Wonderstruck

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Zwei Leben berühren sich nach 50 Jahren: Zwei Kinder auf der Suche, Rose (Millicent Williams, oben) Anno 1927 und Ben (Oakes Fegley, unten Mitte) im Jahr 1977. Wichtige Verbindungsfiguren sind ein Stummfilmstar und eine Museumskuratorin (beide von Julianne Moore gespielt, unten rechts). (Pathé Films)



Spurensuche über 50 Jahre


Man könnte sich schon fragen: Bin ich im falschen Film? Wie geht das zusammen: Ein Schwarzweissfilm im Stummfilmstil und ein Farbfilm in den Siebzigerjahren? Die Geschichte: Das Mädchen Rose sucht ihren Stummfilmstar in New York um 1927, der Junge Ben sucht seinen Vater 1977 ebenfalls in Big Apple. Zwei Epochen, zwei Schicksale, ein Film.
Todd Haynes (Ehren-Leopard in Locarno 2017) hat das Jugendbuch «Wonderstruck» (Wunderlicht) von Brian Selznick, der auch das Drehbuch schrieb, fürs Kino adaptiert. Eine Geschichte über verschiedene Zeiten und Schicksale, die sich berühren. Er zeichnet einen Erzählstrang als Stummfilm (schwarzweiss), den anderen als Farbfilm (Siebzigerjahre). Das Springen zwischen den Epochen und den parallel erzählten Geschichten mögen anfänglich irritieren und verwirren. Doch je länger, desto dichter führen die Handlungsstränge zusammen: in New York. Das hat einen gewissen Reiz, stört aber bisweilen die Stimmung, den Zauber dieser Findungsgeschichte. Das Märchen wird am Ende etwas kitschig und herzig.
Zwei Kinder, beide gehörlos, sind auf der Suche. New Jersey 1927, die zwölfjährige Rose (Millicent Simmonds, tatsächlich gehörlos) himmelt Stummfilmstars an. Sie nimmt Reissaus Richtung New York, um ihre Favoritin Lillian Mayhew (Julianne Moore), ihre Mutter, leibhaftig zu treffen und ihren älteren Bruder Walter (Cory Michael Smith) wiederzusehen. Ein Fremder führt sie ins Naturhistorische Museum. Ein magistraler Beziehungsort, wo die Geschichten, die 50 Jahre auseinanderliegen, zusammenlaufen.

Ben (Oakes Fegley) hat seine Mutter und sein Gehör verloren – bei einem Blitzschlag. Er macht sich 1977 auf, seinen Vater in New York zu finden. Er besitzt nur einen winzigen Hinweis, eine Widmung in einem Buch, das aus dem Buchladen «Kincaid Books» stammt. Ein schwarzer Jung, Jamie (Jaden Michael), mit dem er auf der Strasse zusammenstösst, nimmt sich des Gehörlosen an, führt ihn ins Naturhistorische Museum, wo sein Vater arbeitet und wo Ben auf bekannte Bilder und Wolfsszenen stösst. Jamie, der in Ben einen Freund sieht, lotst ihn zum Buchladen. Doch alle Wünsche, Träume und Verbindungen fliessen erst bei einer Vereinigung im gigantischen Diorama New Yorks zusammen, das für die Weltausstellung 1964 geschaffen wurde.

Es ist diese Mischung, aus der Film «Wonderstruck» seine Magie bezieht: Märchen, Visionen und Wirklichkeit, sehr verschiedene Zeiten, aber dieselben Bedürfnisse, nämlich Zuneigung und Erfüllung, Freundschaft und Wärme zu finden. Eine gewisse Poesie kann man dieser Verfilmung nicht absprechen, auch wenn manche Sequenzen etwas ausgedehnt scheinen (117 Minuten). Das Tüpfelchen auf dem i ist der Soundtrack. Da hören wir anfangs «Major Tom» (aus David Bowies «Space Oddity») und am Ende Richard Strauss («Also sprach Zarathustra»). Erinnern Sie sich an Kubriks «2001: A Space Odyssey» - eben.


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USA 2017
117 Minuten

Regie: Todd Haynes
Drehbuch: Brian Selznick
Kamera: Edward Lachman

Darsteller: Oakes Fegley, Michelle Williams, Millicent Simmonds, Julianne Moore, Morgan Turner, Jaden Michael


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