Dreharbeiten Anfang der Neunzigerjahre in Nebraska: Karl (Carl) Saurer (rechts) mit Kameramann Franz Kälin (Mitte) und Tontechniker Martin Koerber, heute Leiter des Film-Archivs der Kinemathek Berlin.

Hommage an Karl Saurer

Er war Kulturschaffender, Autor, Fussballer, Fan, Filmemacher, Freund. Der Einsiedler Karl Saurer, Weltenbürger und Menschenfreund, starb im März 2020. Der Mensch, seine Umwelt, seine Zeit, die wirtschaftliche wie menschliche Situation haben ihn ein Leben lang interessiert, haben ihn getrieben. Dafür hat er sich eingesetzt, in Wort und Bild.

Sein Dokumentarfilm über den Sihlsee und seine Menschen. «Der Traum vom grossen blauen Wasser» (1993) war ein Heimat-Poem aus «Fragmenten und Fundstücken einer Hochtal-Geschichte» (so der Untertitel). Vom Sihlsee reiste Karl Saurer nach Amerika, nach «Steinauer Nebraska» (1997), begleitet von Co-Writerin und Lebensgefährtin Elena M. Fischli. Er tauchte in die Vergangenheit und fand Gegenwärtiges. Saurer hatte die Spuren Schwyzer Auswanderer aufgenommen, die im 19. und 20. Jahrhundert ihre Heimat wegen Armut, Perspektivlosigkeit, aber auch infolge des Sihlsee-Stausees (1937) verlassen hatten. Diese seine Geschichten um Gewinn und Verlust verdichten sich zum komplexen Umweltpoem. Lyrische, indianische Texte aus dem Off oder Briefpassagen werden mit Aussagen alteingesessener oder junger Landbesitzer und Historiker verknüpft zu einem mosaikartigen Zeitdokument.

Ihm zu Ehren zeigen die 56. Solothurner Filmtage seinen Film «Steinauer Nebraska» am Samstag, 24. Januar, ab 12 Uhr (den Solothurner Livestream für drei Tage). Ebenfalls am Samstag findet ein Filmgespräch statt mit Lebensgefährtin Elena Hinshaw-Fischli und Weggefährte Küde Meier, der viele seiner Filme begleitet hat.
Saurers Film (75 Minuten) umfasst quasi 150 Jahre und folgt den Spuren dreier Brüder, die 1852 von Einsiedeln in den Mittleren Westen ausgewandert sind. Eine Geschichte auch von Schweizer Wirtschaftsflüchtlingen.
Anlässlich der Premiere 1997 meinte Karl Saurer zu seinem Film: «In zwei grossen gegenläufigen Spiralbewegungen – der 'weissen' und der 'roten' Geschichte – erklingen in immer anderer Modulation zwei Leitmotive: Migration und der Umgang mit dem Boden und dessen Ressourcen. Im Hintergrund gesellt sich ein drittes Motiv hinzu: das der Geschichtsbetrachtung. Geschichte verstehe ich nicht als lineare Entwicklung, sondern als komplexes, mehrstimmiges Gebilde.»

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Veröffentlicht Januar 2021