Barbara

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Ein Filmer ist in seinen Star verliebt: Regisseur Zand (Mathieu Amalric) und die Sängerin Barbara (Jeanne Balibar). (JMH Productions)



Reminiszenzen an eine Kultfigur


Ihr Name war Legende, ein Kultbegriff in Frankreich und Deutschland: Barbara, bürgerlich Monique Andrée Serf, hatte in einem höheren Sinn vollendet, was Politiker wie Konrad Adenauer und Charles de Gaulle angeschoben hatten und mit dem Elysée-Vertrag 1963 dokumentierten, nämlich die deutsch-französische Aussöhnung und Annäherung. Nach langem Zögern nahm die französische Chansonette und Komponistin Barbara 1964 eine Einladung ins norddeutsche Göttingen an. Sie war sehr angetan von diesem Besuch und schrieb das Lied, das zum Kulturgut wurde: «Göttingen». Es wird zur Hymne der Aussöhnung, der Verständigung:

«Na ja, dort gibt es keine Seine

Und auch nicht den Wald von Vincennes.

Doch schöne Orte, die ich kenne

in Göttingen, in Göttingen.

Es gibt keine Kais oder Lieder,

die klagen und kehren immer wieder.

Und dennoch blüht auch dort die Liebe

in Göttingen, in Göttingen.


Mir scheint, als ob sie besser wüssten

die Geschichte Frankreichs großer Fürsten.

Hermann, Peter, Helga und Hans

in Göttingen . . . . »

Vielleicht mag der eine oder andere sich an dieses Chanson erinnern, mit dem sich Barbara unsterblich machte. Zwanzig Jahre nach ihrem Tod 1997 hat Mathieu Amalric über sie einen Film gedreht. Der Begriff Dokufiction wird dem Kinowerk «Barbara» nur gerecht. Es ist ein Film im Film, eine geträumte und wahre Begegnung, eine Verschmelzung von Vergangenheit und Gegenwart, von Dokument und Illusion.

Regisseur Amalric macht es dem Zuschauer nicht leicht, denn er beschreibt wie der Filmer Zand (Amalric) die Geschichte Barbaras filmisch erfassen will. Gespielt, mehr noch gelebt und gesungen wird die legendäre Barbara von Jeanne Balibar als Brigitte, die ebendiesen Star im Film verkörpern soll. Aber Balibar war mit Amalric verheiratet. Als dann Zand/Amalric bei einer Szene in Tränen ausbricht, weiss man nicht genau, ob die Emotion gespielt ist oder doch im Kern private Befindlichkeit ausdrückt. Wie auch immer, dieses spielerische Porträt einer Ikone bietet höchste Kinokunst – auch dank Jeanne Balibar, die zur Schwester, zum Ebenbild der Künstlerin Barbara wird: eine Diva, überspannt, süchtig, stressig und ausfallend, aber eben auch eine grandiose Selbstdarstellerin. Die Sängerin, Komponistin und Poetin, jüdische Tochter einer Ukrainerin und eines Elsässers. Engagierte sich in den letzten Lebensjahren im Kampf gegen Aids. Der Film, so ist zu hoffen, macht neugierig auf diese extravagante Sängerin und Persönlichkeit. Man höre und staune, was Barbara (1930–1997) heute noch zu sagen und zu bewegen hat.



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Frankreich 2017
98 Minuten

Regie: Mathieu Amalric
Drehbuch: Mathieu Amalric, Philippe Di Folco, Renaud Legrand (Idee), Pierre Léon (Idee)
Kamera: Hans Fromm

Darsteller: Jeanne Balibar, Mathieu Amalric, Vincent Peirani, Aurore Clément


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