Ammonite

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Kann Liebe heilen? Die schwermütige, frustrierte Charlotte (Saoirse Ronan) sucht ihr Heil bei der alleinstehenden Mary (Kate Winslet) – und findet Liebe. (Ascot Elite)


Liebe in viktorianischen Zeiten


Raue Schale, raue Landschaft. Mary Anning (Kate Winslet) sammelt Fossilien, um sie an Museen oder Touristen zu verkaufen. So beginnt der malerische, intime Liebesfilm von Francis Lee. Die Anfangsbilder vom Strand und von der Dorset-Steilküste (Kamera: Stéphane Fontaine) zeigen nicht nur eine herbe bizarre Kulisse, sondern fangen auch bedrückende Stimmungen ein – zwischen Melancholie, Verlorenheit und Einsamkeit.

Mary ist es einmal gelungen, ein Fundstück (Ammonit) ans Britische Museum weiterzugeben, wobei ihr Name als Finderin und Paläontologin unterdrückt wurde. Wir befinden uns im 19. Jahrhundert, das in England zwar viktorianisch genannt, aber von Zylinderträgern, sprich Männern, dominiert wird. Mary hält sich und ihre kranke Mutter (Gemma Jones) mühsam mit einem Souvenirladen im Küstenkaff Lyme Regis über Wasser. Sie bietet Ammoniten an, spiralförmige Versteinerungen von Kopffüsslern. Einer, der sich für diese steinernen Zeitzeugen sehr interessiert, ist der reiche Roderick Murchison (James McArdle), einer der führenden Geologen seiner Zeit und Vorsitzender der Geological Society of London. In seinem Schlepptau befindet die junge Ehefrau Charlotte (Saoirse Ronan), schwermütig, frustriert, lebensmüde. Der Mann sieht in Mary die geeignete Frau, um ihr seine Gattin anzuvertrauen, auf dass Charlotte wieder Lebenslust finde.

Die schroffe, von Land und Leben gezeichnete Ammoniten-Expertin nimmt das Angebot eher widerwillig an und zeigt Charlotte die kalte Schulter, bis diese schwer erkrankt. Ihr Sorge überwiegt, sie gewinnt Vertrauen, weckt Zuneigung und umgekehrt. Charlotte wird zur Begleiterin und Geliebten.

Francis Lees («God's Own Country») gelingt ein rauer, doch inniger und intimer Liebesfilm, die sich zu einer Liebe bekennt, die im 19.Jahrhundert gesellschaftlich tabu war. Ein Bekenntnis zu Liebe über alle Schichten, Schranken und Vorurteile hinaus und Plädoyer für die selbständige Frau. Der Film lehnt sich an das Leben der Paläontologin Mary Anning (1799-1847) an, welche keine Anerkennung als Wissenschaftlerin vor den Patriarchen fand (siehe Britisches Museum). Sie lebte tatsächlich in dem Küstenkaff Lyme Regis, Dorset.

Nicht nur die Bilder, wie von Caspar David Friedrich geschaffen, sondern vor allem die beiden Schauspielerinnen, Kate Winslet («Titanic», «The Reader/Der Vorleser») und Saoirse Ronan («Little Women», «Lady Bird») bieten herausragende Leistungen und überzeugen bis zu den Haar- und Fingerspitzen. Die faszinierende Romanze «Ammonite» vermeidet gekonnt Kitsch und aufdringliche Rührseligkeit, erinnert auch an den wunderbaren französischen Film «Portrait de la jeune fille en feu» (2019), der die Liebe zwischen einer Malerin und einer Adeligen im 18. Jahrhundert schildert. Beide sehr sehenswert.


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Grossbritannien 2020  
118 Minuten

Buch und Regie: Francis Lee
Kamera: Stéphane Fontaine

Mitwirkende: Kate Winslet, Saoirse Ronan, Fiona Shaw, Gemma Jones, James McArdle


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