Cronofobia

2019_07_02_Cronofobia_001jpgEin Privatdetektiv auf Testtour durch die Schweiz und eine Frau, allein gelassen: Der Reisende Michael Suter (Vinicio Marchioni) und die Rebellin Anna (Sabine Timoteo) beschnuppern sich, berühren sich, verlieren sich. (Prosa Film)



Verlorene Seelen


Zwei Menschen scheinbar auf verlorener Laufbahn. Sie kreisen quasi um sich selbst, der reisende Eigenbrötler Michael Suter und die rebellische Anna, die ihren Mann verloren hat. Sie sind keine Lebenskünstler, eher Lebensleidende, die sich scheinbar finden und doch verloren gehen. Michael Suter (Vinicio Marchioni) ist ein Eigenbrötler, Privatdetektiv, ständig unterwegs als Tester. Er überprüft den Kundenservice in Hotels, in Restaurants, an Tankstellen. Man wird nicht recht schlau aus ihm: Ist er auf der Flucht, auf der Suche? Er reist durch die Schweiz in einem Transporter, wechselt das Aussehen, als wollte er sich verschiedene Leben aneignen.

Anna (Sabine Timoteo) schleppt ein schweres Trauma mit sich. Sie hat ihren Mann verloren. Sie verhält sich störrisch, rebellisch. Und die Wege dieser einsamen Seelen kreuzen sich, genauer: Michael spürt Anna nach, sucht ihre Nähe, ihre Liebe. Wenn man will, ein Roadmovie von Zürcher Hotels zu Tessiner Tankstellen, Bündner Villen und anderswo. Und doch kein Roadmovie, eher eine Seelenwanderung, Fluchtversuche aus dem eigenen Gefängnis.


Der Tessiner Francesco Rizzi, geboren in Mendrisio, beschreibt in seinem Spielfilm-Debüt den rätselhaften Zustand einer Angststörung.
 «Cronofobia» handelt von der Angst, sich der Zeit, des Vergehens, des Zerrinnens zu stellen. Rizzi geht es um den Prozess permanenter Veränderung, um Mobilität und Rastlosigkeit, aber auch um Sehnsucht nach Vergangenem, nach einem Ruheort, einem Halt. «Auf der einen Seite ist Suter, eine Art Grossstadt-Asket, ein rastloser Mann, der ständig sein Aussehen ändert, der fast nichts hat, nicht einmal ein echtes Zuhause; er ist ein Mann, der alles tut, um zu vergessen und um sich selbst und seiner Schuld zu entfliehen», erklärt der Filmautor. «Auf der anderen Seite ist Anna, eine Frau, die sich weigert, die Realität zu akzeptieren und die wie erstarrt in der Vergangenheit lebt.»

Francesco Rizzis Beziehungsdrama ist sperrig, fordert Aufmerksamkeit und wohl auch Zuneigung zu einem spröden Thema. Man folgt den Protagonisten und verliert sich wie sie. Ein intimes Intermezzo, das gewollt vieles offen lässt, mit Leonardo Nigro in einer Nebenrolle. Die Tessiner Produktion, um die sich Villi Herman und Imagofilm sehr bemüht und verdient gemacht haben, hat indessen eine internationale Festivalkarriere hinter sich – vom ZFF (Zürich) und Saarbrücken über Tallinn, Ankara, Hong Kong und Buenos Aires bis Bozen und Edinburgh. Der Film verdient Aufmerksamkeit.
                                                                               

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Schweiz 2018
93 Minuten

Regie: Francesco Rizzi
Buch: Rizzi und Daniela Gambaro
Kamera: Simon Guy Fässler

Mitwirkende: Vinicio Marchioni, Sabine Timoteo, Leonardo Nigro


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