Freibad

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Lippenbekenntnisse: Eva (Andreas Sawatzki) und Gabi (Maria Happel) geben sich tolerant, haben aber einige Vorurteile gegenüber Fremde in «ihrer» Frauenbadi. (Praesens)



Knatsch in der Frauenbadi


Tatort Frauenbadeanstalt. Auf der grünen bayrischen Wiese scheint alles eitler Sonnenschein, bis fremde Gäste die Badi heimsuchen – komplett verhüllt. Die Muslima-Clique unter Führung Kamilas (Sabrina Amali) wähnt sich endlich ein bisschen frei.

Keine Männer! Macht Schwimmen frei? Eine weisse Fraktion, die sich liberal nennt, aber Vorurteile nicht ausräumen kann, fühlt sich gestört. Die Freundinnen Eva (Andrea Sawatzki) und Gabi (Maria Happel) beanspruchen ein gewisses Heimrecht, fühlen sich eingeengt und motzen. Auch eine Gruppe Kopftuchträgerinnen mit Sema (Sema Poyraz) und Emine (Ilknur Boyraz) beobachten die fremden Frauen eher argwöhnisch. Auffällig ist auch die sportliche Yasemin (Nilam Farooq) im «Ganzkörperkondom», also Taucheranzug, die stoisch ihre Bahnen zieht. Zum Badi-Personal gehören auch Kassierin Rocky (Lisa Wagner), die auf Körperkult steht und nur Augen für Muskeln hat. Und Grillanbieterin Kim (Nico Stank), ein verdeckter Mann versteht sich, die angesichts der neuen Gäste auf Lammwürstchen umstellt. Die schwarze Bademeisterin Steffi (Melodie Wakivuamina) sieht dem Treiben mehr oder weniger hilflos und dem drohenden Knatsch fassungslos zu. Steffi fährt aus der Haut und schmeisst ihren Job hin.

Ein Bad, auch wenn es sich frei nennt, ohne Badeaufsicht, geht gar nicht. In der Not bietet die schnippische «Meckerliese» Eva einen Mann auf, den «aquatischen Menschen» Nils (Samuel Schneider). Er muss den Bademeister unter lauten Frauen verkörpern. Das führt geradewegs zum nächsten Tohuwabohu. Aussenseiterin Paula (Julia Jendrossek), pummelig und einsam, ruft zum Girlkott (statt Boykott) auf und legt das Bad lahm. Ist die Freiheit sprich Freibad noch zu retten?

Ein fulminantes Ensemble – mal oben ohne, mal verschleiert – ist hier am Badi-Werk. Filmautorin Doris Dörrie inszenierte einen turbulentes «Freibad»-Mikrokosmos – deftig und dufte, grantig und genüsslich, lustvoll und lasterhaft. Dabei geht es nicht nur um vorgetäuschte Toleranz und schlummernde Vorurteile, sondern auch um Ausgrenzung, Selbstwert und Selbstbestimmung. Doris Dörrie spielt mit Klischees und arrangiert sie lust- und liebevoll, bisweilen boshaft. Im freibadenden Mikrokosmos ist keiner vor Fallen, Rassismus und Aggressionen gefeit.

Angst vorm Altern und Sexfrust spielen mit. Doris Dörrie: «Die Altersangst bezieht sich sehr stark auf den Körper und die Ausgrenzung allein durchs Alter, wofür man gar nichts kann. Vor Ausgrenzung und Einsamkeit fürchtet sich hier nicht nur Eva, die eine emanzipierte Frau ist, Feministin, allein lebt, aber natürlich irgendwo dazu gehören möchte. Das ist für uns alle, und für jede Figur hier im Film die Frage – wo und wie kann ich dazugehören?» Das geht jeden an, unabhängig vom Gendersein. Die Konflikte im Freien können überall stattfinden.

«Ich habe immer schon Filme gemacht, die sich um Ausgrenzung gedreht haben,», meint Regisseurin Dörrie, «um Rassismus, Homophobie, um Marginalisierung und Gleichberechtigung». Ihre neuste Komödie beschreibt tierisch ernst und ironisch Szenen des Alltags, konzentriert in einem kunterbunten Freibad samt weiblicher Keilerei und Klischeemix – durchweg amüsiert hintergründig.


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Deutschland 2022  
102 Minuten

Regie: Doris Dörrie
Buch: Dörrie, Karin Kaçi

Ensemble: Andrea Sawatzki, Maria Happel, Nilam Farooq, Lisa Wagner, Melodie Wakivuamina, Julia Jendrossek, Sabrina Amali, Nico Stank


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