Am Zwingli-Schauplatz Grossmünster: Produzentin Anne Walser und Regisseur Stefan Haupt erläutern die baulichen Anpassungen. (Bilder: rbr)



Zum Zwingli-Jahr der Kinofilm

Nach dem Luther-Jahr 2017 steht 2019 ein Zwingli-Jubiläum an. Am 1. Januar 1519 trat Huldrych Zwingli das Amt des Leutpriesters am Grossmünsterstift in Zürich an. Der Zürcher Stefan Haupt («Der Kreis», «Finsteres Glück») dreht einen Kinofilm über den Protestanten, Revolutionär und Reformator, unter anderem am Originalschauplatz, dem Zürich Grossmünster.

500 Jahre Reformation wurde im letzten Jahr gefeiert – von Wittenberg (95 Thesen), Worms (Reichstag) und Wartburg (Bibelübersetzung) bis Berlin (Ausstellungen) und Zürich. Die Schweizer Reformatoren Calvin und Zwingli blieben diesbezüglich Randfiguren. Jetzt tritt der Mann aus dem Toggenburg aus dem Schatten seines grossen Kollegen und Konkurrenten: Huldrych Zwingli und der Reformation war eine kleine Geschichtsschau im Landesmuseum, Zürich gewidmet: «Gott und die Bilder» (bis 15. April 2018).

Leutpriester am Grossmünster
Am 1. Januar 1519, seinem 35. Geburtstag, trat Zwingli, getauft unter dem Namen Ulrich, später in Huldrych oder Huldreich selber umgeändert, das Amt als Leutpriester am Grossmünster an und hielt seine erste Predigt. Drei Jahre später veröffentlichte er seine erste reformatorische Schrift gegen das Fasten: «Von Erkiesen und Freiheit der Speisen». Der Bauernsohn aus Wildhaus (Toggenburg), am 1. Januar 1484 geboren, trat als 22-jähriger «Kirchherr» in Glarus an, wurde 1516 Leutpriester in Einsiedeln und dann vom Grossen Rat nach Zürich berufen. Die Zürcher Regierung wie auch Zwingli waren gegen das Söldnerwesen (er selber hatte 1515 als Feldpriester an der Schlacht bei Marignano teilgenommen). Später (1523) stellte er in seiner Schrift «Wie Jugendliche aus gutem Haus zu erziehen sind» klar: «Der Christ aber soll sich der Waffen gänzlich enthalten, soweit dies beim Zustand und beim Frieden des Staates möglich ist.» Seine Haltung war ein wichtiger Grund für die Berufung ans Grossmünsterstift. Mit Billigung des Rats begann Zwingli kirchliche Abläufe und Religionsdiktate aufzuweichen und zu reformieren wie Abendmahl, Ablassleistungen, Fasten, Zölibat. Er selbst heiratete die 33-jährige, verwitwete Anna Reinhart.
Zwinglis Glaubensfundament, kirchliche Auffassung und Ausübung basierten auf den Evangelien. Im Gegensatz zur katholischen Kirche lehnte er Mittler, Kirchenvertreter wie Heilige ab, die quasi zwischen Menschen und Gott zwischengeschaltet wurden. Er sprach diesbezüglich von «Götzen». Die reformatorische Bewegung in der Schweiz und Deutschland war sich jedoch nicht einig. Radikale Aussenseiter wie die «Täufer» wurden ausgeschlossen.

Das Abendmahl
Der Disput zwischen Zwingli und Luther über Bedeutung des Abendmahls beim Marburger Religionsgespräch 1529 brachte keine Annäherung – im Gegenteil. Zwinglis Bekenntnis: «Wir glauben, dass Christus beim Abendmahl wahrhaftig anwesend ist, ja wir glauben nicht einmal, dass es ein Abendmahl sei, wenn nicht Christus gegenwärtig ist… wir glauben, dass der wahre Leib Christi beim Abendmahl sakramental und geistlich gegessen wird.» Luther dagegen beharrte auf seine These vom leiblichen Jesus, von der wörtlichen Deutung: «Dies ist mein Leib.»
Fünf Jahre vor Luther hatte Zwingli zusammen mit seinem Gesinnungsgenossen und Freund Leo Jud zwischen 1524 und 1529 die Bibel in «eidgenössischer Kanzeleisprache» übersetzt («Zürcher Bibel»). Die reformatorischen Gedanken und Aktivitäten schlugen sich dann in diversen Gewaltreaktionen nieder. Es kam zu Ketzer- und Aufrührerverurteilungen (Verbrennungen, Enthauptungen, Ertränkungen). Auch Felix Manzer, Mitbegründer der Zürcher Täuferbewegung, wurde 1527 in der Limmat ertränkt. Kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den Glaubenslagern – hier die Inneren Orte dort die Zürcher Protestanten – schienen unvermeidlich. Der erste Kappeler Krieg konnte noch verhindert werden, doch der zweite 1531 forderte etwa 400 Tote, darunter auch Ulrich Zwingli.

Zwinglis zwölf Zürcher Jahre
Im Fokus des Kinofilms von Stefan Haupt stehen Zwinglis zwölf Zürcher Jahre. Ihm, seinem Team und der Filmproduktion C-Films ist es gelungen, die Verantwortlichen von Kirche und Stadt Zürich zu überzeugen, das Grossmünster für Dreharbeiten einige Wochen wochentags zu sperren. Den Originalschauplatz, das heisst das Kircheninnere auf den Stand des 16. Jahrhunderts zu bringen, heisst: Bänke ausräumen, Böden neu «verkleiden», zeitgemässe Bilder installieren, Altar entfernen. Man erinnere sich: Eine Folge der reformatorischen Bewegung war auch der sogenannte «Bildersturm». Heiligenfiguren und Altar mit den Stadtheiligen Felix, Regula und Exuperantius wurden entfernt, Bilder abgehängt oder übermalt. Denn Bilder, so der reformatorische Ansatz, sollten nicht vom Kontakt mit Gott beim Gottesdienst ablenken. Nun mussten alte Bilder und Altar wieder her.

Regisseur Haupt wies am Pressetag im Grossmünster nicht nur auf den grandiosen Original-Drehplatz, sondern auch die einzigartige (historische) Atmosphäre hin. «Das spürt man.» Dies bestätigten auch Andrea Zogg, der einen Chorherren und Widersacher Zwinglis spielt, Sarah Sophia Meyer (als Zwinglis Gattin Anna Reinhart) und Anatole Taubman, der Zwinglis Freund und Weggefährten Leo Jud spielt. Sie alle waren sehr angetan von den Dreharbeiten in der Sakristei, Krypta und im Kirchenschiff. Auch Jungdarsteller Emilio Marchisella, der Gerold, Annas Sohn, verkörpert und mit Zwingli stirbt, fühlte sich wohl. Nach Zürich zieht die Produktion nach Stein am Rhein, dort wurde im März im Kloster St. Georgen weitergedreht. Die ehemalige Benediktinerabtei stammt aus romanischer Zeit, wurde bis zum 16. Jahrhundert mehrfach umgebaut und infolge der Reformation «stillgelegt», das heisst aufgehoben. Ein Glücksfall für den Film, denn das Kloster blieb unverändert und ist eine der am besten erhaltenen mittelalterlichen Anlagen in der Schweiz.
In 37 Tagen soll alles im Kasten sein, verspricht Produzentin Anne Walser («Der Koch») – mit Max Simonischek («Die göttliche Ordnung») als Zwingli, Charlotte Schwab («Alarm für Cobra 11») und Stefan Kurt. Simone Schmid («Der Bestatter») schrieb das Drehbuch. 5,3 Millionen Franken soll der Film kosten, koproduziert mit Deutschland. Als Urzücher lag ihm dieser Film besonders am Herzen, gestand Regisseur Haupt. Zwingli erwecken und feiern? Vielleicht. Im Januar 2019 soll Premiere sein. Dass über diesen Mann, der nicht nur Zürich, sondern eine ganze Gesellschaft und Jahrhunderte bewegte, noch kein Spielfilm entstanden ist, verwundert. Zwingli, als «Ketzer» von den katholischen Gegnern angeprangert, lebt als Pionier des Protestantismus, Humanist und Philosoph weiter. «Wenn Gott die Türangel bewegt, wird auch der Türbalken erschüttert», ist ein Spruch Zwinglis.


EMPFEHLENSWERTE LEKTÜRE:
Peter Opitz «Ulrich Zwingli», TVZ (Theologischer Verlag Zürich), 2. Auflage 2017;
NZZ Geschichte: Andrè Holenstein und Peter Opitz «Der Revolutionär – Wie Zwinglis Ideen die Schweiz spalteten – und die Welt veränderten», Nr.7 Oktober 2016


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Veröffentlicht März 2018