Omegäng

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Urig: Hans Rohner, Landwirt und Traktorensammler aus Diepoldsau, leistet manchen schalkhaften Wortbeitrag. (First Hand Films)



«Zmitzt» in der Mundart


Wer weiss denn sowas …? Das Beispiel «Omegäng» – der Ausdruck stammt wohl aus dem Berndeutschen, könnte dies und das, könnte «ist doch gleich oder egal», «immer weiter» oder «nur weiter» bedeuten. Vielleicht ein Phantasieausdruck? Aber so genau weiss das niemand, weder Sprachsammler Christoph Landolt, Chefredaktor des schweizerischen Lexikons «Idiotikon», noch der urige Landwirt aus dem Rheintal, Hans Rohner. Der Luzerner Aldo Gugolz hat den Schweizer Dialekten akribisch auf den Zahn gefühlt. Das ist nicht nur urkomisch, sondern auch lehrreich und denkwürdig. Gib der Sprache Raum, dann entfaltet sie sich, entwickelt ein Eigenleben!

Keiner führt das besser und spitzbübischer vor als der Dichter Franz Hohler. Er trägt sein legendäres Gedicht «Totemügerli» im Garten vor und gesteht schelmisch, dass er viele Worte einfach erfunden hat. Wer kennt sich bei dem Sprachen- und Dialektmix, den Trendworten, Regeln und Verboten noch aus? Rohner, Dialektoriginal und Traktorsammler, bringt es auf den Punkt: Früher hätte das Werkzeug «Zweimannsäge» geheissen, muss man heute nun «Partnersäge» sagen?

Es ist ein Vergnügen, dem Spurensucher Aldo Gugolz zu folgen, den originellen Typen aus dem Alpstein, dem Emmental und St. Galler Rheintal, den Sprachkünstlern Hohler oder Pedro Lenz sowie jungen Rappern oder dem «Spracharchäologen» Landolt zuzuhören. Sie alle sind lebende Beispiele für die Sprachvielfalt, Kreativität und Verbundenheit mit ihrer Region. Gugolz’ Reise durch die Dialekte ist nicht nur höchst vergnüglich und humorvoll, sondern legt auch Zeugnis von Identität, Lebendigkeit und Heimat ab. Ein wunderbares Abbild linguistischer Vielfalt und Färbung der Schweiz. Die vermeintlich sprachliche Idylle durchbricht Gugolz mit tristen Bildern von Autobahnzubringern, öden Strassenecken, Riegelhäusern, mit Fast-Food-Reklame «entweiht» und unsäglich hässlichen Kreiseln, die es in der Schweiz zuhauf gibt, von Kreuzlingen bis Cadenazzo. Jede Zeit bringt Veränderungen und trägt ihre Wunden.

Mit «Omegäng» schliesst der Filmer aus Luzern und in Berlin ansässig eine Trilogie über die Schweiz ab – nach «Rue de Blamage» und «Kühe auf dem Dach». Er nennt seine Filme «dokumentarisches Unterhaltungskino». Die Zuschauer kommen auf ihre Rechnung und erfahren, dass die Schweiz viele Ecken und Kanten hat und doch irgendwie durch die Sprache, so unterschiedlich sie tönt und sich entwickelt, verbunden ist. «Omegäng» beweist, dass Mundart sich stetig wandelt (auch durch Secondos), aber nicht totzukriegen ist.   


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Schweiz 2024
76 Minuten

Buch und Regie Aldo Gugolz
Dramaturgie: Susanne Schüle

Mitwirkende: Franz Hohler, Big Zis, Pedro Lenz, Alwa Alibi, Cachita, Markus Gasser, Christoph Landolt, Hans Rohner


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