Reizüberflutung: Frida Kahlo in allen Variationen und Ausschnitten in der Zürcher Lichthalle Maag. (Bilder: rbr)


Frida Kahlo: «Viva la vida!»

Sie ist eine der markantesten Malerinnen des 20. Jahrhunderts. Das Lichterspektakel «Viva Frida Kahlo» in der Zürcher Lichthalle Maag bietet einen spektakulären Einstieg (bis 2. Januar 2022). Das kleine Kunstmuseum Gehrke-Remund in Baden-Baden versammelt Fotografien, Kleider, Schmuck, Erinnerungsstücke und über 100 lizensierte Repliken.» Und Frida Kahlo ist auch in der Ausstellung «Close Up» in der Fondation Beyeler zu sehen (bis 2. Januar 2022).

«Mein Name ist Magdalena Carmen Frieda Kahlo y Calderón. Ich bin die dritte Tochter von Wilhelm Kahlo und Mathilde Calderón. Mein Vater war Deutscher 1871 in Pforzheim geboren», liest man in der ganz persönlichen Museumsbroschüre «Frida Kahlo –meine Geheimnisse» (2021) von Dr. Mariella C. Remund, die zusammen mit ihrem Partner Hans-Jürgen Gehrke das Kahlo-Museum in Baden-Baden aufgebaut hat. Besagter Wilhelm Kahlo wuchs in Baden-Baden auf, wanderte mit 18 Jahren nach Mexiko aus und arbeitete im Kristallglas-Laden Loeb. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete er Mathilde Calderón, die Mutter Fridas, deren Vater indianischer Herkunft war. Und so umschreibt Frida ihre Herkunft: «Von meiner Mutter habe ich die schmale Taille und von meiner deutschen Grossmutter die zusammengewachsenen Augenbrauen. Von meiner Mutter habe ich die Leidenschaft für die schönen Tehuana-Kleider, für die Dekoration des Hauses mit Blumen und bestickten Kissen geerbt.»

Familie und ihr Umfeld finden sich in frühen Bildern. In Mexiko änderte sie ihren Namen von Frieda in Frida. Zentrale Themen ihrer Werke sind ihr Leiden, ihr gemarterter Körper, ihre seelischen Wunden und ihr Lebenspartner, der Maler Diego Rivera. Physisch wie psychisch zerrissen, arbeitete sie ihren Schmerz, ihren Kummer von der Seele. Diese Situation macht das Bild «Diego und ich» (1949) erschütternd deutlich. 1948 hatte Diego, der Frauenheld, die Scheidung eingereicht, nachdem die beiden 1940 bereits ein zweites Mal geheiratet hatten.

Ihr wechselvolles Leben spiegelt sich in ihren Bildern. Wie ein Tagebuch liest sich die erwähnte Broschüre «meine Geheimnisse». Ihre Gemütslage ist Grundlage ihres Schaffens. Sie legt in den Texten Beweggründe und Gefühle akribisch dar, beschwört sie geradezu. Das kleine intime Kunstmuseum in Baden-Baden versammelt Fotos, Accessoires, Erinnerungsstücke und Bilder als lizensierte Repliken (getreue, handgefertigte Kopien eines Kunstwerkes in Grösse, Stil, Farben und Materialien). Und so liest man in der Begleitbroschüre: «Auf den nächsten drei Fotos sehen Sie, dass fast 30 Operationen, mein Lebensstil als Künstlerin und meine emotionalen Schmerzen nun ihren Tribut gefordert haben. Im Jahr 1953, ein Jahr vor meinem Tod, wurde mein rechter Unterschenkel amputiert und nun sitze ich fast immer im Rollstuhl.» Ihr Leben – eine Tragödie. Sie starb, 47 Jahre alt, an einer Lungenembolie.

Am Lebensende befasste sich Frida Kahlo mit ihrem Tagebuch und «Stillleben. «Viva la vida» (1954) heisst ihr letztes Werk und zeigt Wassermelonen, blutrot. Und ihre Inschrift im Fleische einer Melone klingt wie ein trotziges Fanal, ein Toast aufs Leben – trotz alledem!

Die grosse Lichtschau «Viva» in der Maag Halle feiert die expressive Künstlerin Frida Kahlo, macht sie zur überlebensgrossen Gestalt. Das ist teilweise beeindruckend, teilweise erdrückend und melancholisch. Mexikanische Hintergrundmusik verstärkt den monumentalen Eindruck. Die Multimedia-Show versucht, in die Werke und ins Leben Kahlos einzudringen, was bisweilen gelingt, meistens aber auf Effekthascherei hinausläuft. Schatten, Lautsprecher wirken bisweilen deplatziert und sorgen für Verzerrungen. Die Auflösung der Bilder, gigantische Vergrösserungen und Bewegungen irritieren und faszinieren zugleich.

Wer erstmals ein solches Lichtspektakel erlebt, wird von den Reizattacken überwältig sein (das war bei dem Van-Gogh-Projektionsspektakel nicht anders). Immerhin, «Viva – Frida Kahlo» ist eine wuchtige Lichtinstallation über Wände, Decken und Böden (leider nur auf Englisch gesprochen). Sie sollte und könnte dazu animieren, sich mit dem Werke der Mexikanerin näher und tiefer zu befassen.

Interessant ist auch, dass Frida Kahlo eine der neun Künstlerinnen der Ausstellung «Close Up» in Riehen ist, die sich auf Porträts und Selbstporträts konzentrieren von 1870 bis in die Gegenwart – von Berte Morisot und Paula Modersohn-Becker bis Marlene Dumas, Cindy Sherman und eben Frida Kahlo. Acht Bilder der Mexikanerin sind hier zu sehen, besonders eindrucksvoll ein Selbstporträt mit Bonito (1941), dem Papageien. Frida Kahlo hatte 144 Gemälde geschaffen, davon allein 55 Selbstbildnisse.

Wer die Fondation Beyeler in Riehen (Basel) besucht, kommt wahrscheinlich in erster Linie, um die grosse Goya-Schau mit 70 Gemälden, Zeichnungen und Druckgrafiken zu besichtigen. Das ist zusammen gut zu bewältigen. Francisco de Goya (1746–1828) animiert zu einer Reise ins späte 18. Jahrhundert. Er war nicht nur der grosse Hofmaler, sondern auch kritischer Beobachter und Chronist seiner Zeit. Das führen vor allem seine unerbittlichen Zeichnungen und verstörenden Grafiken vor Augen.


Frida Kahlo – meine Geheimnisse, Kunstmuseum Gehrke-Remund, Baden-Baden, Di–So, 11 bis 17 Uhr

Viva – Frida Kahlo, Lichthalle Maag, Zürich, bis 27. Februar 2022 verlängert, Di–So, ab 10 Uhr

Close Up, Fondation Beyeler, Riehen, bis 2. Januar 2022, Mo–So, 10.00 bis 18 Uhr

Goya, Fondation Beyeler, Riehen, bis 23. Januar 2022


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Veröffentlicht November 2021 / Januar 2022