West Side Story

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Rassenclinch in New York: Die weissen Jets und die puertorikanischen Sharks bekriegen sich. Liebe unter unglücklichem Stern: White Boy Tony (Ansel Elgort) und die Puertorikanerin Maria (Rachel Zegler) lieben sich «Tonight». (Disney)



Ewige Tragödie:
«Romeo und Julia» à la Spielberg


Das Liebesdrama «Romeo und Julia» inspirierte Komponist Leonard Bernstein, Autor Arthur Laurents und Songtexter Stephen Sondheim 1957 zum Musical «West Side Story». Daraus wurde ein Klassiker, der um die Welt ging. und wurde 1961 von Robert Wise getreu verfilmt. Nun hat Steven Spielberg den Stoff aus den Fünfzigerjahren aufgegriffen und zieht alle Register seines Regiekönnens.

Eine Trümmerlandschaft wie nach dem Zweiten Weltkrieg. Doch der Schauplatz ist nicht Berlin oder Dresden, sondern New York westlich vom Broadway. Die Häuser sind zerfallen, teilweise nur noch Ruinen. Die Abrissbirne schwingt. Das marode Quartier wird platt gemacht. Hier stromern zwei Jugendbanden, suchen die Konfrontation, die weissen US-Jets und die Sharks, eine Gruppe puertorikanischer Einwanderer. Man trifft sich auf maroden Plätzen und Strassen, lässt den Macho und Aggressionen raus. Beim Jugendball in einer Turnhalle kommt es zur Konfrontation. Jet-Anführer Riff (Mike Faist) stachelt seine Anhänger zu einer handfesten «Schlacht» gegen Bernardo (David Alvarez) und dessen Sharks an. Der frühere Jet-Leader Tony (Ansel Elgort) will sich aufgrund bitterer Erfahrung aus dem Scharmützel raushalten.

Er steckt in der Zwickmühle, denn just an dem ausgearteten Tanzevent verliebt er sich in die attraktive Maria (Rachel Zegler), die Schwester Bernardos. Die Liebenden nehmen Reissaus und schwören sich auf einem Balkon («Romeo und Julia» lassen grüssen) ewige Liebe: «Tonight». Sie werden getrennt. Hass und Gewalt machen sich breit. Tony wird beim Gangtreffen ungewollt zum Täter, flieht und versteckt sich bei seiner Arbeitgeberin Valentina (Rita Moreno). Marias Freundin Anita (Ariana DeBose) soll Tony eine Botschaft überbringen und stösst auf die rachsüchtigen Sharks. Shop-Besitzerin Valentina kann knapp eine Vergewaltigung Anitas verhindern. Aber das Verhängnis hat längst seinen Lauf genommen. Die Liebe kann nur in einem Desaster enden, wie Shakespeare-Kenner wissen.

Steven Spielberg zieht alle Register seiner Erfahrung von knapp vierzig Filmen. Smart ist die Idee, die Auseinandersetzung in einem maroden Abbruchquartier zu lokalisieren. Sympathisch die Idee, die 90jährige Rita Morena, die im Wise-Film Anita spielt, als verständige Betreiberin des Doc's Store auftreten und singen zu lassen («Somewhere»). Die Tanzszenen («Jet Song», «The Dance in the Gym», «The Rumble», «America») haben Feuer, sind virtuos wie auch die Gesangsleistungen der Hauptdarsteller («Maria», «One Hand, One Heart»).

Ansel Elgort als Tony ist freilich eine Fehlbesetzung. Der coole, scheinbar abgeklärte Jet-Leader wirkt wie ein White Boy aus der Buchhaltung. Diesem blassen Typen nimmt man schwerlich Leidenschaft und Liebe bis zum Wahnsinn ab. Das kann man von der zwanzigjährigen Rachel Zegler nicht sagen: Sie überzeugt mit Haut und Haaren und Stimme als Maria. Fraglos hat Steven Spielberg mit seiner Neuversion gezeigt, dass dieses Musical zeitlos ist – in Musik und Thematik. Rassistische und soziale Konflikte wie in «West Side Story» sind aktuell wie eh und je. Eine hinreissende Tragödie in Nostalgieverpackung: Gefühls- und Musikkino der Top-Klasse.



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USA 2021  
156 Minuten

Regie: Steven Spielberg
Buch: Tony Kushner
Musik: Leonard Bernstein, David Newman
Kamera: Janusz Kamiński

Darsteller: Ansel Elgort, Rachel Zegler, Rita Moreno, David Alvarez, Ariana DeBose, Mike Faist


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