Wanda, mein Wunder

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Wunderheilerin Wanda: Die polnische Pflegerin (Agnieszka Grochowska) kümmert sich mehr als mütterlich um Josef (André Jung), den 70jährigen Patron, nach einem Schlaganfall. Elsa (Marthe Keller, rauchend), Gattin des bettlägerigen Josef, ist ebenso wie die Angehörigen (Anatole Taubman, Bild oben) wenig erbaut von der neuen Lebenslust des Patron. (Filmcoopi)



Familienclinch nach wunderlicher Genesung


«Wunder gibt es immer wieder», sang einst (1970) Katja Ebstein. Und wunderlich ist es schon, wenn eine polnische Pflegerin die Lebenslust – mit Betonung auf Lust – eines betagten bettlägerigen Patrons wiedererweckt. Und das geht so: Wanda betreut immer wieder den alten Herrn des Familienclan Wegmeister-Gloor. Patron Josef (André Jung) hatte einen Schlaganfall erlitten, ist mehr oder weniger ans Bett gebunden. Pflegerin Wanda bemuttert ihn übers mütterliche Mass hinaus. Denn Josef hat Gelüste, ganz menschlich-männliche, die Wanda hier und da befriedigt. Als sie, die Gastarbeiterin, die für ein paar Monate in der Luxusvilla am Zürichsee der wohlhabenden Familie dient, schwanger wird, hängt der Haussegen schief. Gattin Elsa (Marthe Keller) und die lieben Anverwandten (Birgit Minichmayr, Jacob Matschenz, Anatole Taubman) sind entsetzt. Das kann doch nicht wahr sein, wer ist der Vater…Josef etwa? Vollends bricht das Chaos in der grossbürgerlichen Familie aus, als Wandas Söhne und Eltern am heilen Zürichsee zu Besuch kommen – samt einer Kuh.

Bettina Oberlis Gesellschaftskomödie hat Format. Sie lässt zwei Welten aufeinander prallen – hier die gutsituierte, saturierte Familie, wohlhabend und selbstzufrieden, dort die Gastarbeiterin aus Polen mit einem ganz anderen Familienhintergrund. Sie verdingt sich in der Schweiz, um ihre Familie daheim zu unterstützen. Hier Selbstzufriedenheit und Gelüste, dort Existenzkampf und Sehnsüchte. Die fremde und doch so vertraute Wanda bricht Strukturen auf, löst Konflikte nicht nur zwischen Ost und West, zwischen unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, sondern auch in der selbstgefälligen Familie aus.

Bettina Oberli («Die Herbstzeitlosen») gelingt es wunderbar, die Balance zwischen komischen Konfrontationen, Familienclinch und gesellschaftlicher Kritik zu halten. Ihr Ensemble von der Polin Agnieszka Grochowska (Wanda) über Marthe Keller, André Jung, Birgit Minichmayr bis zu Anatole Taubman trägt den Film, dazu kommt die Zürichsee-Idylle als Spiel- und Schauplatz. Das hat eine gewisse Ironie. «Wanda, mein Wunder» feierte als Eröffnungsfilm beim Zurich Film Festival 2020 Premiere, wurde für den Prix de Soleure in Solothurn nominiert und soll – wenn die Corona-Entwicklung es will – am 11. März in den Kinos starten.


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Schweiz 2020
112 Minuten

Regie: Bettina Oberli
Drehbuch: Oberli und Cooky Ziesche
Kamera: Judith Kaufmann

Darsteller: Agnieszka Grochowska, Marthe Keller, André Jung, Birgit Minichmayr, Jacob Matschenz, Anatole Taubman


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