Eva Spreitzhofer, Autorin, Regisseurin, Mutter: «Es ist Aufgabe der Gesellschaft, Intoleranten Grenzen zu setzen.» (rbr)


Toleranz hat Grenzen

Eltern meinen es gut mit ihren Kindern, und dann das…! Kinder im Erwachsenenalter nabeln sich radikal ab und werfen alles, heisst Erziehung, Ratschläge, Fürsorge und mehr, über den Haufen. Interview mit der Filmautorin und Regisseurin Eva Spreitzhofer

Siehe auch Filmkritik

«Womit haben wir das verdient?», fragt sich auch Wanda, engagierte Mutter, Atheistin und Feministin. Die Tochter Nina, fast flügge, kreuzt eines schönen oder besser unschönen Tages mit Kopftuch (Hidschab) auf, outet sich als Muslima und will Fatima genannt werden. Wie geht man/frau damit um, was geht in so einem konvertierten Teenager vor? Wie verhält sich die Feministin gegenüber einer Muslima und umgekehrt? Was heisst liberal und konservativ, und ist Allah vielleicht eine Frau? Die Grazerin Eva Spreitzhofer (52) hat zu diesem Thema eine Culture-Clash-Komödie, sprich amüsante Gesellschaftssatire mit realem Hintergrund, inszeniert: «Womit haben wir das verdient?» (siehe Filmkritik).

Die komische Ausgangssituation – Tochter, via Internet konvertiert, will muslimer sein als die muslimische Freundin Maryam, und Ninas Mutter Wanda gibt sich liberaler als allen gut tut – bietet vergnüglichen Crash und Clinch im Kino, und das bei einem gar nicht lustigen Thema. Wir sprachen mit der Autorin, Schauspielerin und Regisseurin, die auch Auftritte ihre Töchter bei der Demo einbaute und selber als Burkini-Verkäuferin erscheint.

In einem Interview haben Sie bekannt, dass es Ihnen wichtig sei, Geschichten zu erzählen, die Sinn machen und die Leute weiterbringen. Was hat das mit Ihrem ersten grossen Kinofilm zu tun?
Eva Spreitzhofer: Ich finde, wir leben in einer Zeit, die vielen Leuten Angst macht, in der es viele komplexe Probleme gibt und die abgehandelt werden, als gäbe es einfache Lösungen. Wir müssen akzeptieren, dass die Probleme da sind und Leute unterschiedliche Meinungen dazu haben. Wir müssen uns damit ernsthaft auseinandersetzen.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, diese Familiengeschichte oder besser diese Familienturbulenzen zu erzählen, hier die liberale Patchworkfamilie, dort eine muslimische Gesellschaft?
Es gibt Familien in Österreich, deren Kinder auf einmal orthodox werden, in die Moschee gehen, und deren Eltern gar nicht damit einverstanden sind und fragen: Was macht ihr da? Ich finde interessant, dass wir gar nicht auf dem Schirm haben, dass die Mehrheit der Moslems säkular ist und wie ja auch viele Christen nicht regelmässig in die Kirche gehen. Wir fallen darauf rein, dass konservative Moslems uns das Gefühl geben, dass alle Moslimas ein Kopftuch tragen. Diese Diskussion ist von beiden Seiten aufgeheizt – sowohl von den Rechten als auch von den Islamisten.

Sie haben umfangreich zu diesem Thema recherchiert. Was war Ihre Absicht?
Ich wollte mit der Wanda so durch den Film gehen, wie ich es bei der Recherche erlebt habe. Die Idee kam 2016 auf: Ich habe mich gefragt, was passiert, wenn meine Tochter zum Islam übertritt?

Sie sind inzwischen zur Expertin für islamische Fragen geworden…
Stimmt. Ich liebe Recherchen, und es ist für mich wie ein Eintauschen in eine andere Welt – egal was es ist.

Hatten Sie bei diesem Thema um Islamisierung keinen missionarischen Antrieb oder Hintergrund?
Nein, es sei denn, es betrifft den Film.

Mehrfach fallen die Ausdrücke Halal und Haram, Was hat es damit auf sich?
Das betrifft eine Szene mit einem Verkäufer. Halal ist etwas, was man tun darf, erlaubt ist; Haram das Gegenteil, also etwas, was verboten ist. Dabei gibt es aber sehr viele Auslegungen. Und das ist das Übel: Die Leute richten sich nicht nach dem Koran, sondern nach dem Regelwerk. Und das kann ganz verschieden sein.

In Ihrem Film gehen Sie nicht auf extremistische Fälle und Trends ein, sondern bleiben eher im häuslichen, familiären Rahmen.
Ich erzähle aus meiner, also aus der Perspektive von Wanda. Die Radikalisierung ist eine andere Nummer. Ich biete keine eindeutige Lösung bei Nina/Fatima an. Es könnte auch sein, dass sie das Kopftuch wieder abnimmt – wie bei der Demo. Es sollte kein simples Happyend im dem Sinne geben: Die Tochter trägt kein Kopftuch mehr.

Aber das Ende stimmt doch versöhnlich…
Ich habe das Gefühl, dass man sich oft, wenn alles so schlimm ist, wünscht, dass es auf einmal besser wird durch irgendwas. Der Trump könnte einfach weggehen und zurücktreten, die AFD könnte sich einfach auflösen. Irgendetwas Gutes könnte passieren: Die Flüchtlinge könnten einfach wegbleiben und ein gutes Leben haben. Das wollte ich einfach am Ende zeigen. Da kommt dieses Lied mit solcher Kraft, und die Rechten drehen sich um und sagen: Ach komm, wir gehen nach Hause.

Wir halten Sie es mit Religion? Glauben Sie an die Kraft der Toleranz?
Ich komme aus einer Familie ohne Bekenntnis. Ich bin auch nicht getauft, bei uns war das kein Thema. Ich bin aus Überzeugung nicht religiös und halte es für sehr problematisch, religiös zu sein. Was Toleranz angeht: Alle sollen ihre Sachen machen, wenn sie die anderen Menschen in Ruhe lassen. Ich persönlich bin nicht sehr tolerant, bin ungeduldig. Ich kann Menschen gegenüber, die nicht tolerant sind, nicht tolerant sein.

Welche Rolle spielt dabei das Kopftuch?
Ich finde, es ist Aufgabe der Gesellschaft, den Intoleranten Grenzen zu setzen. Die Gesellschaft sollte die Mädchen in den Schulen vor dem Kopftuch bewahren, denn Kopftuch ist für mich nicht ein Kleidungsstück, sondern ein Zeichen für Sexualisierung eines Teils der Bevölkerung. Dieses Thema sollte man auch nicht den Rechten überlassen.

Es geht im Film ja nicht nur um Religiosität, sondern auch um Loslassen. Wie ist es Ihnen denn mit Ihren Töchtern ergangen?
Die Wanda sagt ja oft: «Es gibt für alles eine Lösung.» Ich weiss nicht, wie oft ich das zu meinen Kindern gesagt habe. Auch die Aussage «Ich bin deine Mutter, ich werde dich nie in Ruhe lassen» stammt von mir. Ich bin wirklich nicht gut im Loslassen.

Haben Sie viele Einwände oder Hemmnisse überwinden müssen, um das Thema als Komödie zu behandeln und ironisch zu hinterfragen?
Es gab sicher bei der Drehbuchentwicklung Einwände. Da hiess es, dies oder das musst du weglassen, weil es zu intelligent oder zu sehr Klamotte sei, habe ich aber nicht. Manchmal habe ich an «Das Leben des Brian» gedacht, einer meiner Lieblingsfilme, wo auf einmal ein Ufo kommt und landet. Monty Python haben gemacht, was ihnen Spass gemacht hat. Und das wollte ich auch, einen Film drehen, den ich lustig finde und den vielleicht auch andere Leute lustig finden.


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Veröffentlicht Februar 2019