A Star is born und erlischt. Eine Frau am Abgrund: Judy Garland (Renée Zellweger) lebt Leid und Leidenschaft Hand in Hand. (Pathé)
Zwischen Euphorie und Eskapaden
Sie war ein Film- und Bühnenstar in Amerika, doch ihr Stern war Ende der Sechzigerjahre am Erlöschen. Judy Garland, seelisch und physisch angeschlagen, war praktisch pleite, ausgelaugt, alkohol- und pillenabhängig, als London lockte. Notgedrungen musste sie ihre Kinder Lorna und Joey dem Ex-Mann Sidney Luft (Rufus Sewell) überlassen. Sie konnte für den Unterhalt nicht sorgen, kein echtes Zuhause garantieren und verlor praktisch das Sorgerecht. Eine Chance bot ihr Impresario Bernard Delfont (Michael Gambon) und engagierte sie für ein fünfwöchiges Gastspiel im Londoner Nachtklub «Talk oft he Town». Judy fasste Fuss, heiratete wieder in London, blühte an der Seite ihres jungen Managers und Gatten (dem fünften) Mickey (Finn Wittrock) auf.
Ihre Auftritte faszinierten, und doch mehrten sich die Zeichen des Zusammenbruchs. Assistentin Rosalyn (Jessie Buckley) versuchte, der labilen Sängerin Halt zu geben, konnte aber Abstürze nicht verhindern.
Die Künstlerin puschte sich auf, doch die Jahrzehnte hatten an ihrer Substanz gezerrt. Produktionsboss Louis B. Mayer (Richard Cordery) hatte sie als Kind und Jungstar (Darci Shaw) gefordert, zum Star getrieben und ausgebeutet. Eine beispiellose Karriere. Die Tragödie ihres Starlebens lag unter anderem in dieser Frühphase begründet. Man gönnte ihr keinen Freiraum, kein privates Vergnügen, dröhnte sie zu, setzte sie unter Druck. Schlaflosigkeit, Unstetigkeit, Alkoholabhängigkeit, Beziehungslosigkeit und Einsamkeit waren die Folge. Sie hatte nie die Kontrolle über ihr Leben.
Das «Judy»-Drama geht unter die Haut, ist drastisch, ungeschminkt, mit Rückblenden gespickt. Regisseur Rupert Goold konzentriert sich vor allem auf das letzte Lebensjahr. «Judy» ist kein Musikfilm (der erste Song wird erst nach einer Stunde vorgetragen), kein Starvehikel, keine Showhymne, sondern eine düstere, auch wehmütige Tragödie mit raren Lichtblicken. Judys Tochter Liza Minnelli (Gemma-Leah Devereux) bleibt ebenso eine Randerscheinung wie Filmpartner Mickey Rooney (Gus Barry).
Absolut brillant ist die schauspielerische und gesangliche Performance Renée Zellwegers. Sie interpretiert alle Garland-Songs selber, inklusive «Over the Rainbow». Grandios, das geht durch Mark und Bein. Den Golden Globe hat sie schon bekommen, nun ist sie eine heisse Favoritin bei der Oscar-Verleihung im Februar. Renée Zellweger, Hollywood-Star mit Schweizer Wurzeln, bietet eine sensationelle Performanceleistung als Schauspielerin und Sängerin in «Judy», dem tragischen «Abgesang» auf Judy Garland («The Wizard of Oz», 1939), die bereits als 16-jährige grosse Filmerfolge («Zauberer von Oz») und dem Songklassiker «Over the Rainbow» feierte. Sie starb 1969 in Chelsea an einer Überdosis Schlaftabletten – mit 47 Jahren.
USA 2019
118 Minuten
Regie: Rupert Goold
Drehbuch: Tom Edge
Kamera: Ole Bratt Birkeland
Darsteller: Renée Zellweger, Finn Wittrock, Rufus Sewell, Michael Gambon, Jessie Buckley, Richard Cordery
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