Auf der Flucht: Ausbrecher Stürm (Joel Basman) ist mal wieder getürmt. (Bild: Ascot Elite)


Joel Basman als Ausbrecherkönig «Stürm»

«Ich bin brutal ehrlich, destruktiv und konstruktiv»

Er spielte den Dichter Rainer Maria Rilke im Künstlerporträt «Paula», gab einen Fiesling im apokalyptischen Schweizer SF-Thriller «Tides», verkörperte den Schriftsteller Hermann Hesse im Spielfilm «Monte Verità» und agiert nun als «Ausbrecherkönig» Walter Stürm im Sozialdrama «Bis wir tot sind oder frei», inszeniert von Oliver Rihs. In deutschen Kinos ist das Biopic «Lieber Thomas» über den Schriftsteller und DDR-Rebellen Thomas Brasch angelaufen. Joel Basman spielt dessen Bruder Klaus. Wir trafen den Zürcher Schauspieler in der Helferei, in unmittelbarer Nachbarschaft des Zürcher Grossmünster.

Zur Filmkritik

Herr Basman, Sie bespielen ein breites Spektrum an fiktiven und historischen Figuren und Persönlichkeiten. Wie bereiten Sie sich vor, beispielsweise auf die Rolle als Stürm, dem Dieb, der am liebsten aus dem Gefängnis stürmt und zur Ikone der linken Bewegung wurde?
Joel Basman: Ich schau mir an, wie hat er geredet, wie ist er gelaufen, bei Stürm ist dabei auf sein Ostschweizer Dialekt zu achten. Bei der deutschen Synchronfassung fiel das natürlich weg. Aber insgesamt bleibt doch viel der Phantasie überlassen.

Haben Sie sich in diese Zeit mit dem AJZ, den Zürcher Jugendunruhen befasst und eingelesen?
Auf jeden Fall. Die Schweiz hatte seinerzeit Angst vor dem Kommunismus, hat aber nicht gleich wie die Stasi funktioniert.

Wie bringt man diese Figuren auf die Leinwand: Stürm und seine Anwältin gab es ja wirklich, sie waren real?
Das ist vor allem für das Drehbuch und die Regie anspruchsvoll. Man sagt sich: Ich habe hier eine geile Geschichte und will ihr gerecht werden, Dann schreibst du ein gutes Buch, nimmst den Schauspieler und gibst den Stress an ihn weiter. Und wir wollen dem Buch gerecht werden. Dann kommt der Schnitt, der dem gedrehten Stoff auch irgendwie gerecht werden will.

Wieviel Zeit hatten Sie für die Dreharbeiten?
Die Dreharbeiten dauerten zweieinhalb Monate, vom April bis Mitte Juni 2019, hinzukommen die Vorbereitungen. Der «Stürm» lag länger auf meinem Tisch, aber die Finanzierung stand noch nicht.

Sie sind bekannt, haben einen gewissen Status erlangt, einen gewissen Freiraum. Wie wählen Sie Ihre Rollen aus? Was ist wichtig und entscheidend?
Es ist immer das Buch. Da ist es mir egal, ob ich einen Guten oder einen Bösen spiele, ob die Rolle gross oder klein ist. Ein gutes Beispiel ist die Verfilmung der «Schachnovelle». Ich liebe die Produzenten und habe ihnen gesagt, ihr könnt mich holen, egal für welche Rolle.

Wie wurden Sie zu Hermann Hesse in «Monte Verità»?
Regisseur Stefan Jäger kam auf mich zu.

Zurück zum «Stürm». Waren Sie etwas fasziniert von diesem negativen Helden?
Fasziniert war ich auf jeden Fall. Ein Ausbrecher, der Ostern einen Zettel hinlässt mit «Ich bin Eiersuchen», hat natürlich etwas. Da war ich schon kleiner Fan. Aber es gibt natürlich genug zweifelhafte Momente, wo ich sagen muss: Du hast aber auch viel Scheisse gebaut.

Wie würden Sie ihn denn umschreiben?
Das ist ein eigennütziger, egomanischer, soziopathisch angehauchter Mensch.
Die Lichtgestalt in diesem Film ist eigentlich Stürms Anwältin. Marie Leuenberger spielt sie.

Sind Sie gut mit der Kollegin ausgekommen?
Sehr. Ich würde sie als meine Anwältin nehmen.

Wie sehen ihre nächsten beruflichen Pläne aus?
Zurzeit bin ich beim Dreh für den Film «Last Song For Stella». Er handelt von einer Berliner Swing Band in den Vierzigerjahren. Herauskommen werden zwei Sechsteiler: «KadeWe» über das berühmte Kaufhaus bei der ARD an Weihnachten, und «Der Überfall» mit Katja Reimann beim ZDF im Januar.

Sie waren also sehr beschäftig und hatten kaum Zeit für Mode und Design.
Richtig, in diesem Jahr kam alles zusammen. Von Januar bis Mitte August habe ich durchgearbeitet.

Ihre Eltern betreiben in Zürich das Geschäft Modeatelier Basman. Dort sind Sie auch aktiv, wenn die Zeit es erlaubt. Wie wichtig ist Ihnen die Schweiz?
Die Schweiz ist immer dabei, wenn ich dabei bin. Ich bin als Schweizer da draussen, werde auch so wahrgenommen. Die Schweiz ist mein ständiger Begleiter.

Sie sind viel unterwegs. Sind sie denn grundsätzlich ein Bewegungsmensch?
Auf jeden Fall. Aber nicht beim Fussball, eher solo.

Wie stark ist Ihre Selbstreflexion. Wie sehen Sie sich?
Einerseits will ich mir einiges nicht eingestehen, andererseits bin ich aber auch brutal ehrlich. Teils destruktiv, teils konstruktiv eben.

Leben Sie denn in zwei Ich-Welten.
Mindestens in zwei.

Gibt's eine Wunschrolle?
Ja, die eines Bond-Bösewichts.

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Veröffentlicht November 2021