Erste Kinorolle, erster grosser Auftritt: Valentin Postlmayr (links) verkörpert Oskar Kokoschka und brennt … Die Wiener Kunstszene hautnah: Der Österreicher Dieter Berner lässt zwei Ikonen des Kulturbetriebes Anfang des 20. Jahrhunderts aufeinanderprallen: Alma Mahler und Oskar Kokoschka. (Bild: rbr)


Interview Valentin Postlmayr

Prometheisches Feuer

Das Interview mit Regisseur Dieter Berner finden Sie weiter unten.
Zur Filmkritik «Alma & Oskar»

Er ist ein aufsteigender Stern am Kinohimmel: Der österreichische Theaterschauspieler Valentin Postlmayr (30) beweist sich nun erstmals auch im Kino als Oskar Kokoschka. Im Schweizer Spielfilm «Jakobs Ross» wird er den Titelhelden spielen (Kinostart: 2024). Unter Regie von Katalin Gödrös. In dieser Schweizer Emanzipationsgeschichte im 19. Jahrhundert sind auch Luna Wedler und Max Hubacher von der Partie.

Wie sind Sie zu der Kokoschka-Rolle gekommen?
Valentin Postlmayr: Ich hatte vor vier Jahren das erste Casting und wurde abgelehnt. Dieter Berner macht aufwendige Castingaufnahmen und überprüft sie dann auf einer Big Screen. Er hat mich später im Sommertheater als Romeo gesehen und mich nochmals gecastet.

Hatten Sie mit ihm schon mal gearbeitet?
Nein, aber meine Frau Maresi Riegner kannte ihn. Schlussendlich habe ich dann die Rolle bekommen, aber es dauerte ein Jahr bis zum Drehstart 2021.

Kennen wir Ihre Frau aus dem Kino?
Sie hat im Film «Monte Verità» von Stefan Jäger die Hauptrolle gespielt - als Hanna Leitner, die Frau, die als Fotografin im Sanatorium Monte Verità ihre Selbstbestimmung und Identität fand.

Wie haben Sie sich an Oskar Kokoschka herangearbeitet?
Von der Schule her kannte ich wohl Kokoschka, konnte aber nicht viel mit ihm anfangen. Bei tieferer Auseinandersetzung mit seinem Leben, Werk und der revolutionären Denkweise seiner Zeit habe ich erst verstanden, weshalb er als solch grosser Künstler gehandelt wird.

Sie haben sich also in ihn hineingesehen und gelesen …
Ja, in einer Biografie beschreibt er, wie er geboren wurde. Da gab es offensichtlich einen grossen Scheunenbrand, und er hat diesen Brand als Prometheisches Feuer bezeichnet, das auch in ihm brannte. Und so war ich auch bei den Proben auf der Suche nach meinem Prometheischen Feuer.

Was war für Sie bei der Darstellung die grösste Herausforderung?
Ich wollte mich nicht zu sehr mit der Erwartungshaltung aufhalten. Da Kokoschka ein bekannter grosser Künstler ist, haben viele Menschen ein gewisses Bild von ihm. Das grösste Geschenk für mich war, das Vertrauen von Dieter und Hilde zu bekommen. Dem wollte ich gerecht werden. Es war grossartig, dass sie in mir schon den Kokoschka sahen, als ich ihn noch nicht gesehen hatte.

Wie sind Sie mit Ihrer Gegenspielerin Emily Cox ausgekommen?
Sie war nie eine Gegenspielerin, sondern grossartige Filmpartnerin. Ich hatte wirklich grosse Glück mit ihr – bei meiner ersten Kinohauptrolle. Es war sehr wichtig, grossen Vertrauen bei den intimen Szenen zu haben.

Wie haben Sie sich dem Zeitgeist um die Jahrhundertwende genähert?
Ich habe Vorarbeit geleistet, indem ich Bücher gelesen habe wie Stefans Zweigs «Die Welt von gestern». Es war schon viel historisches Wissen bei mir vorhanden, auch weil mich die Zeit sehr interessierte. Die Kultur war so reich wie noch nie. Sie war geprägt von vielen revolutionären Charakteren, von viel Fortschritt. Gleichzeitig war so viel Frustration im Umlauf, so dass viele fortschrittlichen Gedanken nicht umgesetzt werden konnten. Deswegen wollten einige Intellektuelle auch den Krieg, weil sie ihn als Form des Erneuerungsprozesses gesehen haben. Die Bilder von Kokoschka vor dem Ersten Weltkrieg sind nicht zu vergleichen mit solchen nach dem Krieg.

Wie schätzen und beurteilen Sie Ihren Gegenpart Alma?
Sie ist eine Frau, die versucht hat, im Rahmen ihrer Möglichkeiten ein reichhaltiges Leben zu leben, sich nicht den Konventionen zu ergeben. Sie sagt nicht: Ich kann nicht, ich werde nicht, sondern ich mache. Ich bin keine Beute, kein Opfer.
Es stimmt für Alma und Oskar. Der letzte Moment des Films ist ihr Blick in die Kamera. Sehr schön, als wollte sie sagen: Ich werde nicht nur beobachtet, sondern ich sehe auch selbst, sehe euch, wie ihr mich seht.




Valentin Postlmayr
 
Geboren am 2. Februar 1993 in Wels, Österreich
Studium seit 2013 am Konservatorium Wien Privatuniversität, zusammen mit Maresi Riegner, Lebenspartnerin.
2017 Wiener Volkstheater, Schauspielhaus Wien.
2018/19 Akademietheater.
2029/20 Landestheater Niederösterreich (als Brunhild in den «Nibelungen»)
2020 TV-Serie «Letzter Wille»
2021 «Alma & Oskar»
2022 «Jakobs Ross»
2023 «Tatort: Was ist das für eine Welt»




Interview mit Dieter Berner über sein Künstlerdrama «Alma & Oskar»


Eine Frau sprengt den Rahmen


Den österreichischen Regisseur und Schauspieler Dieter Berner (78), nicht verwandt oder verschwägert mit dem Schweizer Fussballtrainer Bruno Berner (neu GC), hat es die Kunstwelt angetan. Nach «Egon Schiele: Tod und Mädchen» (2016) stehen zwei andere Persönlichkeiten im Brennpunkt seines Spielfilms: Alma Mahler-Werfel (1879–1964) und Oskar Kokoschka (1886–1980). Ein Film über Lust und Leidenschaft, Possession und Befreiung: «Alma & Oskar».
Sie war verheiratet mit dem Komponisten Gustav Mahler, der 1911 starb. Er war ein aufstrebender Maler, der sich in die selbstbewusste Frau Alma Schindler verliebte. Die kurze heftige Liaison zwischen der Muse und dem Künstler Kokoschka ist das zentrale Thema des Films «Alma & Oskar». Wir sprachen mit dem Regisseur Dieter Berner über sein Drama, in dem zwei unterschiedliche Charaktere und Lebensentwürfe aufeinanderprallten.

Vorweg, der Film «Alma & Oskar» ist eine internationale Produktion. Sie haben auch im Industrieviertel Walzmühle zu Frauenfeld gedreht. Welche Szenen denn?
Dieter Berner: Alle Szenen, die in Kokoschkas Atelier spielen. Die Schweizer Szenenbildnerin Su Erdt hat da übrigens ausgezeichnete Arbeit geleistet.
 
Österreichische Geschichte und Persönlichkeiten haben Sie immer wieder interessiert. Beispiel «Egon Schiele: Tod und Mädchen». Was hat Sie an der Affäre Mahler – Kokoschka gereizt?
Bei Schiele ist er der Don Juan, der die Wally benützt. Hier ist es umgekehrt: Sie ist der Don Juan und Kokoschka der Liebende.

Alma Mahler lässt sich nicht zur Beute machen, sie ist Mittäterin.
Damit treffen Sie genau den Nagel auf den Kopf. Es gibt das Narrativ von der Liebe in uns allen. Das schlummert in uns. In Wirklichkeit ist das Gesicht der Liebe sehr vielfältig, und es gibt sehr unterschiedliche Beziehungen. Ich komme vom Theater und mich interessiert die Vielfältigkeit des menschlichen Charakters, die Reichhaltigkeit und Komplexität von Beziehungen, die man erzählen kann.

Was diente als Grundlage?
Briefe Kokoschkas, Tagebücher und Memoiren von Alma Mahler beispielsweise. Auch weil beide sich gern in der Öffentlichkeit inszenierte haben, gibt es wahnsinnig viel Material über diese beiden Menschen. Das gab uns auch die Möglichkeit, eine Liebesgeschichte mit vielen Wendungen und Fassetten und dunklen Seiten zu zeigen.

Ihr Film zeigt viel körperlichen Einsatz des Liebespaares …
Ein Film spielt sich auch auf der Haut ab. Man sieht den Film nicht nur, man spürt ihn auch. Ich bin ein 68iger, und Sexualität war damals nicht nur ein Ausdruck von Befreiung, sondern auch von Individualität und wurde auch als Kommunikation verstanden, sich mit anderen Menschen zu verbinden. Das hat es auch nach der Jahrhundertwende, also nach 1900, gegeben.

Diese Zeit ist prägend, sie hat die Moderne eingeläutet mit Künstlern wie Schiele, Klimt, Kokoschka oder Gropius. Sind Sie deshalb nochmals in diese Zeit eingetaucht?
Meine Frau Hilde Berger, die ein Avantgardetheater in Wien gegründet hatte, hat einmal für die Festwochen an der Rekonstruktion des Stückes «Mörder – Hoffnung unter Frauen» (1909) von Oskar Kokoschka gearbeitet, dabei ist sie auf das Thema Alma Mahler und Oskar Kokoschka gestossen. Das hat sie fasziniert, und so hat sie den Roman «Die Windsbraut» geschrieben. Die Verfilmung ist nicht zustande gekommen. Ihr Schiele-Roman und mein Film kamen beim Publikum so gut an, dass man uns gefragt hat, ob wir nicht … Jetzt war die Zeit reif für Kokoschka und Alma.

Ihre Frau hat daran massgeblich mitgearbeitet. Wie muss man sich das vorstellen?
Sie hat ein gutes Gefühl für Plots. Mein Beitrag ist, dass ich einerseits erkenne, was gut funktioniert, und andererseits weiss, was filmisch dankbar ist und umgesetzt werden kann. Da kommen zwei Kompetenzen zusammen, die sich ergänzen.

Sie haben sich auf eine kurze Episode von 1911 bis 1915 konzentriert. Reizt es Sie nicht, die Geschichte auszuweiten, beispielsweise in einer Serie?
An Serien haben wir nie gedacht. Uns interessiert das Kinoerlebnis.
 
Gab es verschiedenen Entwürfe für die Schlussszene?
Es gab verschiede Spielarten, aber uns war immer klar, dass die Szene mit der Puppe den Schluss der Geschichte markiert. Am Anfang fragt sie: «Soll ich deine Puppe sein oder Olympia?» Am Schluss hat er sie zur Puppe gemacht, zur Puppe, die sie nicht sein will. Sie wendet sich ab und geht weg.

Ihr Film widmet sich einer Frau, die den Rahmen der Gesellschaft sprengt. Sie ist eine Ausbrecherin ...
Sehr gut. Das wollten wir, das sollte sein. Wir wollten aber auch den Mann nicht zum Arschloch machen. Das Bedürfnis des Mannes, diese Frau zu besitzen, wollten wir auch behandeln.
 
 
 


Dieter Berner
Geboren am 31. August 1944 in Wien (Löwe)
Schauspieler, Film- und Theaterregisseur, Drehbuchautor
Inszenierungen u.a. am Theater Neumarkt Zürich, Volkstheater Wien
Filme (Regie) u.a. «Berliner Reigen» (2006), «Egon Schiele: Tod und Mädchen» (2016). Diverse TV-Filme und Serien («Die Alpensaga», 1976–1980, «Auf eigene Gefahr», 1992–1993, sieben Teile plus Pilot, 1995 vier Teile plus Pilot, 4 «Tatorte» und mehr)


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Veröffentlicht Juli 2023