Sweat

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Mehr Schein als Sein: Die Fitness-Influencerin Sylwia (Magdalena Koleśnik) hat 600000 Follower und ist doch einsam. (Prosa Film/First Hand Films)



Schöner Schein, leeres Sein


Sie sind die Stars der Social Media-Welt – schön, chic, makellos und oft verführerisch wie Sirenen – die Lockvögel unserer Zeit. Für sie zählen Aussehen, Outfit und die Zahl der Follower. Sie machen Karriere als Werbe-Ikonen – und sind fragwürdige Ausgeburten der Konsumwelt: Influencer oder Einflüsterer. Sie gaukeln eine heile Welt vor und beeinflussen junge Menschen mehr als viele andere Werbeaktionen.

Sylwia Zajac (Magdalena Koleśnik) ist ein Star in den sozialen Medien Polens. Sie heizt den Menschen vor Ort oder am Bildschirm ein, spornt sie an, leitet rhythmische Gymnastik an und verspricht in ihren Videos, dass die, die mitmachen, sich spüren, fit und glücklicher werden.
Sylwia produziert sich als Vorbild und verkauft gleichzeitig schicke Klamotten. Die Fitness-Influencerin, Motivatorin und Werbeträgerin ist zu jedem Selfie bereit und erfolgreich – mit 600'000 Followern. Ihr Körper ist ihr Kapital und Produkt. Stimmig dazu der Roxette-Song «She's Got the Look».

Sie sollte eigentlich zufrieden sein und ihr geschöntes Leben geniessen. Bei weitem nicht. Sie fühlt sich leer und einsam, würde gern in den Arm genommen werden und geborgen fühlen. Selbst bei einem Familienfest wird sie als schöner Fremdkörper betrachtet und neidisch beargwöhnt. Bei einem Barbesuch macht sie einen Kollegen an, animiert ihn, sie nach Hause zu begleiten. Er hofft auf ein prickelndes Schäferstündchen, wird von Sylwia jedoch auf einen Stalker angesetzt, der vor ihrer Wohnung Nacht für Nacht wartet. Der Kerl, der sich Liebeslohn erhofft, lässt sich zu einem Gewaltakt verleiten, schlägt den Spanner brutal zusammen und wird von Sylwia schnöde abserviert. Doch die hat dann ein schlechtes Gewissen.

Der schwedische Filmregisseur Magnus von Horn hat in Łódź studiert und lebt in Warschau. Die polnische Hauptstadt ist Schauplatz seines Psychodramas. Was treibt die Influencer an, was motiviert sie – Geld, schneller Medienruhm und Begehrlichkeiten? Was bewirken diese künstlichen Werbeträger und Werbeträgerinnen? Im Spielfilm «Sweat» ist von Schweiss, Fleiss und Tränen die Rede, von falschem Ehrgeiz, Mediensüchtigkeit und Kalkül. Dennoch werden wesentliche Fragen kaum berührt. Wie steht es um die Authentizität der Influencer, ihre Glaubwürdigkeit und ihr fragiles Zuschaustellen wirklich?

Im «Sweat»-Spielfilm steht das Modell Sylwia, höchst überzeugend Magdalena Koleśnik. Drei Tage im Leben einer Influencerin, einer gewieften Geschäftsfrau und einsamen Seele. Es geht vor allem um Sylwias Gefühle, die hinter schönem Outfit verkümmern, nicht um Sinn und Sinnlosigkeit ihres Tuns, nicht aber um gesellschaftliche Bezüge.
«Sweat» verkauft sich als intimer Ausflug in eine verlogene Scheinwelt, wirkt letztlich aber mehr wehleidig als kritisch. Am Ende überwiegt gar Mitleid mit der schönen, schnöden Sirene. Dem Phänomen Influencer, ihrer Verfügbarkeit und Verführbarkeit wird das Melodrama nur oberflächlich gerecht.


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Polen/Schweden 2020  
100 Minuten

Buch und Regie: Magnus von Horn
Kamera: Michal Dymek

Darsteller: Magdalena Koleśnik, Julian Świeźewski, Aleksandra Konieczna


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