Thelma

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Traum oder Wirklichkeit? Thelma (Eili Harboe) entwickelt erschreckende Kräfte. (Outside the Box)



Befreiungsakt


Eine irritierende Szene: Ein junges Mädchen begleitet ihren Vater auf der Jagd im Winter. Ein Reh taucht auf, wie zum Abschuss präsentiert. Doch der Vater schwenkt sein Gewehr auf die Tochter. Schnitt. Erst gegen Ende wird dem Zuschauer klar, welcher Gedanke, welche Absicht dahinter steckte. Jahre später. Die Tochter Thelma (Eili Harboe), unter der «Knute» rigoroser Religiosität ihrer Eltern aufgezogen, darf nach Oslo ziehen, um zu studieren. Scheu und unerfahren lernt sie die Studentin Anja (Kaya Wilkins) im Lesesaal kennen und verliebt sich. Thelma hat ein Handicap, sie wird plötzlich von Anfällen heimgesucht. Wie sich später herausstellt, leidet sie an psychogener Anti-Epilepsie. Das sind epilepsieähnliche Anfälle, bei denen man vorübergehend die Kontrolle über den Körper verliert. In gewissen Situationen, bei starken Gefühlen und Ausbrüchen, setzt Thelma irrationale Kräfte frei, kann Menschen verschwinden lassen. Thelma ahnt Böses und geht diesem Phänomen nach, um es zu begreifen, zu kontrollieren und stösst auf ihre Grossmutter, welche die Eltern vor ihr verheimlicht und versteckt haben. Dann verschwindet Anja wie damals Thelmas Bruder. Hat Thelma ihre Hände im Spiel, ist sie auch daran schuld, dass ihre Mutter im Rollstuhl sitzt?

Der Norweger Joachim Trier, nicht verwandt mit dem bekannten dänischen Filmer Lars von Trier («Melancholia», «Nymphomaniac»), entwickelt einen Mysterythriller zwischen Psycho- und Coming-of-Age-Drama, Liebes- und Horrorfilm. Seine zwielichtige Heldin Thelma, intensiv verkörpert von Eili Harboe, ist einerseits ein braves frömmelndes Mädchen, vom Vater unterdrückt, andererseits eine Furie mit übernatürlichen Kräften und verheerenden Wirkungen. Thelma versucht sich zu lösen – von den Eltern, ihrer Vergangenheit, den eruptiven Anfällen und Kräften. Ein Kinotripp trotz überirdischen Ausschlägen ohne Hokuspokus, wohl aber mit aufwühlenden Gefühlen und Assoziationen.



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Frankreich, Schweden, Dänemark, Norwegen 2017
116 Minuten

Regie: Joachim Trier
Drehbuch: Joachim Trier, Eskil Vogt
Kamera: Jakob Ihre

Darsteller: Eili Harboe, Kaya Wilkins, Henrik Rafaelsen


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