The Mauritanian

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Ohne Rechtsanspruch und Anklage: Anwältin Nancy Hollander (Jodie Foster) kämpft um ihren Klienten Mohamedou (Tahar Rahim) auf Guantánamo. (Impuls)


Kein Recht auf Recht und Gerechtigkeit


Name und Ort Guantánamo sind weltbekannt und berüchtigt. Der US-Stützpunkt an der kubanischen Guantánamo Bay wurde im Januar 2002 infolge der Terroranschläge vom 11. September 2001 als Internierungslager für politische Gefangene eingerichtet und erweitert. Gemäss der US-Präsidenten Bush und Obama sollten hier ungesetzliche Kombattanten gefangen gehalten und befragt werden – zum Schutz vor Terroristen und geplanten Anschlägen. Die Gefangenen sind freilich bis auf wenige Ausnahmen ohne Anklage und Prozess jahrelang inhaftiert, verhört und gefoltert worden. Barack Obama erliess 2009 eine Anweisung, Guantánamo innerhalb eines Jahres zu schliessen. Allein, die gegen Menschenrechte verstossende Gefängnisenklave besteht noch immer. Der aktuelle US-Präsident Biden stiess bei Amtsantritt ins gleiche Horn und versprach, Guantánamo bis zum Ende seiner Regierungszeit zu schliessen. Wer's glaubt …

Mohamedou Ould Slahi wurde im November 2001 während eines Familienfestes in Mauretanien, einer islamischen Republik an der afrikanischen Atlantikküste, festgenommen. Nach einer Odyssee via Jordanien und Afghanistan wurde er ins Militär-Gefangenenlager Guantánamo verschleppt. Dort liess man ihn – trotz Freispruchs im März 2010 – erst im Oktober 2016 frei. Seine Erfahrungen, die erlebten physischen und psychischen Torturen hatte er in einem Tagebuch festgehalten («Guantánamo Diary»), das noch während seiner Inhaftierung erschienen ist. Es bildete die Grundlage für das Drehbuch von Michael Bronner und für den Film «The Mauritanian» von Kevin Macdonald.

Über 130 Minuten erleben wir im Kino die Passion des Mauretaniers Mohamedou, die ewigen Verhöre, Drohungen, Drangsalierungen, Folter und unendliche Zelleneinsamkeit, die er ertragen musste. Parallel zu seiner Leidensgeschichte und seinem Überlebenskampf im Gefängnis werden wir Zeuge, wie Rechtsanwältin Nancy Hollander (Jodie Foster) und ihre Assistentin Teri Duncan (Shailene Woodley) um Recht und Gerechtigkeit für den mauretanischen Häftling kämpfen. Mohamedou soll bei den islamischen Terroristen Al-Qaida ausgebildet worden sein, heisst es vage, soll mit einem Teilnehmer gesprochen haben, welcher das Telefon des saudiarabischen Führers Osama bin Ladens Telefon benutzt hätte. Mohamedou Ould Slahi (Tahar Rahim) fühlt sich falsch beschuldigt, bleibt bei seinen Unschuldsbeteuerungen standhaft. Erst nach den «zivilen» Befragern dreht sich der Spiess. Militärspezialisten übernehmen die Verhöre, nehmen ihn in die Mangel und greifen zu Foltermethoden. Da erst gesteht der angebliche Terrorist, alles was die «Ermittler» wollen.
 
Anwältin Hollander fühlt sich hintergangen, als sie nichtsahnend von den Geständnissen erfährt, bleibt dennoch am Fall dran und muss aufgrund der Aufzeichnungen ihres Klienten erkennen, dass seine Aussagen und Geständnisse unter grausamster Folter erzwungen wurden. Militär-Staatsanwalt Stuart Couch (Benedict Cumberbatch, bekannt als Serienheld «Sherlock») will den Gefangenen, der bisher nicht angeklagt, sondern nur verdächtigt wurde, mit Todesstrafe büssen, auch weil ein Bekannter beim 9/11-Attentat ums Leben gekommen ist. Der redliche Jurist stösst auf Geheimakten, welche die Folteraktionen an Mohamedou dokumentieren. Es kommt zu ein Art Gerichtsverfahren.

«The Mauritanian» ist mehr als ein Justizdrama, es dokumentiert ein düsteres Militär-Kapitel der USA. Mehrere hundert Gefangene wurden und werden auf Guantánamo ohne rechtliche Grundlage und gerichtlichen Anspruch festgehalten, malträtiert, gebeugt, gefoltert. Viele sahen den letzten Ausweg im Suizid. Sowohl Rahim als Mohamedou als auch Cumberbatch als Militär-Jurist überzeugen vollends, sie verkörpern nicht nur Opfer und Ankläger, sondern Menschen, die Würde bewahren. Regisseur Macdonalds Verdienst ist es auch, diverse Foltermethoden nicht auszuweiden (sie werden meistens nur angedeutet). Er inszenierte ein bewegendes Plädoyer für Menschlichkeit und Gerechtigkeit, dem sich niemand entziehen kann. «The Mauritanian» ist natürlich auch eine Anklage gegen ein selbstherrliches, menschenverachtendes Amerika und beschreibt Abgründe staatlicher Überheblichkeit und Macht.


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USA/GB 2021  
130 Minuten

Regie: Kevin Macdonald
Buch: Michael Bronner
Kamera: Alwin H. Küchler

Darsteller: Tahar Rahim, Benedict Cumberbatch, Jodie Foster, Shailene Woodley, Zachary Levi


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