Notre Dame

2020_06_09_Notre Dame_003jpg

Eine Architektin mit Visionen: Maud Crayon (Valérie Donzelli) hat ein Gestaltungsmodell für einen Platz unmittelbar bei Notre Dame hervorgezaubert, das jedoch in der Öffentlichkeit wegen sexueller Anspielungen Anstoss erregt. Man protestiert. (Frenetic Films)



Liebe zur Lieben Dame


Man könnte meinen, die Filmautorin Valérie Donzelli (Regie und Buch) hätte eine Vorahnung, bestimmt aber einen guten Rieder gehabt, als sie ihre Lebens- und Liebesgeschichte um Notre Dame ansiedelte, der weltbekannten Pariser Kathedrale, eben lange vor dem verheerenden Brand im April 2019. Sie hat der grossen unversehrten Kathedrale unverhofft ein filmisches Denkmal gesetzt und war nach der Brandkatastrophe natürlich schockiert: «Ich war am Boden zerstört. Ich habe ein Denkmal gefilmt, das ich liebe. Ich lebte mit Notre-Dame während des gesamten Schreibprozesses des Films. Ich besuchte sie regelmässig, ich hing an ihr …kurz gesagt: Die Kathedrale war der Star meines Films.»

Donzellis Idee: Die Schönheit der Stadt an der Seine zu zeigen, gleichzeitig die Geschichte eines architektonischen Versagens zu beschreiben. Maude Crayon, von Valérie Donzelli burschikos charmant und liebevoll verkörpert, hangelt sich als Architektin, angestellt in einem Büro, durch ihr turbulentes Privatleben. Sie betreut ihre zwei Kind im Teenageralter, muss sich mit dem despotisch-hochnäsigen Chef Greg (Samir Guesmi) herumschlagen und hat zudem ihren Ex, den nach wie vor in sie verliebten Schlendrian Martial (Thomas Scimeca), am Hals. Eben diesen Vater ihrer Kinder möchte sie am liebsten loswerden, doch die Gutherzige schafft das nicht. Dazu schlägt ihr Herz wieder heftig für ihre Jugendliebe Bacchus Renard (Pierre Deladonchamps), der sie zufällig über den Weg läuft. Und dann ist da noch dieser Wettbewerb um die Gestaltung eines Platzes vor Notre Dame.

Wundersam findet Mauds spielerisches Modell doch Einlass in die Ausschreibung. Die zickige Bürgermeisterin von Paris (Isabelle Candelier) ist begeistert: Maud und ihrem gemütlichen Kollegen Didier (Bouli Lanners) werden 121 Millionen Euro für die Realisierung zur Verfügung gestellt. Plötzlich werden Vorwürfe laut: Verschiedene Elemente des Parks und Spielplatzes seien sexistisch, mokiert man, erinnerten an einen Phallus und so weiter …

Mauds privates wie berufliches Märchen scheint jäh zu enden, aber Valérie Dinzelli hat ein Herz für ihre Lieblingsfrau und fügt magische Elemente hinzu: Maud ist nicht nur schwanger, organisiert eine Liaison zu dritt und radelt wie einst E.T. mit ihrem Geliebten am Nachthimmel. «Happier» geht's nimmer! Die Liebes und Sozialkomödie kennt keine Grenzen, wird Romantiker, Alt-und Jungverliebte entzücken und liefert dazu ironische Spitzen gegen eine bürgerliche Gesellschaft, Einsichten über die alte Streitfrage um Karriere, Liebe und Familie und eine Liebeserklärung an die legendäre «Dame von Paris». «Notre Dame» ist burlesk, märchenhaft, komisch, phantasievoll und hoffnungslos romantisch. Ein Film auch über eine Welt, die aus den Fugen geraten ist – turbulent, chaotisch, grotesk und doch lebenswert.


4_Star_Lionjpg

Frankreich 2019
89 Minuten

Regie: Valérie Donzelli
Buch: Donzelli und Benjamin Charbit
Kamera: Lazare Pedron

Darsteller: Valérie Donzelli, Pierre Deladonchamps, Thomas Scimeca, Bouli Lanners


Zurück