Und morgen seid ihr tot

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In der Hand von Taliban: Die Geiseln Daniela Widmer (Morgan Ferru) und David Och (Sven Schelker) sind ihren Häschern ausgeliefert und geben nicht auf. (Disney)



Ausgeliefert und angefeindet


Aus einer abenteuerlichen Ferienreise wird ein Alptraum: Das Schweizer Paar Daniela Widmer und David Och ist 2011 auf der Rückreise von ihrem Reiseabenteuer entlang der Seidenstrasse, zuletzt mit Eskorte in Pakistan. Dann aber allein im unsicheren Waziristan-Gebiet werden die beiden in ihrem Campingwagen gekidnappt, an die Taliban ausgeliefert und in fernes Taliban-Territorium verschleppt. Eine willkommene Beute für die afghanischen Rebellen. Man fordert ein Millionen-Lösegeld. Das Schicksal der Geiseln ist ungewiss. Die Schweizer Behörden verweigern jegliche Lösegeldzahlung. Die Verhandlungen ziehen sich hin. Das Schweizer Paar ist nicht nur seinen Entführern, sondern auch Drohnenangriffen und Gefechten ausgesetzt. Doch das Schlimmste ist die Ungewissheit, die Todesangst.

Daniela Widmer und David Och wurden nach heutigem Wissen nicht freigekauft, sondern planten die Flucht eigenständig und nutzen eines Nachts eine vage Möglichkeit. Sie schlagen sich durch, kehren heim und werden mit negativen Schlagzeilen konfrontiert. Presse und Teil der Öffentlichkeit misstrauen ihnen. Man wirft ihnen Fahrlässigkeit vor angesichts der riskanten Region Pakistan-Afghanistan und macht die Opfer zu «Mitschuldigen». Die traumatischen Ereignisse und das Echo danach haben die zwei Ex-Geiseln im Buch «Und morgen seid ihr tot» verarbeitet.

Das ist auch die Grundlage des Spielfilms von Michael Steiner, der stark die Position und Perspektive der Geiseln einnimmt. Er will sie rehabilitieren und meint in einem Interview der Schweizer Illustrierten: «Bei diesem Film ist mir wichtig, den Leuten zu zeigen, dass man nicht pauschal andere verurteilen soll, ohne dass man die Geschichte dahinter kennt.» Dabei macht Steiner in seinem glaubwürdigen Szenarium deutlich, welchem Druck, Hilflosigkeit und Ängsten die beiden Gefangenen (überzeugend Morgane Ferru und Sven Schelker) ausgesetzt sind. Dramatik wechselt mit Betulichkeit, doch die Lebensbedrohung ist permanent.

Natürlich missfallen gewisse Cliches, besonders was die involvierten Schweizer Beamte und Politiker angeht, die eine biedere Figur machen. Steiner vermeidet es aber, in Schwarzweiss zu malen und die Taliban a priori zu verteufeln (dank den Aufzeichnungen des Geiselpaars). Ein Spielfilm auch, der trotz oder gerade wegen historischem Hintergrund ein Publikum über die Schweiz hinaus interessieren könnte.


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Schweiz 2021  
115 Minuten

Regie: Michael Steiner
Buch: Urs Bühler
Kamera: Filip Zumbrunn

Darsteller: Morgane Ferru, Sven Schelker, Arda Görkern, Ingo Ospelt


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