Skin

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Wendepunkt: Juli (Danielle Macdonald, oben) alleinerziehende Mutter dreier Kinder, gibt dem von Kopf bis Fuss gezeichneten Skinhead Bryon Widner (Jamie Bell) Geborgenheit. – Er will aus der rechtsextremen Szene aussteigen. (Ascot Elite)





Häutungen –
ein schmerzvoller Ausstieg





Ein Film, der nicht nur unter die Haut geht, sondern auch eine Häutung beschreibt. Der aus Israel stammende Regisseur Guy Nattiv, 1973 in Tel Aviv geboren und in New York lebend, greift eine tatsächliche Begebenheit auf. Ein Mann aus der faschistischen Szene im ländlichen Ohio hat von den Gewaltaktionen der Rechtsextremisten die Nase voll und will 2010 aus der sektierischen Bewegung namens Viking Social Club aussteigen. Doch das ist nicht so einfach, denn Bryon Widner ist mit Tattoos übersät – vom Kopf bis quasi zu den Füssen.

Bryon (Jamie Bell) ist in die amerikanische Neonazi-Szene reingewachsen und gross geworden. Seine Wahlfamilie haust abseits der Gesellschaft und pflegt einen Kult zwischen nordischer Mythologie und nationalsozialistischer, rassistischer Ideologie, geprägt von Hass und Gewalt. Die erste Filmszene setzt ein Ausrufezeichen und greift quasi vor: Bryon lässt sich die ersten Tätowierungen entfernen. Ein Prozess, der über Monate, Jahre dauern wird. Entscheidend für diesen Weg und Wandlung ist eine Frau. Er ist Juli (Danielle Macdonald), Mutter von drei Gören verschiedener Väter, bei einem Treffen begegnet. Juli ist entschlossen, sich von der rechten Fascho-Szene abzuwenden. Bryon bändelt mit der korpulenten alleinerziehenden Frau an, fühlt sich bei ihr geborgen und entwickelt Verantwortungsgefühl für die Kinder.

Doch so einfach lassen ihn Ziehvater Fred (Bill Camp) und «Mom» Shareen (Vera Farmiga) sowie die Skinhead-Gang nicht aus den Fängen. Sie rücken ihm auf die Pelle. Die energische Juli und ihre Kinder sind in Gefahr. Menschenrechtsaktivist Daryle Jenkins (Mike Colter) hilft dem Aussteiger. Mit Hilfe des FBI mutiert Bryon, das heisst: er lässt sich in 25 schmerzhaften Eingriffen seine Tattoos mittels Laser entfernen.

Basierend auf dem Kurzfilm «Skin», ausgezeichnet mit einem Oscar, schildert Filmautor Guy Nattiv die psychische und physische Wandlung eines jungen Mannes. Der schonungslose Spielfilm geht teilweise tatsächlich unter die Haut. Dabei bietet der Brite Jamie Bell («Billie Elliott – I Will Dance», 2000) eine überzeugende Performance. «Skin» ist ein Entwicklungsfilm, aber auch ein Liebes- und Selbstfindungsfilm – brutal, fesselnd, hautnah, letztlich positiv und hoch aktuell. Ein Manko: Man erfährt so gut wie nichts über die Vorgeschichte von Bryon und seine Tattoos, die er wie Trophäen trägt und die wohl diverse (Un-)Taten markieren. Immerhin, aus dem gewaltbereiten Skinhead Bryon wird ein geläuterter, gereifter Mensch mit humanem Bewusstsein. Nach dem Motto: Es ist nie zu spät…


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USA 2018
117 Minuten

Buch und Regie: Guy Nattiv
Kamera: Arnaud Potier

Darsteller: Jamie Bell, Danielle Macdonald, Vera Farmiga, Bill Camp, Mike Colter


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