Spagat

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Verschiedene Lebenskreise und Welten: Die Lehrerin, Mutter und Ehefrau Marina (Rachel Braunschweig) hat ein Verhältnis mit dem illegalen Arbeiter Artem (Alexey Serebryakov). (Frenetic Films)



Spagat zwischen Wunsch und Wirklichkeit


Der Filmtitel deutet es an: Da versuchen Menschen den Spagat zwischen zwei Lebenskreisen, Wunsch und Wirklichkeit. Marina (Rachel Braunschweig) ist Lehrerin, führt eine scheinbar erfüllte Ehe mit dem liebevollen Jörg (Michael Neuenschwander) und plagt sich mit der aufmüpfigen Tochter Selma (Nellie Hächler) herum. Aber sie hat auch stille Sehnsüchte, Liebesbedürfnisse. Marina führt ein Doppelleben: Sie ist in den Flüchtling Artem (Alexei Serebrjakov) verliebt und geniesst Sex mit allen Poren. Aber nicht nur die heimliche, sozusagen illegale Liebschaft ist ein Problem, sondern auch Artems Tochter Ulyana (Masha Demiri). Sie wird von Marina unterrichtet, ist als Flüchtling eine Aussenseiterin, klaut einer Klassenkameradin einen Kopfhörer und wird in einem Kaufhaus beim Diebstahl erwischt. Marina will den Schaden gutmachen, verschlimmert aber die ganze Sache nur. Teenager Ulyana, schlau und hinterlistig, kommt hinter Marinas Liebesverhältnis und erpresst ihre Lehrerin. Zu allem Übel verletzt sich Schwarzarbeiter Artem und muss untertauchen.

Regisseur Christian Johannes Koch, geboren im luzernischen Neuenkirch, hat seine Geschichte mehr oder weniger auch im Luzernischen verortet. In seinem Sozial- und Liebesdrama beschreibt er einfühlsam und authentisch das Dilemma zwischen Schein und Sein, Lüge und Leidenschaft, Familienloyalität und Liebe. Vater und Tochter, Flüchtlinge aus der Ukraine, leben illegal in der Schweiz. Lehrerin Marina ist gutbürgerlich etabliert und kostet heimlich ihre Liebe aus. Der Spagat kann nicht gelingen. Wie wird sich die Schweizerin entscheiden?

Koch zeichnet eindrücklich das Bild von Menschen, die ein Schattendasein als Illegale fristen. In seinem Spielfilmdebüt über zwei Lebensrealitäten, die sich vermischen und doch keine Einheit bilden, sind die beiden Hauptdarsteller. Sie bilden Kristallisationspunkte, sind Auslöser von Erschütterungen, für soziale Diskrepanzen und gefährdete Gefühle: Die Zürcherin Rachel Braunschweig («Die Göttliche Ordnung», «Zwingli», Schweizer «Tatort», 2020) als Marina und der Russe Alexey Serebrjakov («Leviathan», «Nobody») als Artem. Bleibt noch ein «Nebengeräusch» zum erwähnen, das schmunzeln lässt. Koch hat sich Rocco Granatas Liebeshit «Marina, Marina» von 1959 erinnert und baute ihn in seinen Film ein. Berührend und denkwürdig.


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Schweiz 2020
110 Minuten

Buch und Regie: Christian Johannes Koch (mit Josa Sesink, Buch)
Kamera: Timon Schäppi


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