Die grossen Absahner beim Deutschen Filmpreis 2018: Sieben «Lolas» für das Quiberon-Team. (Bild: Deutscher Filmpreis 2018 | Agentur Eventpress)


DEUTSCHER FILMPREIS «LOLA» 2018

Romy über alles

Der Spielfilm von Emily Atef war der erklärte Favorit für den Deutschen Filmpreis 2018 – mit 10 Nominationen. Und so kam es denn auch am Freitag, 27. April, im Palais am Funkturm, Berlin: «3 Tage in Quiberon» wurde mit 7 «Lolas» eingedeckt.

Fraglos hat Marie Bäumer ihre «Lola» verdient. Ihre phänomenale Darbietung als Romy Schneider in der Krise prägt sich ein – in einem Schwarzweissfilm, der sich auf drei Tage im tragischen Leben des Filmstars beschränkt, auf eine Begegnung 1981 mit einem «Stern»-Reporter (Robert Gwisdek erhielt prompt eine «Lola» als bester Nebendarsteller) und einem Fotografen (Charly Hübner, der nominiert war, aber leer ausging). Romy Freundin Hilde hatte ebenfalls die Sympathie der 1800 abstimmenden Akademiemitglieder: Birgit Minichmayr wurde für diese Rolle ausgezeichnet – Beste weibliche Nebenrolle. Überhaupt, was für ein schrecklicher Ausdruck: Nebenrolle, natürlich neben der Hauptrolle. Aber steht sie deswegen neben der Rolle quasi als nebensächliche Begleitung? Nebenbei eine lustige Gala-Einlage: Robert Gwisdek konnte selber aus väterlicher Verantwortung nicht am Filmpreisakt teilnehmen. Er sass sozusagen auf heissen Kohlen im Spital und sah Vaterfreuden entgegen, ebenso wie sein Vater Michael Gwisdek, Grossvater in spe, der im Palais weniger einer «Lola» entgegenfieberte als einem Baby.

Romy sei Dank! Das Quiberon-Ensemble genoss die «Lola»-Freuden. Mag sein, dass dieser Spielfilm eine Verneigung und späte Wiedergutmachung an dem in Deutschland gelittenen Star war. Mag sein, dass die Filmwelt sich auf eine grosse Schauspielerin besann – und sich selbst feierte. Denn solch ein «Lola»-Fest ist immer auch ein Event von der Branche für die Branche. Die rund dreistündige Fernsehaufzeichnung war für den filminteressierten Zuschauer gleichwohl nicht langweilig – dank teils amüsanter, teils profaner Einlagen, wobei Emotionen immer für Stimmung sorgen.
Ehrenpreisträger Hark Bohm, Regisseur, Autor und Schauspieler schon bei Rainer Maria Fassbinder, trug auch dazu bei, dass die Filmwelt in Berlin sich gern erinnerte, der Blick eher rückwärts denn gegenwärtig schien. Peter Körte urteilte in seinem Beitrag zur «Lola»-Fest hart: «Der Deutsche Filmpreis erstarrt in Zeitlosigkeit.» FAZ Sonntagszeitung, 29. April). Rückwärts gewandt, das gilt auch für den Dokumentarfilm «Beuys» von Andres Viel, der mit zwei «Lolas» bedient wurde (Bester Dokumentarfilm, Bester Schnitt). Ein Künstlerporträt von gestern mit Rück- und Weitsicht.
Das Gerechtigkeitsdrama «Aus dem Nichts» (Golden Globe) von Fatih Akin war letztes Jahr auch in der Schweiz zu sehen – mit Diane Kruger und Ulrich Tukur. Fünfmal nominiert, aber nur mit zwei Filmpreisen bedacht (Filmpreis in Silber, Bestes Drehbuch). Schlechter erging es nur dem «Schweigenden Klassenzimmer», viermal nominiert, keine «Lola». Ein Kapitel schäbiger DDR-Kultur- und Polit-Alltag wurde aufgearbeitet und angeprangert, aber wenig honoriert. Bedauerlich.

Ein Aussenseiter war der Experimentierfilm «Manifesto», eine deutsch-australische Produktion aus dem Jahr 2015, installiert von Julian Rosefeldt. Der erforschte und analysierte Manifeste von Marx & Engels bis Jim Jarmusch («Goldene Regeln des Filmemachens»). Er wollte ein Manifest der Manifeste schaffen, welche durch eine Frau, in diesem Fall durch die Schauspielerin Cate Blanchett, in 13 verschiedenen Rollen verkörpert werden sollten. Der Film startete im November 2017 in deutschen Kinos (war aber bei uns noch nicht zusehen. Er gewann 3 «Lolas» (Bestes Szenenbild, Bestes Kostümbild, Bestes Maskenbild).
Der karge Spielfilm um deutsche Arbeiter in Bulgarien, «Western» von Valeska Grisebach, beschreibt, wie sich Männer in einem fremden Land benehmen, fremden Menschen begegnen, anecken, sich annähern und sich verständigen könnten. Der Preis: eine «Lola in Bronze.»

Fünfmal nominiert und eine «Lola»: «Der Hauptmann» von Robert Schwentke spielt Ende des Zweiten Weltkriegs, erzählt von einem Deserteur, der in eine Hauptmann-Uniform schlüpft. Auch hier: Kleider machen Leute. Der Schweizer Max Hubacher («Mario») spielt den Kerl, der sich in ein Monster verwandelt. Die «Lola» gab's für Beste Tongestaltung.
Er stach Kollegen wie Andreas Lust («Casting») und Oliver Masucci («Herrliche Zeiten») aus. Der Freiburger Franz Rogowski überzeugt als stiller Gabelstaplerfahrer im leisen Beziehungs- und Sozialdrama «In den Gängen» (siehe Interview mit dem Schauspieler und der Filmkritik zu «Transit»).


DEUTSCHER FILMPREIS «LOLA» 2018

«3 Tage in Quiberon» (10 Nominationen):
7 Lolas für Bester Film (Goldene Lola), Beste Regie (Emily Atef), Beste Hauptdarstellerin (Marie Bäumer), Beste weibliche Nebenrolle (Birgit Minichmayr), Beste männliche Nebenrolle (Robert Gwisdek), Beste Kamera (Thomas W. Kiennast), Beste Filmmusik.

«Aus dem Nichts (5 Nominationen):
2 Lolas für Bester Film (Silberne Lola), Bestes Drehbuch (Fatih Akin, Hark Bohm)

«Der Hauptmann» (5 Nominationen):
1 Lola für Bester Ton

«In den Gängen» (4 Nominationen):
1 Lola für Bester Hauptdarsteller (Franz Rogowski)

«Manifesto» (4 Nominationen):
3 Lolas für Bestes Szenenbild, Bestes Kostüm, Beste Maske

«Beuys» (3 Nominationen):
2 Lolas für Bester Dokumentarfilm, Bester Schnitt

«Western» (2 Nominationen):
1 Lola für Bester Film (Bronzene Lola)

«Das schweigende Klassenzimmer» wurde viermal nominiert, erhielt aber keine Lola.
«Fack ju Göhte»: Besucherstärkster Film.
Ehrenpreis für Hark Bohm, Regisseur, Schauspieler, Autor.


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Veröffentlicht Mai 2018