Ufer und Zeiten überbrücken: der Schweizer Othmar H. Ammann schuf Brückenkunstwerke in und um New York. Oben: Elegante Spannung – Die Hängebrücke Bronx-Whitestone in New York. (Frenetic Films)
Artist in Steel –
Ein Brückenbauer aus der Schweiz
Vor gut 100 Jahren brach er von der Schweiz auf, um sich in den USA zu verwirklichen: Der Zürcher Othmar H. Ammann, hierzulande fast vergessen, hat imposante Bauwerke geschaffen: Er ist der Brückenbauer von New York. Bei der Recherche für das arte-Projekt «Unsung Heroes» ist der Zürcher Martin Witz (63) auf diesen Ingenieur und Architekten gestossen, der wie kein zweiter die Brückenlandschaft in und um New York geprägt hat. «Unbesungener Held» – ein treffender Titel für diesen Pionier der Architekturkunst. Marti Witz («Dutti der Riese») zeichnet seinen Weg nach, hat sich auf seine Spuren begeben und ist über mehr als sieben Brücken gegangen (gefahren)…
Der Schweizer Ammann ist 1904 ausgewandert, hat sich hochgearbeitet zum innovativen «Chef-Gehilfen» beim Architekturbüro Gustav Lindenthal in New York (1912–1923) und wurde selbständigen Brückenplaner und -bauer. Zehn Monate nach der Eröffnung der Verrazzano-Narrows Bridge, welche die Stadtteile Staten Island und Brooklyn verbindet, stirbt Ammann 1965. Diese Brücke, benannt nach dem italienischen Seefahrer Giovanni da Verrazzano, der als erster Europäer, die New Yorker Bucht ansegelte, ist mit ihren knapp 1300 Metern Länge bis heute die längste Hängebrücke Amerikas.
Allein sieben grosse Brücken hat der Schweizer in New York gebaut, wie die George Washington Bridge (1931), die Bronx Whitestone Bridge (1939) oder Throgs Neck Bridge (1954) beispielsweise. Meisterwerke der Baukunst – elegant, modern und im Plan, das heisst termingerecht und ohne Kostenüberschreitung wie heutzutage üblich.
Othmar H. Ammann war als «Artist of Steel» bekannt für seine Visionskraft, Präzision, Ausdauer und Beflissenheit. Wenn man so will: ein lebendiges und legendäres Beispiel für Schweizer Wertigkeit, Sachlichkeit und Kreativität. Dass diese Arbeit oft gegen Willen der Bevölkerung (die bei manchen Projekten umgesiedelt werden musste) und gegen politische Widerstände durchgesetzt wurde, dokumentiert der Film von Martin Witz ebenso wie die Katastrophe der Tacoma Narrows Bridge, vom Ammann-Freund Leon Moisseiff erbaut, die 1940 einstürzte. Dieses Bauwerk schwankte nicht nur, auch die Asphaltdecke wurde zur Welle. Unglaubliche Bilder zeigen dieses Phänomen.
Filmer und Autor Witz hat nicht nur tief in den Archiven gegraben (der ganze Ammann-Nachlass wird von der ETH Zürich bewahrt) und spannende Filme und Bilddokumente ans Licht befördert, sondern auch Originaltexte integriert und Zeitzeugen eingespannt. Es sind Betroffene wie Edward Cohen, dazumal CEO des Büros Ammann & Whitney, Ammanns Tochter Margot Ammann Durrer (die 2010 gestorben ist) oder Rechtsanwalt Andrew L. Sichenze hatte die Aktivistengruppe vertreten, die gegen den Bau der Verrazzano-Narrows Bridge protestiert hatte. Am eindrücklichsten sind die Statements des «Mohawk Skywalker» Alex Mayo, der einst auf der Narrows-Brücke in schwindelnder Höhe gearbeitet hatte, und der Mohawk Senior Lady Laura Norton, die wie andere starke Frauen den Indianerstamm zusammenhielt und formte. Sie sind stolz, am Bau dieser Brückenkunstwerkes beteiligt gewesen zu sein – jeder in seinem Bereich.
«Gateways to New York» ist nicht nur die Würdigung des kühnen, fortschrittlichen Brückenbauers Ammann und ein Dokument grandioser Baukunst, sondern auch ein Zeitbild über Motorisierung und Mobilisierung, Urbanisierung und Beschleunigung. Bilder (Kamera: Patrick Lindenmaier) und Worte fügen sich zu einem Panorama über Menschen und Werke (Schnitt: Stefan Kälin).
Was könnte diese spannende Dokumentation besser beschreiben als die Worte Othmar H. Ammanns: «Lange Zeit glaubte ich, die meisten Brücken seien schon gebaut. Wie konnte auch jemand voraussehen, dass die Automobilisten einmal die grössten Brückenbauer aller Zeiten würden!»
Schweiz 2019
89 Minuten
Buch und Regie: Martin Witz
Kamera: Patrick Lindenmaier
Mitwirkende: Alex Mayo (Mohawk Skywalker), Edward Cohen (CEO bei Ammann & Whitney), Laura Norton (Mohawk Senior Lady), Margot Ammann Durrer
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