Die Ex als beste Freundin: Psychotherapeut Maximilian (August Zirner) sucht Halt und Rat bei seiner Ex-Gemahlin Loretta (Barbara Auer) und umgekehrt. (prosafilm)

 

Barbara Auer – speziell und spannend

Ihre Figuren sind meist stille Menschen, die ihr Leben ertragen, sich ereifern, sich entscheiden müssen. Sie ist nachdrücklich präsent beispielsweise wieder kürzlich als Teammitglied der ZDF-Krimireihe «Nachtschicht», oder in den Kinofilmen «Vakuum» oder «Transit». Barbara Auer, in Konstanz geboren, ist nun zu sehen im Beziehungsdrama «Was uns nicht umbringt».

Am Filmfestival Locarno hatten Sandra Nettelbeck und ihr Team Pech. Petrus hatte bei der Premiere seine Schleusen über der Piazza Grande geöffnet. Aber nicht nur in Locarno ging es stürmisch zu, sondern auch auf der Leinwand beim Beziehungsreigen «Was uns nicht umbringt». Kristallisationspunkt der Verwicklungen ist der Psychotherapeut Maximilian (August Zirner). Auf dessen Couch erleben wir unglückliche, verhärmte, geplagte Patienten, den Bestattungsunternehmer Mark (Christian Berkel – selten war der «Der Kriminalist» schauspielerisch so fein ziseliert und überzeugend) beispielsweise, den schweigsamen Koch Ben (Mark Watschke), den Piloten Fritz (Oliver Broumis), der an Höhenangst leidet, oder die Zoowärterin Sunny (Jenny Schily). Wir begegnen der Holländerin Sophie (Johanna ter Steege), spielsüchtig, aber auch mit Qualitäten ausgestattet, von denen Max sich angezogen fühlt. Aber geht das: Therapeut und Patientin?

Ein anderer Fall ist seine Ex-Frau Loretta (Barbara Auer), die sich mit ihren pubertierenden Töchtern herumschlägt, wobei eine total abstürzt. Loretta sucht Hilfe beim Ex («Du bist mein bester Freund»). Sie hat aber noch anderen Kummer und weiss nicht recht, ob sie mit ihrem jüngeren Lover einen Neuanfang wagen will.

Es tut sich einiges bei den Liebschaften, Nöten und Sorgen der Protagonisten im Beziehungsgerangel, inszeniert und geschrieben von Sandra Nettelbeck («Bella Martha»), die auch für die Pilgerreise «Ich bin dann mal weg» nach dem Bestseller von Hape Kerkeling das Drehbuch geschrieben hatte. Ihr jüngster Film erzählt von Sinnkrisen, Verunsicherungen und Entscheidungen, von versteckter und vollendeter Liebe. Manchmal komisch, manchmal tragisch, aber immer sehenswert. Wir trafen Barbara Auer (59), wohnhaft in Hamburg, zu einem Gespräch in Locarno.


Auftritte auf Roten Teppichen oder Interviews sind nicht Ihr Ding, haben Sie mal klargestellt. Stehen Sie auf Kriegsfuss mit solchen Verpflichtungen? Und nun in Locarno vor einem Riesenpublikum.
Barbara Auer: Die Interviews in Locarno halten sich im Rahmen, es sind nicht so viele. Es gehört dazu. In den Rollen gebe ich mich als Schauspielerin preis, habe aber immer noch diese Rolle als Schutz. Bei Interviews gibt es diesen Schutz nicht. Deshalb frage ich mich manchmal, was die Leute denn eigentlich noch wissen wollen. Ich habe mich doch schon in meiner Rolle offenbart. Natürlich ist es wichtig, Filme zu präsentieren. Ich habe mich anfangs mit diesen öffentlichen Auftritten sehr schwer getan. Indes bin ich schon so lange dabei und habe es akzeptiert. Ausserdem ist der Rote Teppich in Locarno besonders für uns: Hier ist fast das ganze Schauspielerensemble von «Was uns nicht umbringt» dabei. Ich freue mich also sehr auf unsere gemeinsame Premiere. Das war bei «Transit» an der Berlinale auch so. Diese anderen Rote-Teppich-Veranstaltungen ohne Film, wo es darum geht, was die Frau für ein Kleid anhat und so weiter, mag ich nicht sehr.

Sie wirken in drei aktuellen Kinofilmen mit, in «Vakuum», «Transit» und jetzt in «Was uns nicht umbringt». Und spielen drei gänzlich unterschiedliche Frauen. Welche steht Ihnen am nächsten?
«Transit» nach dem Roman von Anna Seghers, spielt Anfang der vierziger Jahre in Marseille und die Architektin, die ich spiele, ist wie viele andere da gestrandet, weil sie als Jüdin auf der Flucht vor den Nazis ist und verzweifelt auf ein Visum für die Vereinigten Staaten wartet. Das bedarf einer ganz anderen Vorbereitung, ich hatte nur wenige Szenen, um diese Frau und ihr ganzes Leben zu zeigen. Bei «Vakuum» konnte ich hingegen gemeinsam mit meinem Filmpartner Robert Hunger-Bühler und unserer Regisseurin Christine Repond die Geschichte Stück für Stück erarbeiten. Es war eine grosse Herausforderung – seelisch und körperlich. Im Film von Sandra Nettelbeck wiederum haben die Figuren alle etwas Schräges. Das Alltagsleben wie es meine Filmfigur Loretta hat, kenne ich, auch beispielsweise die Pubertät, wenn die Kinder ihre Grenzen austesten, die Eltern manchmal hassen und man sich als Mutter fragt, was habe ich nur getan? Und hofft, dass es vorbeigeht...

Diese Frau Loretta, die Sie hier spielen, steht am Scheidepunkt – zwischen Ex-Mann und Liebhaber. Wagt sie einen Neuanfang?
Na ja, natürlich fragt sie sich: Lasse ich mich mit über fünfzig nochmals auf so etwas ein, auf so eine Beziehung? Das kostet Mut, einen Neuanfang entgegen aller gesellschaftlichen Konventionen zu wagen.

Haben Sie sich für diese Loretta eine Biographie zurechtgelegt?
Das tut man immer.

In welche Richtung geht denn Loretta schlussendlich?
Sie wird es wagen mit dem jungen Mann, er ist trotz ihrer Ablehnung beharrlich und meint es ernst. Aber es ist keine leichte Entscheidung, denn der Geliebte ist fünfzehn Jahre jünger als sie. In fünfzehn Jahren ist sie schon fast eine alte Frau. Und darüber macht sie sich natürlich Gedanken

Sandra Nettelbecks Film ist verwickelt, komplex und vernetzt. Man muss aufpassen: Wer mit wem, was ist Wunsch, was Wirklichkeit. Am Ende kommt beides zusammen.
Ja, das stimmt. Ich war erstaunt und beglückt, dass es so zu Ende geht. Beim Lesen des Drehbuchs war das noch nicht so eindeutig.

Wie haben Sie den Film erlebt?
Wir hatten vor Drehbeginn eine wunderbare Leseprobe, wo alle Schauspieler zusammenkamen und man sich gegenseitig zuhören konnte. Es ist ein Ensemblefilm und dennoch hat jeder immer nur mit denselben zwei, drei anderen Kolleginnen/en zu tun, weil es so viele parallele Geschichten gibt. Die einzige Figur, die zu allen eine Beziehung hat, ist Max, der Psychotherapeut, gespielt von August Zirner. Deshalb ist es jetzt für uns besonders spannend, all die anderen und ihre Geschichten auf der Leinwand zu sehen.

Wie sehen Sie sich als Loretta in diesem Netzwerk verschiedener Beziehungen?
Loretta ist die Konstante in Max’ Leben. Sie sind durch die gemeinsamen Töchter immer miteinander verbunden. Und sie kennen einander besser als sonst jemand. Beim Lesen des Drehbuchs dachte ich, Loretta sei die normalste Figur von allen, weil sie so im Alltagsleben feststeckt. Aber dann merkte ich, dass sie ebenfalls sehr speziell ist. Auch sie sagt Dinge, die man allenfalls denkt, aber eigentlich nicht ausspricht.

Haben Sie sich in manchen Situationen im Film wiedererkannt?
Manchmal, beispielsweise manche Gespräche mit dem Vater meines ältesten Sohnes waren recht ähnlich. Wir sind lange getrennt und dennoch hat uns auch immer die gemeinsame Sorge und Liebe zu unserem Kind verbunden. Und wir konnten uns diesbezüglich immer aufeinander verlassen. Mein jüngster Sohn wiederum, er ist 15, pubertiert ebenfalls gerade. Nicht so exzessiv wie in unserem Film, aber auch mit allem Drum und Dran.

Den Filmtitel «Was uns nicht umbringt» ergänzt man automatisch mit «…macht uns stark». Ist Ihnen das auch so ergangen?
Ja, ich habe den Satz auch so zu Ende gesprochen, das tut jeder. Sandra Nettelbeck, unsere Regisseurin, ergänzt es anders: Das macht uns klüger, macht uns froh… Sie meint es positiver, leichter.

Der Film wurde in Mitteilungen als Komödie taxiert. Das stimmt doch nicht, es handelt sich um einen Beziehungs- und Liebesfilm.
Ich finde das albern, dass immer ein Etikett aufgeklebt werden muss, um den Film besser zu vermarkten. Sie haben Recht, das stimmt in diesem Fall so nicht.

Sie sind in Konstanz geboren, welche Verbindung haben Sie noch zum Bodensee?
Meine Schwester wohnt noch in Konstanz, sowie eine Tante, und meine Verwandtschaft väterlicherseits leben in der Höri. Öfter als zwei mal im Jahr bin ich aber leider nicht am See.


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Veröffentlicht November 2018