Notre-Dame brûle

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Sie kämpfen um jeden Meter und vor allem um eine Reliquie: Die Feuerwehrmänner von Paris tun alles, um die Brandkatastrophe einzudämmen. (Pathé Films)


 

Appell und flammendes Mahnmal

 
Das Ereignis hat sich ins Gedächtnis eingebrannt: Der Brand der Kathedrale Notre Dame am 15. April 2019. Wie kam es zu dieser Katastrophe? Jean-Jacques Annaud («Im Namen der Rose») hat sich auf Spurensuche begeben, versuchte das Unfassbare, das verheerende Inferno an der Seine zu rekonstruieren und zu dokumentieren.
 
Es beginnt alles ganz harmlos, aber die Zeichen sind eindeutig. Ein Streichholz wird entzündet, Kirchenglocken tönen. Ein schwarzer Arbeiter beginnt seinen Überwachungsjob als Sicherheitskraft. Auf einer Baustelle wird achtlos eine Zigarette weggeschmissen. Um 18.17 Uhr schlägt ein Sicherheitsmelder Alarm. Der Sicherheitsbeobachter meldet ihn akkurat weiter. Doch seine Kollegen finden die Ursache nicht. Eine halbe Stunde später ist «Holland in Not», heisst werden Rauchschwaden über der Kathedrale beobachtet. Die Feuerwehrt und andere werden alarmiert. Und nun beginnt ein modernes Drama. Die Hilfskräfte kommen nicht rasch genug durch den Verkehr. Der Kirchenmann (Kustos), der wichtige Schlüssel zu den Reliquien bei sich trägt, ist in Versailles. Und bis der am Brandherd ist …

Was hier abläuft, ist so spannend wie ein Actionfilm. Regisseur und Autor Jean-Jacques Annaud verknüpft sehr geschickt Dokumentaraufnahmen (inklusive Staatspräsident Emmanuel Macron) mit Spielszenen, die für den Zuschauer kaum zu entwirren sind. Feuerwehrleute – darunter auch eine Frau! – kämpfen sich in die Türme vor, um sie zu retten. Ein Trüppchen versucht alles, um die Heilige Dornenkrone aus dem Kirchenraum zu «evakuieren», retten aber vorerst nur deren ausgestellte Kopie. Nur der Kustos Laurent Prades (Mickaël Chirinian) hat die Schlüssel zum Safe, wo die echte Reliquie, die Jesus getragen haben soll, aufgehoben wird. Wird er es rechtzeitig schaffen?
 
Der Film über «Notre Dame in Flammen» ist gespickt mit spannenden Episoden, kleinen Heldentaten. Dazu immer wieder Detailaufnahmen von berstenden Balken, brennendem Dachstuhl oder Blei spuckenden Wasserspeiern. Manche kritische Beobachter werfen Annaud vor, dass er die «Retter» glorifiziert. Doch im Gegensatz zu «normalen» Action- oder Katastrophenfilmen gibt es hier keine übergrossen Heroes, keine Supermen.

Tatsache ist, dass diese Menschen, die ihr Leben einsetzten, mit ihrem Einsatz eine noch grössere Katastrophe verhindert haben. Tatsache ist auch, dass eine Fehlerkette verheerende Folgen hatte, dass der Brand so nicht frühzeitig erkannt und bekämpft werden konnte. Der Film zeigt dies deutlich, aber auch die Betroffenheit – nicht nur der Profis am Brandherd, sondern auch der Bevölkerung und Menschen weltweit. Annauds «Notre Dame»-Drama ist keine lupenreine Dokumentation, sondern ein packendes Stimmungsbild. Sehen und mitfiebern.
 
 
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Frankreich 2022    
111 Minuten

Buch und Regie: Jean-Jacques Annaud mit Thomas Bidegain (Buch)
Kamera: Jean-Marie Dreujou

Mitwirkende: Samuel Labarthe, Jean-Paul Bordes, Mickaël Chirinian, Anne Hidalgo
 

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