The Burdened

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Am Lebenslimit: Ahmed (Khaled Hamdan) und Isra’a (Abeer Mohammed) können sich ein viertes Kind nicht leisten. (Trigon-Film)



Gesellschaftliches und menschliches Dilemma


Isra’a (Abeer Mohammed) und Ahmed (Khaled Hamdan) leben in der Hafenstadt Aden. Mühsam schlagen sie sich durch den Alltag und tun alles, um ihre drei Kindern durchzubringen. Die soziale Situation ist infolge des Bürgerkriegs, der seit zehn Jahren tobt, katastrophal. Ihren Job beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen sind sie los. Ahmed schlägt sich als Taxifahrer durch. Eine erneute Schwangerschaft stürzt sie in eine Krise. Die wirtschaftliche Lage lässt nur einen Schluss zu: Abtreibung. Doch ein Schwangerschaftsabbruch ist im islamistischen Staat Jemen undenkbar und verboten. Nur wenn das Leben der Mutter gefährdet ist, wäre ein Eingriff erlaubt. Verzweifelt sucht das Ehepaar Hilfe bei der Ärztin Muna (Samah Alamrani), doch die ist streng gläubig. Ein hoffnungsloser Fall? Isra’a versucht, sie mit dem Argument zu überzeugen, dass nach Beurteilung gewisser Gelehrten das Baby vor dem 120. Tag der Schwangerschaft noch keine Seele besitzt.

Isra’a und Ahmed tragen eine schwere Bürde (burdened), sie werden von Schuldgefühlen geplagt, sind Opfer der verheerenden Wirtschafts- und Finanzlage des Jemen. Filmer Amr Gamal taucht in den Alltag – auf dem Markt, in den Gassen, zwischen zerstörte Häuser. Die Unsicherheit, die Gefahr bleiben akut. Militärfahrzeuge patrouillieren, Stromausfälle sind an der Tagesordnung, Kriegsspuren allgegenwärtig. «The Burdened» wirkt wie ein Dokumentarfilm, wie eine Metapher für Zerstörung und Verzweiflung in einem Land, in dem Gewalt, Zwänge, wirtschaftliche Nöte und Machtkämpfe herrschen.

Massgeblich für den Bürgerkrieg im Jemen verantwortlich sind die Huthi-Milizen, die immer wieder aus Solidarität mit den Palästinensern Attacken gegen Israel und westliche Schiffe im Roten Meer starten. Sie sind mit der Terrororganisation Hamas und Iran verbündet. Das Land mit seinen rund 30 Millionen Einwohnern ist infolge der inneren Konflikte völlig verarmt und befindet sich laut EDA in einer der «weltweit schlimmsten humanitären Krisen.»

Amr Gamal, gehört einer jemenitischen Familie an. 1983 in Polen geboren, kehrten seine Eltern 1989 nach Aden (Jemen) zurück. Er wurde Regisseur und Theatermacher und drehte 2018 seinen ersten Spielfilm («10 Days Before the Wedding»). Mit seiner zweiten Filmarbeit «The Burdened» wurde er 2023 nach Berlin eingeladen. Es war der erste jemenitische Film, der an der Berlinale aufgeführt und mit dem Amnesty International Filmpreis ausgezeichnet wurde.

Das Schicksal eines Freundes des Filmemachers und dessen Frau dienten quasi als «Vorbild» für die Geschichte des Ehepaars und ihrer «Bürde» (Burdened). Sie steht exemplarisch für Familien im Jemen, am Randes Existenzminimums. Abtreibung steht hier nicht nur für einen medizinischen Eingriff, sondern auch für verlorene (abgetriebene) Träume und Hoffnungen.


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Jemen 2023
91 Minuten

Regie: Amr Gamal
Buch: Gamal und Mazen Refaat
Kamera: Mrinal Desai

Ensemble: Khaled Hamdan, Abeer Mohammed, Samah Alamrai


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