En guerre

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Hautnah im Arbeitskampf: Wortführer Laurent (Vincent Lindon) will keine Kompromisse eingehen und zeigt Rückgrat bis zuletzt. (Xenixfilm)



Mit dem Rücken zur Wand


Ein bekanntes Szenarium: Die Firma X wird vom Konzern Y übernommen. Die Belegschaft wird besänftigt. Die Produktion soll weiterlaufen und keine Entlassungen geben. Denkste! Die Wirklichkeit sieht anders aus.

Im Spielfilm «En Guerre» läuft folgendes ab: Den Betriebsangehörigen in Aden, Südfrankreich, hat der deutsche Konzern, der dieses Autozubehörwerk übernommen hatte, versprochen, dass mindestens fünf Jahre weiterproduziert wird. Im Vorfeld hatte die Arbeiterschaft bereits erhebliche Zugeständnisse gemacht, hatte zusätzliche Arbeitsstunden geleistet, Streichung von Boni in Kauf genommen. Vergebene Müh und Einsatz. Nach der Übernahme verkündigt das Management die Werkschliessung. Eine Katastrophe, ist die Produktionsstätte mit 1100 Beschäftigten doch der wichtigste Arbeitgeber für Stadt und Region.

Der alte Gewerkschaftshase Laurent Amédéo (Vincent Lindon) organisiert zusammen mit seiner jungen Kollegin Mélanie (Mélanie Rover) den Widerstand und ruft zum Streik auf. Das lokale wie internationale Management stellt sich stur. Streik und Blockierung des Werks ziehen sich hin, zermürben die Leute. Einige springen ab, lassen sich von Abfindungen verlocken und werden müde nach Wochen, in denen keine faire Kompromisse gefunden werden. Sie haben kein Standvermögen aus verschiedenen materiellen Gründen und fallen Amédéo und seinen Mitkämpfern in den Rücken. Gleichwohl gelingt es Amédéo, kleine Zugeständnisse von der Leitung zu erstreiten. Der Konzern-CEO willigt gar in ein Gespräch ein. Doch danach eskaliert der Streikkampf. Die Wut schlägt in Gewalt um.

Man wähnt sich angesichts der Geschehnisse, nicht im Kino, sondern in der Fabrik und vor den Werkstoren, inmitten der Diskussionen der Gewerkschaftler, wird Zeuge der Verzweiflung der Arbeiter und der Arroganz der Manager. Wenn man den Schauspieler Vincent Lindon nicht aus verschiedenen Filmen («Journal d'une femme de chambre» «Auguste Rodin») kennen würde, könnte man auf einen echten Streikführer schliessen. Lindon hat quasi Arbeitslosenerfahrung als Hauptakteur in Stéphane Brizés Spielfilm «Arbeit des Menschen – La loi de marrché» gesammelt und erhielt dafür in Cannes 2015 den Darstellerpreis. Dazumal agierte er als Maschinist, der mit 50 arbeitslos wird, gegen die Bürokratie kämpft und sein Rückgrat zu verlieren droht.

Das passiert dem kompromisslosen Kämpfer Amédéo in «En guerre» nicht, er bleibt bei der Stange, um die Schliessung zu verhindern. Kompromisslos. Er gibt den Verlierern ein Gesicht. Die Streikfront bröckelt, und am Ende wird er von Kollegen zum Sündenbock gestempelt. Hart und unerbittlich beschreibt Stéphane Brizé Arbeitskämpfe heute, die Macht der Manager und die Ohnmacht der Angestellten, die «Anteilnahme» der Medien. Brizé baut das Klima ohnmächtiger Abhängigkeit ebenso packend auf wie er die Verzweiflung und Demütigung der Betroffenen einfängt, bis Ohnmacht in Wut umschlägt. Ein gnadenloses Bild der Arbeitswelt, des Arbeitskampfes und des Gesetzes des Marktes, wie es so lakonisch wie zynisch heisst.


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Frankreich 2018
115 Minuten

Regie: Stéphane Brizé
Buch: Brizé, Olivier Gorce
Kamera: Eric Dumont

Schauspieler: Vincent Lindon, Mélanie Rover, Jacques Borderie, David Rey


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