Plan 75

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Lebensfroh: Die 78jährige Seniorin Michiko (Chieko Baishõ) fasst Vertrauen zur Telefonistin Yôko (Yuumi Kawai), die für den «Plan 75» wirbt. (First Hand Films)

 

Ausscheiden wird belohnt

 
Die Überalterung ist eine Tatsache. In Japan leben über 90 000 Hundertjährige. Alte Menschen stehen unter Druck – sozial und gesellschaftlich. Teilweise werden sie angefeindet. Auf diesen Tatsachen baut der Spielfilm der Japanerin Chie Hayakawa auf und setzt den «Plan 75» in Kraft, heisst: die Regierung wirbt für Sterbehilfe. Wer über 75 Jahre ist, kann freiwillig aus dem Leben scheiden, wird mit einer Abfindung belohnt und telefonisch begleitet.

Die Filipina Maria (Stefanie Arianne Akashi) hat eine Arbeit als Sterbebegleiterin angenommen, um ihrer Tochter eine Operation zu finanzieren. Berater Hiromu (Hayato Isomura) trifft auf seinen Onkel Yukio, den er jahrelang nicht gesehen hat und der jetzt das Angebot der Sterbehilfe annehmen will. Die Telefonistin Yôko (Yuumi Kaway) freundet sich mit der 78jährigen Michiko (Chieko Baishõ) an. Die alte Frau hat ihre Arbeit in einem Hotel verloren, ihre Wohnung soll abgerissen werden, Freundinnen sind verstorben. Mittellos sieht sie keinen anderen Ausweg, als sich dem «Plan 75» zu verschreiben. Yôko betreut sie quasi und schürt Funken der Hoffnung …

Ein verstörendes Szenario, auch weil Regisseurin Chie Hayakawa dicht am Heute, an der Wirklichkeit bleibt. Auslöser dieser Geschichte ist ein tatsächlicher Vorfall: Ein 26Jähriger hat im Jahr 2016 19 Menschen in einem japanischen Behindertenheim getötet – mit der Begründung, die Gesellschaft von diesen Menschen zu «befreien». Der Film entwickelt die Idee der «Befreiung» weiter – auf humane kapitalistische Art quasi. Das Ausscheiden aus dem Leben wird belohnt!

Die Filmerin hütet sich, das brisante Thema Euthanasie als Horrorszenario anzulegen. Die Menschen hier sind freundlich, empathisch, mitfühlend. Und dennoch ist die Atmosphäre beklemmend und beängstigend. Was wäre, wenn …? Einen gewichtigen Anteil an diesem gesellschaftskritischen Spielfilm hat die 81jährige Schauspielerin Chieko Baishõ, welche die «ausgemusterte» Arbeitskraft Michiko mit Würde und Überzeugung verkörpert. Eine Filmfiktion, die betroffen macht und nachdenklich stimmt.
 


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Japan 2023      
85 Minuten

Buch und Regie: Chie Hayakawa
Kamera: Hideho Urata
Darsteller: Chieko Baish, Hayato Isomura, Yuumi Kaway, Stefanie Arianne Akashi
 

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