Becoming Giulia

2023_03_21_Becoming Giulia_006xjpg

Comeback: Solotänzerin Giulia Tonelli will nach der Schwangerschaft zurück ins Opernhaus. (First Hand Films)



Balance zwischen Bühne und Baby


Viele scheitern oder verzweifeln, wenn sie als Frau Familie und Karriere unter einen Hut bringen wollen. Erst recht, wenn sie als Solotänzerin am Zürcher Opernhaus wirkte. Giulia Tonelli (39) hat das Söhnlein Jan geboren und will zurück in ihre Welt und auf die Bretter, die ihr so viel bedeuten. «Das Baby macht mich zu einem vollständigen Menschen», sagt sie, doch auch die Bühne ist ihr Zuhause. «Ich habe die Identität als Giulia vermisst.» Elf Monate nach der Geburt arbeitet sie sich zurück, unterstützt von ihrem Mann und ihren italienischen Eltern. Ein schmerzhafter Prozess: Hier die körperliche Anstrengung, teilweise Tortur auf der Bühne und künstlerischer Ehrgeiz, dort die Verantwortung und Fürsorge fürs Kind. Die Ballettproben sind Knochenarbeit, erst recht, wenn man die 30 überschritten hat.

Die Tessinerin Laura Kaehr war selber Balletttänzerin. Mit 27 Jahren stieg sie aus. Sie hat die Primaballerina Giulia drei Jahre lang begleitet, mit empathischem Verständnis und Einsicht. Kaehr dokumentiert den Balanceakt zwischen Wunsch und Anspruch, mütterlicher Verantwortung und Selbstverwirklichung. Dabei werden den Zuschauern einmalige Einblicke ins Ballettleben, in die Probenarbeit und hinter die Kulissen des Zürcher Opernhaus gewährt. Wir werden Zeuge, wie Giulia versucht, sich aus dem strengen Corps-de-Ballet-Korsett zu lösen und mit Freundin Cathy Marston eigene künstlerische Weg zu gehen. Gute Aussichten, denn die Britin mit Schweizer Pass, wird ab 2023/24 neue Ballettdirektorin und Chefchoreographin des Zürcher Opernhauses. «Becoming Giulia», am Zurich Film Festival 2022 mit dem Publikumspreis ausgezeichnet, ist ein ungewöhnlicher, packender Frauenfilm über Selbstverwirklichung – nicht nur für Frauen und Ballettliebhaber.


5_Star_Lionjpg

Schweiz 2022
103 Minuten

Buch und Regie: Laura Kaehr
Kamera: Kaehr, Felix von Muralt, Stéphane Kuthy

Mitwirkende: Giulia Tonelli, Cathy Marston, Christian Spuck


Zurück