Zwei zu eins

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Verzwicktes Trio: Maren (Sandra Hüller) pendelt unentschlossen zwischen Volker (Ronald Zehrfeld, Bildmitte) und Robert (Max Riemelt). (Filmcoopi)



Volksgut dem Volk!


Unfassbar. Die DDR ist am Ende, der Westen übernimmt 1990 die Führung – politisch, gesellschaftlich, wirtschaftlich. Die Währungsreform nimmt Formen an. Ab 1. Juli 1990 soll es D-Mark für alle geben. Was aber mit der ausgedienten Ostmark?
Umtausch war unter verschiedenen Bedingungen möglich: Bargeld gab es aber nur bedingt. Kinder und Erwachsenen konnte je nach Alter 2000 bis 6000 Ostmark in Westmark im Verhältnis 1:1 umtauschen, Beträge darüber im Verhältnis 2:1 – bis zum 1. Juli 1990.
Tonnen von alten Geldscheinen mussten entsorgt werden, darunter auch 200 und 500 Ostmark-Scheine, die nie in Umlauf gebracht worden waren. Die überflüssig gewordenen Geldscheine aus Banktresoren und Umtauschaktionen wurden aus Zeitnot einfach gebunkert. Das bedeutete: Tonnen von Ostmark wanderten in Sandsteinstollen bei Halberstadt. Dort sollten sie verrotten. Das sollte man wissen, um den Spielfilm «Zwei zu eins» von Natja Brunckhorst einzuordnen und zu verstehen.

Es begab sich also zu dieser Zeit, dass DDR-Bürger wie Robert, Markowski, Lunkewitz, Käte, die gute Seele vom Quartier, oder die gewiefte Mutter und Ehefrau Maren arg orientierungslos in der Provinz die Zeitgeschehnisse über sich ergehen lassen mussten. Zu dieser Gemeinschaft von Arbeitern stösst Volker (Ronald Zehrfeld). Er, der einst in den Westen geflohen war ist nun heimgekehrt. Dank des kundigen NVA-Technikers Markewitz (Peter Kurth), also eines Kenners der Nationalen Volksarmee (NVA), erfährt das Ehepaar Maren (Sandra Hüller) und Robert (Max Riemelt) von einem «Geheimschatz», in der Unmengen von Geldscheinen der ausgemusterten Ostmark gelagert werden. Und so macht sich das Grüppchen mit «Marke», Maren und Robert an der Spitze auf die Socken, um das in unterirdischen Stollen gebunkerte «Volksgut» zu heben. Sack für Sack werden die entsorgten Noten ans Tageslicht, heisst in Verkehr gebracht. Die gesamte Belegschaft einer stillgelegten VEB-Produktionsstätte (Volkseigener Betrieb) beteiligt sich an dieser «Befreiungsaktion» und Kapitalisierung. Allen voran Vorarbeiter Lunkewitz (Martin Brambach), eigentlich strammer DDR-Genosse. Aber auch die Jungen mischen mit: Marens Filius Yannick (Anselm Haderer) und ihr Nesthäkchen, das am Ende für die grösste Kapital-Überraschung sorgt.

Ein Schelm, der sich Böses bei dieser Räuberpistole denkt. Das Beutegut, so argumentieren die betrogenen DDR-Bürger und Bürgerinnen, sei doch Volksgut. Die historischen Hintergründe stimmen bei der Gaunerkomödie «Zwei zu eins». Tatsächlich weiss man heute noch nicht, wie viele Millionen Ostmark «abhanden» gekommen sind. Grosse Ermittlungen und Prozesse gab es offensichtlich auch nicht.

Brunckhorsts Spielfilm, die einst als «Kind vom Bahnhof Zoo» ihre Karriere startete, vermengt Gauner- und Thriller-Elemente, Polit- und Sozialsatire, aber auch Märchenhaftes. Etwas aufgesetzt wirkt dabei die Dreiecksgeschichte um Maren und ihren Geliebten von gestern und heute. Das wirkt arg unausgegoren und auch überflüssig. Besonders in der ersten Spielhälfte hätte man sich bei dieser Sozialposse mehr Biss gewünscht, dann nimmt das Schelmenstück Fahrt auf, in dem auch die Tragik der «gläubigen» DDR-Menschen explizit in einer Szene mit Martin Brambach als getäuschtem, enttäuschten Sozialisten Lunkewitz zum Ausdruck kommt.
Hervorzuheben aus dem authentischen Ensemble sind Peter Kurt als schlitzohriger Drahtzieher «Marke» (Markowski), Ursula Werner als Tante Käte und Sandra Hüller als gewiefte, angehimmelte Maren, die sich verschmitzt sympathisch durch die Turbulenzen hangelt.

Fazit: Eine sehr unterhaltsame Satire mit «sozialistischem» Hintergrund und Schelmenstück, das auch die Verlogenheit des DDR-Regimes entlarvt.


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Deutschland 2024    
116 Minuten

Buch und Regie: Natja Brunckhorst
Kamera: Martin Langer

Ensemble: Sandra Hüller, Max Riemelt, Ronald Zehrfeld, Peter Kurth, Marti Bambach, Tom Keune, Ursula Werner, Uwe Preuss, Kathrin Wehlisch


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