Führer und Verführer

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Getreu bis in den Untergang: Propagandaminister Joseph Goebbels (Robert Stadlober, oben und unten links) diente seinem Herrn und Führer Adolf Hitler (Fritz Karl) – auch wider besseren Wissens. (Ascot Elite)



Monster in Menschengestalt


Ein düsteres Kapitel deutscher Geschichte behandelt der Spielfilm von Joachim A. Lang. Er beschreibt die verhängnisvolle Verbundenheit und Abhängigkeit von Propagandaminister Joseph Goebbels und seinen Dienstherrn Adolf Hitler. Er zeigt eindrücklich, wie Hitler seinen Volksverführer Goebbels bindet, benutzt, befördert und beklatscht. Am Ende müssen beide die Konsequenzen ziehen. Goebbels war des «Teufels General» auf dem Feld der Öffentlichkeit, Demagoge und Gefolgsmann.

Der Film spannt den Bogen vom Ende der Dreissiger Jahre bis zum Kriegsende 1945 und deutet die historischen Ereignisse aus Sicht der Akteure, der Täter. Um 1938 schien Goebbels (Robert Stadlober) als Propagandaminister auf dem Höhepunkt seiner Macht. Er hatte das Volk für den Führer gewonnen und der Welt mit den Olympischen Spielen in Berlin 1936 ein grossartiges friedliches Deutschland vorgegaukelt. Dazu hatte die Filmerin Leni Riefenstahl (Helene Blechinger) für die Nazis imposante körperverherrlichende Bilder geliefert (und es nie bereut), etwa mit der Trilogie «Der Sieg des Glauben», «Triumph des Willens» und «Tag der Freiheit».

Anfangs auf Frieden eingestimmt, musste Goebbels auf Befehl des Führers Hitler (Fritz Karl) auf Kriegsstimmung umschalten. Mit filmischen Mitteln unterstützte Goebbels auch die Judenverfolgung, beispielsweise mit dem rassistischen Machwerk «Jud Süss» (1940 von Veit Harlan mit Schauspielstar Heinrich George) oderder Dokmanipulation «Der ewige Jude» von Fritz Hippler. Den Gipfel propagandistische Suggestion und blindem Volksgehorsam erreichte er mit seiner Rede im Berliner Sportpalast: «Wollt ihr den totalen Krieg?» Das Volk musste bei Stange gehalten werden nach der Niederlage von Stalingrad 1942. Eine unglaubliche Inszenierung.

Joachim A. Lang zeigt die Mechanismen der Manipulation, die perfide Verführung in Wort und Bild. Lügen werden zur Wahrheit umfunktioniert (Trump lässt grüssen!). Das «gemeine Volk» Deutschlands und blinde Gefolgsleute liessen sich so zur Schlachtbank führen. Eine Stärke des Dramas liegt auch darin, dass der Regisseur Täter und Drahtzieher nicht zu Monstern stilisiert. Es gibt idyllische Familienszenen mit Goebbels Frau Magda (Franziska Weisz) und ihren Kindern, aber auch düstere Szenen auf dem Weg zum Selbstmord. Wie sehr der grosse Hetzer Goebbels seinem Führer hörig war, zeigt etwa die Szene, als Hitler seinem Gefolgsmann die Liaison mit der tschechischen Schauspielerin Lída Baarová (Katia Fellin) verbietet. Goebbels fügt sich und spielt heile Familie bis in den Tod.

Lang vermeidet es bewusst, die historischen Figuren zu karikieren. Sie sind erbärmlich, skrupellose, fanatisch, aber auch familiär und gesellig, selbst wenn die Ermordung der Juden oder Kriegsziele beschlossen werden. Lang lässt in seinem Drama Dokumentarfilmaufnahmen vom Anschluss Österreichs, von der Olympia, vom Sportpalast oder den letztem Kriegstagen einfliessen.
Dazu kommen Überlebende des Holocausts wie Margot Frîedländer, Charlotte Knoblauch und andere zu Wort. Diese Links zur Wirklichkeit verschärfen die Spielszenen. «Führer und Verführer» macht deutlich, wie die Mechanismen der Macht, vereint mit Propaganda, funktionieren. Das ist so heute so aktuell wie dazumal. Man muss nur nach Westen oder Osten schauen. Ein beklemmendes Meisterwerk historischer Einsicht und Warnung – über gestern für heute!



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Deutschland 2024    
135 Minuten

Buch und Regie: Joachim A. Lang
Kamera: Klaus Fuxjäger

Mitwirkende: Robert Stadlober, Fritz Karl, Franziska Weisz, Dominik Maringer, Moritz Führmann, Christoph Franken, Katia Fellin


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