Albert Anker. Malstunden bei Raffael

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Vertiefung: Der gelernte Siebdrucker Endo Anaconda, Kopf der Mundartband «Stiller Has», ging als Bildbetrachter dem Maler Albert Anker auf den Grund. (Filmcoopi)

 
 

Phänomenale Begegnung

 
Vor 170 Jahren entschloss sich ein junger Theologiestudent vom eingeschlagenen Weg abzubiegen. An Weihnachten 1853 schrieb der Berner Albert Anker an seinen Vater, dass er sein Studium abbrechen und Maler werden wolle. Und so begann seine Karriere als Künstler in Paris 1854. Hier war er von 1859 bis 1885 regelmässig im Salon de Paris mit Bildern vertreten. Ab 1860/61 übernahm er das Elternhaus in Ins und richtete sich sein Atelier ein.

Dieses Atelier im Bauernhaus wird zum Dreh- und Angelpunkt des Films von Heinz Bütler über einen der bekanntesten volkstümlichen Maler der Schweiz. Dabei bedient sich Bütler eines Kunstgriffs: Er schickt den Musiker, Singer-Songwriter und Autor Endo Anaconda, bekannt vor allem als Kopf der Mundartband «Stiller Has», auf Entdeckungsreise. Und siehe da: Andreas Flückiger alias Endo Anaconda hat ein Gespür für Ankers Bilder. Das Atelier in Ins, das heute noch so aussieht, als hätte es Anker just erst verlassen, wird zur intimen Begegnungsstätte. Dies sei eine Zeitkapsel, alt und fesselnd, bemerkt Bildbetrachter und -versteher Anaconda.

Wir sehen die zahlreichen Alltagsszenen und Kinderporträts mit anderen, mit Anacondas Augen. Die Kinderaugen leben, sprechen. Die Skizzen sind Wegweiser, Zeichen des reichen Schaffens. Szenen in der Stube oder Dorfschule, im Heu, auf der Ofenbank, am Küchentisch lassen uns innehalten, werden lebendig. Und Endo Anaconda, der im Februar 2022 verstarb, ist ein kundiger, intimer Begleiter, lebt mit, leidet mit. Dazu kommen die Kunsthistorikerinnen Nina Zimmer, Isabelle Messerli und Noëmi Crain Merz, vor allem auch Ankers Ururenkel Matthias Brefin. Sie ordnen ein, interpretieren, und sinnieren.

Anker selbst scheint präsent, scheint seine Bilder, Fotos Dokumente, Briefe zu kuratieren. Etwas aufgezwängt wirkt die musikalische Begleitung durch Pianist Oliver Schnyder, der teilweise am Originalklavier in Ankers Atelier spielt. Der Filmtitel bezieht sich auf eine Bemerkung Ankers. Es wäre fein, meinte er, wenn ich im Himmel bei Raffael Malstunden haben könnte. Der phänomenale Film tut dem Künstler und seinen Bildern gut, er vertieft, animiert, Ankers Hinterlassenschaft neu und frisch zu betrachten. Einblick, Hommage und Vermächtnis.
 

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Schweiz 2022    
92 Minuten

Buch und Regie: Heinz Bütler
Buch: Garrel und Tanguy Viel
Kamera: Sergio Cassini

Mitwirkende: Endo Anaconda, Matthia Brefin, Noëmi Crain Merz, Eberhard W. Kornfeld, Isabelle Messerli, Nina Zimmer, Oliver Schnyder


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