Spezielle Einblicke: Anka Schmid – Autorin, Filmerin, Künstlerin (Bild: rbr)


Eine haarige Angelegenheit

Sie ist seit über 30 Jahren aktiv als Künstlerin, Ausstellerin, Autorin und Filmerin. Die Zürcherin Anka Schmid zeigte vor vier Jahren den animalischen Dokumentarfilm «Wild Women – Gentle Beasts», schuf 2017 den widerborstigen Filmessay «Haarig», den man nun auch zwischen den Händen halten kann – als Buch mit vielen Geschichten vom feinsten Körperteil: «Haarig! Revolte, Magie, Erotik».

Ein Bikini, schön drapiert, hängt an der Wand. Badetücher sind ausgelegt. Gucklöcher animieren zu voyeuristischen Einblicken. Nixen, die sich synchron im Wasser formieren, Spiegelungen und Reflexionen. «Bade-Anstalt» nannte sich vieldeutig und verschmitzt Anka Schmids Kleinstausstellung 2015, ein Environment auf engem Raum mit Videos, Wasser und Objekten. Die Künstlerin hatte sich dazumal mit der bekannten Anstalt zum Baden und mehr befasst, wo sich Menschen ausstellen, begegnen, wo Mann und Frau verschiedene Assoziationen, vielleicht auch Begehrlichkeiten geweckt werden. Verschmitzte vielsagende Ein- und Aussichten.

Seit 1986 hat sie Trick- und Spielfilme («Hinter verschlossenen Türen»), Kurz- und Dokumentarfilme wie «Magic Matterhorn» (1995), «Mit dem Bauch durch die Wand» (2011) oder «Wild Women – Gentle Beasts» (2015) realisiert. Seit geraumer Zeit, eigentlich seit Geburt gilt ihr Interesse dem Menschen, seinen Eigenarten, seinem Körper. «Ich kam auf Mutters nacktem Bauch. An ihrem Busen gab es Verpflegung», erzählt sie. «Dann landete ich auf den behaarten Armen meines Vaters: ein wohliges Spüren und Fühlen von Haut und Haaren.» Das hat sie nicht mehr losgelassen, das Haarige, das Pelzige, das Kribbelige. Und so hat sie Mannigfaches gesammelt um den feinsten menschlichen Körperteil, die Haare. Sie sind Bestandteil und Ausdruck eines Menschen, können zum Statement werden, dienen zur Verschönerung, Charakterisierung oder sind Zeichen einer Zugehörigkeit. «Durch mein ganzes Leben habe ich verschiedenste Politik- und Kulturbewegungen verfolgt, die sich immer auch durch ihre Haarpracht definierten, sei es in punkigen Frisuren, zotteligen Rasta-Mähnen oder perfekten Hipster-Bärten», erinnert sich die Filmerin und Autorin. «Denn unsere Haare sind nicht einfach Natur, sondern Teil der Kultur und gestaltbar.»
 
So entstand ein vielsagendes, buntes haarsträubendes Kompendium, angereichert und geschmückt mit Bildern, Zeichnungen, Schmuckstücken und Arrangements. Man findet Pippi Langstrumpf und ihre rote Zöpfe, den Brustpelz eines Sean «007» Connery, Bob Marleys Zottelkopf, nackte Demonstranten, den Denker Karl Marx oder die Pilzköpfe aus Liverpool. Mal werden Haarsträhnen zu Gesichtern drapiert, erscheinen Charlie Chaplins oder Dalis Schnauz, mal tauchen Haarmuster, Verkleidungen und Verfremdungen der Autorin selber auf. Eine Fundgrube mit unzähligen Assoziationen, Spiegelungen und Zeitzeichen.
Ihre Filme wie auch das haarige Sammelwerk sind nicht nur Spiegelbilder von Persönlichkeiten, Figuren, Menschen, sondern nehmen Bezug, verweisen, verweilen, vertiefen.

Ein Buch vermittelt überraschende Einsichten, zieht witzige Querverbindungen und macht einfach Spass. Es entstand in Zusammenarbeit mit dem Journalisten Bern Müllender, der sich besonders den Aspekten Medizin, Sport, Volkskunst und Alltag gewidmet hat. Das reizvolle Kompendium ist nicht an den Haaren herbeigezogen, sondern bietet sichtbare Tatsachen. Es finden sich zwar unzählige Haare, aber keines in der Suppe. Das Buch trifft das Thema haarscharf, beschert kleine oder grössere Weisheiten wie: «Es ist kein Haar zu klein, dass es nicht seinen Schatten hat», «Lieber Haare auf den Zähnen als gar nichts zu beissen», «Auch wenn ein Geschäftsmann keine Haare mehr hat, kann er Bücher frisieren» oder «Wer die Wahrheit frisiert, muss Haare lassen».

«Beim Barte des Propheten» – im Haar steckt mehr als ein feines Körperteil, Anka Schmid sei Dank. Und die zieht fast schon lakonisch persönliche Bilanz: «Ich habe meine ersten grauen Haare bekommen und färbe auch sie rot oder blond. Aber selbst versteckt läuten die grauen Haare eine neue Lebensphase ein. Meine biologische Uhr tickt. Aus grau meliert wird grau und schliesslich weiss – die Flausen im Kopf bleiben.»

Anka Schmid & Bernd Müllender «Haarig! Revolte, Magie, Erotik. Geschichten vom feinsten Körperteil», at Verlag 2019, 45 Franken.

Interview zum Buch «Haarig!» am Donnerstag, 20. Juni, Radio DRS 2

Ausstrahlung des Films «Haarig» am Sonntag, 4. August, 11.55 Uhr SRF 1


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Veröffentlicht Juni 2019