Martin Luther, Sir Peter Ustinov als Friedrich der Weise und Bruno Ganz als Johann von Staupitz. Jetzt agiert Taubman im «Zwingli»-Film als Wegbegleiter und Übersetzer Leo Jud. Wir trafen ihn in Zürich.

Anatole, das Mittelalter sollte dir als Filmschauspieler nicht fremd sein – nach Rollen in «Die Päpstin» oder «Die Säulen der Erde». Nun bist du in die Reformationszeit als Zwinglis Weggefährte, Leo Jud, eingetaucht. Wie stark hast du dich mit dieser Zeit befasst?
Anatole Taubman: Ich bin per se ein grosser Geschichtsfan und hatte da Glück, tolle Geschichtslehrer gehabt zu haben, die mir eine grosse Faszination für Geschichte mitgegeben haben. Dann ist es ein Traum als Schauspieler, sich zu verkleiden, möglichst authentisch in Kostüm und Haarschnitt mit dreckigen Fingernägeln und Gesicht eine Zeit echt wiederzugeben – im Jahr 2018. Ich hab's geliebt, ins 16. Jahrhundert einzutauchen.

Wie beurteilst du die Hauptfiguren Zwingli und Jud?
Zwingli war Politiker und Stratege, Leo Jud das Gehirn der Schweizer Reformation, ein fanatischer, besessener Gelehrter.

Bist du selber religiös? Wie stehst du zum Glauben, zur Reformation?
Ich glaube, dass es über uns eine Macht, ein Licht, eine Kraft gibt, die unser Leben nachhaltig hier und jetzt bestimmt. Ich glaube an Schicksal und nicht an Zufall. Ob diese höhere Macht Jesus, Gott, Mohammed, Allah, Krishna oder wie auch immer heisst, muss jeder für sich bestimmen. Es gehört zu den Grundrechten des Menschen, seinen eigenen Glauben wählen zu dürfen. Eine der Hauptsäulen der Schweiz entstand in der Revolution des 16. Jahrhunderts.

Du bist in der Schweiz aufgewachsen. Was verbindet dich mit Zwingli, Zürich und die Reformation?
Für mich ist Zürich ein Nachhausekommen. Mit Zwingli verbindet mich heutzutage viel, er ist auch für moralische ethische Werte eingestanden – selbstlos, ohne die ein Zusammenleben nicht funktioniert. Respekt!

Du hast einige internationale Filmproduktionen erlebt – von James Bond bis «Captain America». Die Budgets sind grösser, ebenso Aufwand und Personal. Wo liegen die grössten Unterschiede im Vergleich zu einer Produktion wie «Zwingli»?
Ich erwähne dazu «Men Black – Spin Off», Teil 4, diesen Sommer. Kosten: 200 Millionen Dollar. Der Hauptunterschied liegt im Budget, am Geld. In US-Produktionen herrscht eine viel stärkere Hierarchie und Struktur.

Du bist vielseitig zu sehen, auch in Fernsehproduktionen in «Dark», «Waking the Dead», im Bozen Krimi oder in der französisch-kanadischen Fernsehserie «Versailles" (in der ersten 2015). Du bist gut im Geschäft. Welche Rollen reizen dich am meisten?
Ich bin ein grosser Fan von historischen Filmen. Am liebsten würde ich den Vicomte de Valmore in «Dangerous Liaisons» spielen.

Du bist Ende November Vater eines Sohnes namens Henri geworden. Wirst du nun etwas kürzer treten?
Das ist mein Ziel. Das ist mein Ziel. Jetzt bin ich bei HBO’s TV Serien-Adaption des Comics «Watchmen» dabei. Also wird das in den nächsten drei Jahren schwierig sein. Meine Tochter in Berlin, Tara (15), macht ihren IP in drei Jahren, deswegen werde ich weiter pendeln zwischen Berlin und der Schweiz.

Bleibt da noch Zeit für den Fussball und Manchester United?
Ich bin dabei - dank iPhone, der einzige Grund, weswegen ich ein iPhone habe, ist Fussball. Mein Traum ist ja, Radiomoderator eines Fussballspiels zu werden.

Da hast du ja einen versierten Schwiegervater, nämlich Beni Thurnheer…
Ja, dann täte ich mich mit Beni zusammen.


Zurück


Veröffentlicht Januar 2019