Gundermann

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Unscheinbar, schlaksig wirkte der Baggerführer, der als Liedermacher in der DDR bekannt wurde: Gerhard «Gundi» Gundmann (Alexander Scheer) eckte an, war Mitläufer und furchtloser Kritiker. Das hatte seinen Preis (Filmcoopi)



Ein DDR-Querdenker, der mitmachte


Äusserlich ein blasses Bürschchen, ein Schlaks, hätte man in den Siebzigerjahren gesagt. Gerhard Gundermann, 1955 in Weimar geboren, arbeitete als Baggerfahrer im Lausitzer Braunkohlerevier, auch dann noch, als er als Liedermacher bekannt war und von der Musik leben konnte. Der überzeugte Sozialist «Gundi» Gundermann war ein Querkopf und -denker, ein aufsässiger Arbeiter, der nicht kuschte und auch mal DDR-Parteibonzen anraunzte und kritisierte. Er war ein unbequemer Parteigenosse, wurde von der Partei gerügt, ausgeschlossen «wegen prinzipieller Eigenwilligkeit». In seinen Liedern wiederspiegeln sich Alltag, Leben im Revier, Arbeitslosigkeit, Umwelt und persönliche Erfahrungen. Er arbeitet mit verschiedenen Bands (Brigade Feuerstein, Seilschaft, Silly) und trat auch als Vorgruppe bei einer Bob Dylan-Tournee (1994) auf. Gundermann war verheiratet, ein Asket und Arbeitstier als Arbeiter und Musiker. Er starb im Juni 1998 just 43 Jahre alt, der «singende Baggerfahrer aus der Lausitz», im Westen kaum, bei uns gar nicht bekannt.

Andreas Dresen («Als wir träumten»), erwiesener Filmfachmann für realistische Zeitgeschichten, blendet in seinem dkompakten Biopic die Siebziger- bis Neunzigerjahre auf. Die Maloche im Braunkohleabbau, die Ohnmacht der Arbeit, die Hochnäsigkeit der Funktionäre und mittendrin der Baggerfahrer, der in seinen Lieder und auch sonst kein Blatt vor dem Mund nimmt. Gerhard «Gundi» Gundermann duckt nicht, sondern muckt auf. Ein Mensch in der DDR, zerrissen zwischen Idealen und Wirklichkeit, zwischen System und Eigenwilligkeit. «Sachzwänge fressen Menschenfleisch» heisst es einmal.

Auch Gundermann geriet in die Fänge der Stasi, liess sich als Spitzel anwerben, schwärzte Bonzen, aber auch Kollegen an. Das kam nach der Wende ans Licht, Gundermann stellte sich, bekannte und wusste, damit hatte er «Verrat an sich selbst» begangen: «Ich werde nicht um Verzeihung bitten. Aber mir selbst kann ich nicht verzeihen.»

Behutsam, liebevoll inszeniert Dresen dieses Drama über Verstrickungen, Verrat, Verdrängen, Verlust, aber auch über Bedauern, Liebe, Musik und Identitäten. So entstand ein differenziertes Bild über ein Stück DDR, ungeschönt, aber gleichwohl verständig, einfühlsam und wahrhaftig. Das ist natürlich der Hauptfigur «Gundi», dem schrulligen Sozialisten, zu verdanken, glaubwürdig grandios verkörpert durch Alexander Scheer («Tschick», «Gladbeck»), der alle Gundermann-Lieder selber singt. Anna Unterberger als Ehefrau Conny überzeugt ebenso wie Axel Prahl als Führungsoffizier, Milan Peschel als Kollege Volker, der bespitzelt wurde, Peter Sodann als Veteran oder Thorsten Merten als Puppenspieler. Gundermann, der Antiheld mit all seiner Widersprüchlichkeit, Stärke und Schwäche, wird zum Zeitzeugen einer DDR, die hier für einmal nicht nur aus Schwarz und Weiss besteht.


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Deutschland 2018  
127 Minuten

Regie: Andreas Dresen
Drehbuch: Laila Stieler
Kamera: Andreas Höfer

Mitwirkende: Alexander Scheer, Anna Unterberger, Axel Prahl, Thorsten Merten, Peter Sodann, Milan Peschel


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