Hätten Sie’s gewusst: Patricia Highsmith (grosses Bild) – jung und draufgängerisch im Dokfilm «Loving Highsmith» (Eröffnungsfilm). Frauen in Äthiopien begehren auf: «Stand Up My Beauty» von Heidi Specogna. Die Retrospektive in Solothurn 2022 ist dem Filmschaffenden Jürg Hassler (Bild links) gewidmet. (Bilder: Filmtage, Filmcoopi)


57. Solothurner Filmtage 19. bis 26. Januar 2022

Frauenpower im Kino

Die 57. Solothurner Filmtage 2022 setzen auf eine Karte, und die heisst Vorführungen vor Ort mit Publikum. Soweit Corona und der Bundesrat es zulassen. Die Werkschau des Schweizer Films steht im Zeichen der Romandie und der Produzentinnen. Von den 596 eingereichten Filmen wurden 157 programmiert.

Die Solothurner Filmtage haben turbulente Monate hinter sich. Im letzten Jahr mussten man coronabedingt drastische Einschränkungen hinnehmen. Dann wurde Direktorin Anita Hug im Sommer 2021 unzimperlich und nicht gerade auf die feine Art verabschiedet. Sie hatte erst 2019 die Leitung übernommen und den Kulturevent organisierte. Gemäss einer Pressemitteilung sind Anita Hugi und die Solothurner Filmtage zu einer Einigung gelangt – dank der Vermittlung durch das Bundesamt für Kultur (BAK). Über Details hüllt man den Mantel des Schweigens.

Das Trio Marianne Wirth (Programmattache), David Wegmüller (Programmleitung) und Veronika Roos (Leiterin der Geschäftsstelle) haben die Leitung übernommen, Veronika Roos ist für die Administration zuständig. Die Querelen an der Aare blieben nicht ohne Wirkung. So müssen sich die Filmtage vorerst mit 440‘000 Franken Subventionen vom Bund begnügen (bei einem Budget von rund drei Millionen Franken). In Aussicht gestellt war eine Erhöhung von 20‘000 Franken, die wurde jedoch vorläufig auf Eis gelegt.

Diese Entscheidung hatte keine entscheidenden Auswirkungen auf die Ausgabe 2022. Traditionell werden die Filmtage von einem Bundesrat eröffnet, wie schon 2020 wird Alain Berset für eine launige Einstimmung sorgen. Die 57. Ausgabe startet am 19. Januar mit dem Porträt «Loving Highsmith» von Eva Vitija. Sie wirft in ihren Film ein Licht auf das Doppelleben der berühmten Thrillerautorin. Zufall oder Timing? Just an diesem Tag wäre Highsmith 101 Jahre alt geworden. Geboren 1921 in Texas, gestorben im Februar 1995 in Locarno, hat sich Highsmith mit der Figur des smarten, kriminellen Mr. Ripley unsterblich gemacht. Fragwürdig war jedoch ihre rassistische Einstellung, die in Tagebüchern und Aufzeichnungen zu Tage trat.

Über 150 Filme sind in der Ambassadorenstadt während der Filmtage zu sehen. Drei Wettbewerbe mit je acht Filmen wurden etabliert. Sozusagen paritätisch ist der Prix de Soleure (dotiert mit 60‘000 Franken) mit Werken bestückt, mit sechs Dok- und zwei Spielfilmen, von je vier Regisseuren und Regisseurinnen. Dazu zählen der Eröffnungsfilm, ausserdem «(Im)Mortels» von Lila Ribi, Gewinner des 9. Dokfilm-Wettbewerbs (Migros-Kulturprozent), «Olga» von Elie Grappe, «L'art du silence» von Maurizius Staerkie Drux oder «Wet Sand» von Elene Naveriani, ein Spielfilm um verdeckte Liebe, offene Vorurteile und Zusammenhalt in einem Dorf am Schwarzen Meer.

Für den Opera Prima (20‘000 Franken) wurden Erstlingsfilme nominiert (acht Dok- und zwei Spielfilme). Beispielsweise «Pas de deux» von Elie Aufseesser über zwei Brüder in New York und Jordanien, «Do You Remember Me» von Désirée Pomper und Helena Müller, ein Dokfilm über den Kampf gegen Beschneidung von Mädchen oder «Zahori» von Mari Alessandrini über einen alten Indianer in Patagonien und einem Tessiner Mädchen, das Gaucha werden möchte.

Der dritte Wettbewerb Prix du Public (20‘000 Franken) könnte zum Highlight mit fünf Langspiel- und drei Dokumentarfilmen werden, davon drei nationale und zwei Weltpremieren. Drei Beispiele: «3/19» von Silvio Soldini, ein Spielfilm über eine Anwältin, die ein Unfall nicht mehr loslässt, «The Mushroom Speaks» von Marion Neumann über eine Entdeckungsreis in die Welt der Pilze und «Stand Up My Beauty» von Heidi Specogna, das engagierte Porträt einer äthiopischen Sängerin und ihren Kampf für eine bessere Frauenwelt.

Ein breites Spektrum des Schweizer Filmschaffens öffnet das Panorama mit Kurz- und Langfilmen, dazu gehört auch die Kurzfilmsektion Upcoming. Als Beispiele seien Filme wie «Prinzessin» von Peter Luise, «Parallel Lives» von Frank Matter, «Apenas el sol» von Arami Ullòn oder «Chroma» von Jean-Laurent Chautems erwähnt.

Die diesjährige Retrospektive (Rencontre) ist dem Zürcher Jürg Hassler gewidmet. Der vielseitige Filmschaffende (Kameramann, Cutter, Regisseur) ist mit zehn Filmen vertreten («Züri brännt», «Welche Bilder, kleiner Engel», «Ur-Musig», «Ernesto Che Guevara» u.a.m.). Neben Filmen und Diskussionen ist eine Ausstellung mit Schachskulpturen zu sehen (Freitagsgalerie).

Zum zweiten Mal führt Solothurn die Sektion «Im Atelier» durch. Die geht 2022 der Frage nach Reduktion bei der Entstehung eines Films nach. Eine Gelegenheit für Filmschaffenden, sich mit dem Schaffensprozess auseinanderzusetzen.

Das Spezialprogramm «Fokus» zielt aufs Publikum: Welchen Einfluss hat das Publikum auf Filmemacher? Wie wird das Publikum einbezogen? Filme, Podien und Testscreening (zwecks Publikumsreaktionen) wurden angekündigt. Der Prix d'honneur, dotiert mit 10‘000 Franken, geht in diesem Jahr an David Landolf und Judith Hofstetter von Kinemathek Lichtspiel in Bern. Die beiden Cineasten pflegen Filmkultur auf verschiedenen Ebenen, sie betreiben ein Filmarchiv und ein lebendiges Museum, engagieren sich in ihrem Kino, organisieren Seminare, interdisziplinäre Veranstaltungen und Ausstellungen.

Solothurn ist – wenn Corona es 2022 nicht zunichtemacht – immer auch Ort und Gelegenheit für Begegnungen, Entdeckungen und Wiedersehen. Unter dem Motto «Aus alt mach neu» sind drei digitale Premieren angesagt: «Vollmond» (1998) von Fredi M. Murer sowie die Dokumentarfilme «Klingenhof» (2005) von Beatrice Michel und «Magic Matterhorn» (1995) von Anka Schmid.


Informationen
info@solothurnerfilmtage.ch
solothurnerfilmtage.ch

Preise
Einzelticket: 17/13 Franken (Ermässigungen) 

Tagespass: 45/35 Franken 


Festivalpass: 170/135 Franken

Reservationen
Reservationen garantieren einen Sitzplatz. Sie sind kostenlos und verfallen 10 Minuten vor Vorstellungsbeginn. Reservationen können jeweils am Vortag der Vorstellung ab 08:30 Uhr bis 10 Minuten vor Vorstellungsbeginn getätigt sowie storniert werden.

Reservieren und stornieren ab 18. Januar 2022


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Veröffentlicht Januar 2022